Populär-wissenschaftlicher Wander-Vortrag des Dr. Sulphurius über Physik

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Autor: Franz Bonn
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Titel: Populär-wissenschaftlicher Wander-Vortrag des Dr. Sulphurius über Physik
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aus: Fliegende Blätter, Band 71, Nr. 1784–1786
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: UB Heidelberg, Commons
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Illustrationen von Lothar Meggendorfer
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Populär-wissenschaftlicher Wander-Vortrag des Dr. Sulphurius über Physik.

Wenn Einer, was hin und wieder vorkommen mag, irgendwo hinausgeworfen wird, oder wenn, was auch vorkommt, ein Orchester sechs Stunden lang Wagner spielt, so erleidet der Hinausgeworfene oder das Orchester keine wesentliche Veränderung, denn das Schmerzgefühl des Einen und die Erschöpfung des Andern kommen wissenschaftlich nicht in Betracht. Unter Physik verstehen wir daher die Wissenschaft jener Naturerscheinungen, die von keiner wesentlichen Veränderung der Gegenstände begleitet sind, an welchen sie wahrgenommen, oder von welchen sie hervorgebracht werden.

Das Erste, was hiebei uns entgegentritt, ist der Raum, von dem schon Schiller sagt: „Raum ist in der kleinsten Hütte.“ Der Raum hat bekanntlich drei Dimensionen: die Höhe, die Breite und die Tiefe. Er hat dadurch Aehnlichkeit mit einem populär-wissenschaftlichen Vortrag, der sich gewöhnlich durch die Höhe, von der aus der Vortragende spricht, die Tiefe der Langweile seiner Zuhörer und die Breite des Vortrages selber auszuzeichnen pflegt. Eine vierte Raumprojection haben die Gelehrten eben jetzt in der Arbeit. Was den Raum erfüllt, ist Materie oder Stoff. Einen begrenzten Stoff nennen wir Körper oder Gegenstand.

In diesem Sinne bezeichnet der Ungebildete seine Geliebte – als seinen Gegenstand. Was den Stoff bewegt, heißt Kraft, welcher Name übrigens auch sonst häufig in Deutschland vorkommt. Ohne Kraft bliebe der Stoff unveränderlich. Ob die Kraft im Stoffe wohnt, oder wo anders, darüber sind wir Gelehrte noch nicht einig, jedenfalls aber hat es Stoffe gegeben, welche Kraft erzeugten, z. B. das bayerische Bier vor der Erfindung der Chemie. – Reicht der Stoff nicht, so kauft man in der Regel einige Meter von demselben nach, reicht die Kraft nicht, so bedient man sich entweder eines Packträgers oder sonst einer Unterstützung. Bei Trauerspielen fehlt es in der Regel entweder am Stoff, oder an der Kraft, in neuerer Zeit meistens an Beiden.

Wenn wir uns nun die Körper näher betrachten, so treten uns allgemeine Eigenschaften entgegen, welche jeder Körper hat. Dahin gehört vor allem die Ausdehnung, vermöge welcher der Körper lang, breit oder hoch, oder Alles zugleich ist. Körper von großer Ausdehnung in gerader Linie, oder einfacher, von großer Länge, sind meistens auch langweilig, z. B. Klopstock’s Messias, viele Romane, Kammerreden, moderne Straßen, Bandwürmer etc. Zur Messung der Länge dienen die Längenmaaße, deren Einheit nun so ziemlich allgemein das Meter ist. Früher hatte jedes deutsche Vaterländchen seinen eigenen Fuß, und da viele derselben auch ihren eigenen Kopf hatten, ging nichts zusammen.

Eine weitere Eigenschaft aller Körper ist die Undurchdringlichkeit. Es scheint parodox, aber auch die Luft ist undurchdringlich, d. h. den Raum, den ein Körper ausfüllt, kann nicht zugleich ein anderer Körper einnehmen. Eine Ausnahme machen Menschenherzen, welche zuweilen von mehreren Gegenständen zugleich erfüllt werden. Den unwiderleglichsten Beweis für die Undurchdringlichkeit der Luft bietet die Taucherglocke, eine Zusammensetzung aus zwei bekannten Schiller’schen [106] Gedichten, welche, in’s Wasser versenkt, kein Wasser in sich aufnimmt, weil die den Raum der Glocke füllende Luft ihren Platz behauptet. Aus diesem Grunde kann auch unter dem Wasser der Taucher, ohne naß zu werden, nicht mehr in die Glocke hinein, wenn er nicht so schon drinnen ist. Nicht alle Körper sind gleich undurchdringlich, vielmehr leistet ein Festungswall, ein Bauernkopf und eine Rhinozeroshaut mehr Widerstand, als Seidenpapier und manche Volksvertreter, und unterscheidet man deßhalb feste, flüssige und luftförmige Körper.

