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den spätern Reichstagen auch nur auf den Prälatenbänken vertreten war. Die Pröbste unter den Prälaten gehörten zum Theil dem Prämonstratenserorden an, so die schon früher erwähnten von Marchthal, Schussenried und, bis zur Verwandlung in Abteien, von Ursperg und Roggenburg[1]; regulirte Chorherrenstifte waren Wettenhausen im Augsburger Sprengel, dessen Probst immer Reichsstand blieb, und Kreutzlingen im Konstanzer Sprengel, welches von den Schweizern eximirt wurde[2]; doch dürfte sich für keins von beiden erweisen lassen, dass es früher dem Reiche gehörte.

Den bisherigen Resultaten gegenüber muss es nun doppelt auffallen, 251 dass wir später auf dem Reichstage nicht allein unter den Prälaten, sondern auch auf der Fürstenbank drei Pröbste finden. Das erklärt sich leicht bei Elwangen und Weissenburg; sie wurden, jenes 1459, dieses 1526, aus gefürsteten Abteien in Probsteien verwandelt und dabei die Fürstenwürde gewahrt.[3] Anders bei der dritten Probstei, Berchtesgaden, welche von ihrer Gründung durch die Grafen von Sulzbach im J. 1108 an regulirtes Chorherrnstift war; würde diese schon in ältester Zeit als gefürstete zu betrachten sein, so ergäbe sich allerdings, dass der Fürstenstand mit der Würde eines Probstes nicht unvereinbar gewesen sei. Zunächst ist aber zu beachten, dass das Stift der römischen Kirche gehörte. Die Gründer übertrugen ihre Allode, worauf das Stift gegründet wurde, dem h. Petrus gegen jährlichen Zins; und in zahlreichen päpstlichen Urkunden des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts werden sie als allodia beati Petri, das Stift als ad jus sanctae Romanae ecclesiae specialius pertinens oder als Romanae ecclesiae censualis bezeichnet.[4] In den zahlreichen Kaiserurkunden für das Stift[5] fehlt jede Beziehung auf den Fürstenstand des Probstes, welcher vielmehr wiederholt nur als honorabilis bezeichnet wird; in salzburgischer Urkunde von 1198 wird er den Dompröbsten von Salzburg und Freising nachgestellt.[6] Auch reden die ältern Kaiserbriefe nur von Bestätigung der Besitzungen und Rechte des Stifts, ohne besondere Beziehungen desselben zum Reiche oder Regalienverleihung zu erwähnen. Erst 1386 erfolgt zuerst eine Reichsbelehnung mit den Regalien, welcher 1415 und 1454 andere folgen.[7] Das Stift, 1392 dem Erzbisthume Salzburg inkorporirt und nur mit Mühe und grossen Kosten trotz päpstlichen Widerrufs seine Unabhängigkeit wiedererlangend, mochte besondern Werth darauf legen, als Reichsstift betrachtet zu werden, obwohl, wie wir bei manchen Abteien sahen, schon das weltliche Abhängigkeitsverhältniss von der römischen Kirche genügen könnte, die spätere Reichsunmittelbarkeit zu erklären. Bei einer päpstlichen Bestätigung der Unabhängigkeit vom Erzbisthume im J. 1455

  1. Vgl. § 229. 230.
  2. Vgl. Moser 37, 88. 194.
  3. Vgl. § 230.
  4. Hund 2, 155 u.s.w. 167. 170.
  5. 1156-1348: Hund 2, 177–185. M. B. 29, 481. 544. 31, 442. 454.
  6. Lünig 18, 10.
  7. Hund 2, 185. 186. 188.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_395.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)