Eine sehr verbreitete Eigenschaft der Körper ist die Trägheit. Diese Eigenschaft tritt am deutlichsten hervor bei der Schildkröte, dem Studenten überhaupt und dem Primaner insbesondere, dann beim städtisch bezahlten Taglöhner und verschiedenen Bureaumenschen. Vermöge dieses Beharrungsvermögens rührt sich die Schildkröte gar nicht, der städtische Arbeiter sehr wenig, bleibt der Student bis Mittags im Bette liegen und schlafen Primaner und Bureaumensch, ersterer in der Klasse, letzterer in der Sitzung.

Eine sehr angenehme Eigenschaft ist die Theilbarkeit, welche bei Erbschaften, Brüchen und andern festlichen Gelegenheiten vorkommt. Die Theilung durch Werkzeuge nennt man die mechanische, die durch Naturkraft die physikalische, die, von welcher leider Viele träumen, die sociale.

Wie weit die Theilbarkeit gehen kann, beweisen die Brodwecken und Fleischportionen der Gastwirthe und Restaurateure.

Das, wodurch wir schwitzen, nennen wir Poren; deßhalb nennt man alle Körper, welche schwitzen, porös und spricht von der Porosität der Körper. Diese Eigenschaft haben besonders stark der Schwamm, das Holz, der Käs und der Mensch im Examen oder im Theater. Selbst Gold und Eisen sind porös, nur das Glas macht hievon eine rühmliche Ausnahme, da es weder Luft noch Flüssigkeit durchläßt, weßhalb es sich zu Conserven und eingemachten Früchten besonders eignet. Je mehr Zwischenräume in einem Körper sind, desto größer ist seine Zusammendrückbarkeit. Es gibt keinen Körper, der nicht durch Druck verkleinert werden könnte, sogar ganze Völker sind in der Weltgeschichte durch Druck reducirt worden.

An der Spitze der zusammendrückbaren Körper steht der Cylinder, bei welchem ein Faustschlag genügt, um ihn anzutreiben. Dann kommt die Luft, während das Wasser in dieser Richtung wenig Spaß versteht. Auch das Glas, obwohl nicht porös, läßt sich zusammendrücken, geht dabei aber gewöhnlich in Scherben. Geht der Körper nach überstandenem Druck wieder in seine alte Lage zurück, so nennt man ihn „elastisch“. Die Eigenschaft der Elasticität ist bei den Körpern sehr verschieden. Die Luft ist vollkommen elastisch; darum sind aus der Luft gegriffene Behauptungen ohne Bedeutung. Auf der Elasticität beruht die Federkraft, welche in gepolsterten Möbeln, beim Taschenmesser und in der Tagespresse sehr häufig vorkömmt.

Wenn eine Zeitung etwas Neues zusammenlügt und es dann am nächsten Tage, oder etwas später widerruft, so nennt man dieses die Elasticität der Presse. Die meisten Blätter sind deshalb so elastisch, weil sie ihre Nachrichten sehr oft aus der Luft greifen.

Die letzte allgemeine Eigenschaft der Körper endlich ist die Dehnbarkeit, welche meistens durch Wärme hervorgerufen wird, weßhalb Kammerreden und Theaterstücke um so länger zu dauern scheinen, je wärmer es in der Kammer oder im Theater ist. Die größte Dehnbarkeit bilden außer allen philosophischen Begriffen, die Gesetzes-Paragraphen. Hier tritt oft das geflügelte Wort in seiner Wahrheit zu Tage: „Wenn es auch nicht im Gesetze steht, so kann es doch hineingelesen werden.“

Alle physikalischen Erscheinungen lassen sich, da alle guten Dinge drei sind, in drei Gruppen ordnen. Die erste Gruppe ist die der Anziehung, die zweite, die der Schwingung und die dritte, die der Strömung.

Zu den Erscheinungen der Anziehung, nicht zu verwechseln mit den anziehenden Erscheinungen, welche in der Regel schon angezogen sind, gehört der Zusammenhang, die Schwere, die Bewegung und das Gleichgewicht. Zur zweiten Gruppe rechnen wir Schall, Wärme und Licht, die Gruppe der Strömung endlich umfaßt Elektricität und Magnetismus.

Wir sprechen zunächst vom Zusammenhang. Die Kraft, welche die einzelnen Atome eines Stoffes, die unmittelbar nebeneinander liegen, zusammenhält, nennen wir Cohäsion. Ihre Wirkung ist nicht weit her. Man schlage z. B. einen Spiegel zusammen, ein Experiment, das man ja auch durch seine Kinder oder Dienstboten besorgen lassen kann, sie thun es gerne – so geht er in Stücke auseinander, welche getrennt bleiben, wenn man sie noch so nahe aneinanderlegt. Wie anders, wenn man mit einem Stock in einen Wasserspiegel schlägt. – Wegen des engen Zusammenhanges der einzelnen Theile sind z. B. die Nihilisten so gefährlich. Körper, die gar keinen inneren Zusammenhang haben, wie z. B. viele moderne Zugstücke, nennt man Gase. Neben der Kraft der Anziehung haben die einzelnen Theilchen eines Körpers auch die Neigung, sich in gewisser Ordnung aneinander zu reihen, was besonders bei der Crystallisation sehr nett hervortritt, wie uns dieses schon in frühester Jugend der so sehr beliebte Kandiszucker zeigt.

Wenn sich zwei Körper, was zuweilen vorkommt, berühren, so entsteht die Adhäsion, die auch im Civilprocesse als Rechtsmittel bekannt ist.

Das Anhängen der flüssigen Körper an feste heißt Benetzung. [107] Dieselbe kommt äußerlich beim Parapluie und innerlich beim Kneipen vor. Auf der Benetzung beruht auch die Malerei, das Kitten, Leimen, Kleben und andere bildende Künste.

Je mehr Farbstoff man mittelst der Adhäsion auf die Leinwand bringt, um so größer ist das Kunstwerk. Die moderne Malerei kommt in dieser Richtung der Plastik immer näher und dieses ist oft der einzige Grund, warum man von modernen Gemälden mit Recht sagen kann: „Es ist etwas d’ran –“

Hieher gehören auch die Haarröhrchen (Capillarität), welche Anfangs der 50ger und oft schon früher auszugehen pflegen.

Eine weitere Erscheinung der Anziehung ist die Schwere. Sie wird häufig durch gutes Essen und Trinken hervorgerufen, ist aber auch oft Naturanlage. In beiden Fällen ist Marienbad zu empfehlen. Die Schwere ist die Ursache des Fallens der Körper, welche alle von dem größern Körper angezogen werden,

was man am deutlichsten an kleinen Kindern sehen kann, welche, wenn sie von der Gouvernante hübsch angezogen sind, meistens auch gleich in den Schmutz fallen. Je höher einer herunterfällt, desto schneller geht es; wenn man also einen brennenden Strohbüschel in einen Brunnen von etwa 100 Meter Tiefe fallen läßt, so löscht derselbe mit mathematischer Gewißheit aus, sobald er in’s Wasser kommt. – Den Gesammtdruck aller Theile eines Körpers auf seine wagrechte Unterlage nennt man Gewicht, doch ist nicht immer die Masse der Theilchen entscheidend für das Gewicht. Es gibt z. B. Männer von großem Gewichte, die sehr mager

sind und umgekehrt. Zur Vergleichung des Gewichtes zweier Körper dient die Wage, von welchen besonders die der Gerechtigkeit einer sehr sorgfältigen Pflege bedarf. Die Gewichtseinheit ist das Gramm; das Ganze der Gewichtslehre heißt deßhalb Grammatik. Das spezifische Gewicht eines Körpers ist seine Dichte, vermöge welcher 1  Kork leichter ist als 1  Blei und die Milch schwerer ist als das Wasser, welches in dieselbe geschüttet wird.

Wenn ein Körper seinen Ort im Raume verändert hat, so ist er in Bewegung. Der Gegensatz der Bewegung ist die Ruhe. Eine absolute Ruhe gibt es nicht und Alles ist der Bewegung fähig, nur das Herz des Geizigen nicht.

Hier sei bemerkt, wie unrichtig mancher Satz der Physik ist. So lehrt dieselbe: ein in Ruhe befindlicher Körper könne sich nicht selbst in Bewegung setzen und doch macht Niemand mehr Bewegung, als gerade die Quiescenten. Bewegung in freier Luft ist ebenso gesund, als Ruhe auf dem Kanapee. Sehr interessant ist die Molekular-Bewegung, welche aber nur ganz besonders gescheidte Leute wahrnehmen.

Vergleicht man die Länge des Weges mit der Zeit, in der er zurückgelegt wird, so erhält man die Geschwindigkeit, welche nach dem Ausspruche aller Taschenspieler keine Hexerei ist. Die Annahme, daß das Langsamste die Schnecke sei, ist durch die Stadtomnibusse widerlegt; auch die Annahme, daß der Gedanke das schnellste sei, ist bei vielen Menschen nicht haltbar. Trifft ein in Bewegung befindlicher Körper auf einen andern, so entsteht ein Stoß – bei der Eisenbahn Zusammenstoß, beim Menschen Rencontre genannt.

Wirken zwei Kräfte zugleich auf einen Körper, ohne dessen Zustand zu verändern, so haben wir das Gleichgewicht der Kräfte. Das Parallelogramm der Kräfte entsteht, wenn zwei Kräfte nach verschiedenen Richtungen auf den Körper wirken, wie das bei dem Zwei-Kammersystem zuweilen vorkömmt.

Auf der schiefen Ebene wollen wir uns nicht lange aufhalten und nur die Schraube erwähnen, welche nichts als eine gewundene schiefe Ebene ist und besonders als Steuerschraube zeigt, wie unglaublich viel ein Volk aushalten kann.

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Eine angenehmere physikalische Erscheinung ist der Flaschenzug, vorzüglich, wenn der Inhalt der Flasche gut ist. Der Punkt eines Körpers, in welchem sich die Summe der abwärts ziehenden Kräfte vereinigt, heißt Schwerpunkt. Die Bezeichnung kommt da her, daß es oft sehr schwer ist, diesen Punkt zu finden. Ein schwerer Punkt im Leben ist das Geld, weßhalb es Viele, aber mit Unrecht, für den Schwerpunkt des Daseins halten. Ein wesentliches Hinderniß der Bewegung ist die Reibung. Die einfachste Reibung ist die des Zündhölzchens. Reibungen kommen indessen auch bei Studentenverbindungen und einzelnen Menschen vor. Es ist nämlich kein Körper vollständig eben, und die Unebenheiten des Einen sind schuld, daß der Andere sich daran reibt.

Eine sehr wichtige Lehre ist die Hydrostatik, oder die Lehre vom Gleichgewicht der Flüssigkeiten. Die tägliche Erfahrung zeigt uns, wie viele Menschen durch ein Uebermaß von Flüssigkeit das Gleichgewicht verlieren. Die Flüssigkeit befindet sich im Gleichgewicht, wenn alle Theile ihrer Oberfläche gleich weit vom Mittelpunkt der Erde entfernt sind; daraus folgt, daß die Oberfläche jeder ruhigen Flüssigkeit rund sein muß, was uns am Deutlichsten bei Wein- und Bierfässern entgegentritt.

Jede Flüssigkeit hat, wie der Mensch, ein Bedürfniß nach Ruhe und gibt daher nicht nach, bis sie ihr Gleichgewicht gefunden hat. Was bei den Flüssen die Quelle, das ist beim Menschen die Geburt. Je nachdem die Quelle von der Höhe kommt oder in der Niederung liegt, unterscheidet sich das Wasser, was man beim Menschen Standesunterschied nennt. Man bemüht sich, in unserem Jahrhundert diese Unterschiede aufzuheben und bedenkt nicht, daß, wenn sich alle Standesunterschiede auch beseitigen ließen, einer fortbestehen würde, und das wäre der Verstandesunterschied.

Unmittelbar nach dem Ursprung wird der Mensch, wie der Fluß, vielfach beengt, was man Erziehung nennt, bis Fluß und Mensch, nachdem sie verschiedene Flüssigkeiten in sich aufgenommen haben, ihre eigene Richtung einschlagen. Beide treiben in der Jugend allerlei, der Fluß Mühlen, der Mensch Allotria, bis ihr Gang ruhiger wird und sie irgendwo hineinfallen.

In mehreren in Verbindung stehenden Gefäßen ist der Stand der Flüssigkeiten immer der gleiche, wie dieses uns die Gießkanne, der Theekessel, der Springbrunnen und die stets gleichen Schritt haltenden Seidelgläser einer Bierverbindung [114] deutlich zeigen. Die Größe des Druckes der Flüssigkeit auf die Grundfläche hängt nicht von der Quantität der Flüssigkeit, sondern von ihrer Höhe ab. Je höher also die Zahl der genossenen Seidel ist, desto stärker ist am andern Tage der Druck auf die Grundfläche des Schädels.

Die unsere Erde umgebende Luft nennen wir Atmosphäre. Das Interessanteste ist die große Luftdruckerei, in welcher der berühmte Luftdruck hervorgebracht wird, den man wegen seiner Feinheit mit freiem Auge nicht lesen kann.

Das einfachste Instrument zur Messung des Luftdruckes ist das Barometer. Dasselbe wird zu Wetterprophezeihungen und Höhenmessungen verwendet und hat einige Aehnlichkeit mit den Staatspapieren, Actien und andern Effecten, welche auch bald steigen, bald fallen. Die Börsenmänner nennen das Hausse und Baisse und speculiren bald auf die eine, bald auf die andere. Die Maschine, mit welcher demnächst die Staaten ihre Deficite decken müssen, ist die Luftpumpe, denn es wird bald die Zeit kommen, wo man nirgends anders mehr pumpen kann.

Wir kommen nun zu den Erscheinungen der Schwingung. Hier betreten wir eine ganz neue Welt. Wir haben bisher die Materie als das Raumerfüllende kennen gelernt, jetzt müssen wir das Unsichtbare, den Aether, in’s Auge fassen, nämlich das Etwas, das als unendlich Feines im ganzen Weltraum vertheilt ist und alle Körper durchdringt, sogar diesen Vortrag, und in diesem Falle mit dem Schwefel-Äther die größte Aehnlichkeit hat.

Was ein Schwung ist, weiß Jeder, der das Glück hatte, mit einem solchen in der Eisenbahn, im Theater oder in Gesellschaft zusammenzukommen. Im Französischen nennt man dies Commis voyageur. Schwingt sich die Materie, so entsteht der Schall, schwingt sich der Aether, so entsteht Wärme und Licht. Wirft man z. B. einen Stein in’s Wasser, so entsteht eine Wellenbewegung, wirft man einen Stein in’s Fenster, so ist das Eigenthumsbeschädigung, und wirft man einen Stein einem Andern an den Kopf, so heißt das Körperverletzung. – Wir sprechen hier nur von den Wellenbewegungen. Dieselben sind am stärksten da, wo sie beginnen und nehmen mit der Zeit und der Entfernung ab, wie man sich bei unglücklichen Liebschaften, Todesfällen und andern Ereignissen leicht überzeugen kann. Schall, Wärme und Licht haben bei ihren Bewegungen keine einseitige Richtung, wie wir sie oft im politischen Leben finden, sondern sie verbreiten sich nach allen Richtungen.

Wir betrachten zunächst den Schall. Jede Bewegung der Körper erzeugt ein hörbares Geräusch. Bei Saiten, Glocken und Stimmgabeln geben die Körper selbst einen Ton von sich, bei Blasinstrumenten und der Stimme gibt ihn der Mensch oder das Thier von sich. Immer aber sind es die Schwingungen der Luftwellen, welche den Ton hörbar machen. Die Höhe und Tiefe eines Tones hängt von der Zahl der Schwingungen ab, die der Körper in einer gewissen Zeit macht. Indessen gibt es Schwingungen von Körpern, die keinen Ton hervorbringen, z. B.

die Schwingungen der Turner am Reck, und Töne, welche nicht durch Schwingungen von Körpern entstehen, z. B. der gute Ton. Wir betreten das Gebiet der Musik. Das, was Anfänger kaum spannen können, heißt Octave, das, wobei sie gewöhnlich daneben greifen, große und kleine Terz. Diese kommt auch in der Fechtkunst vor. Wir unterscheiden ganze und halbe Töne, wie beim Litermaß, und verstehen unter Accord die Uebereinstimmung zweier Contrahenten; deßhalb nennen wir die Ehe einen Accord. Zu einem Accorde genügt nicht Grundton und Octav, sondern es muß dazu eine Terz kommen, weßhalb kinderlose Ehen langweilig sind. Harmoniren Vater, Mutter und Kind, so entsteht eine Consonanz, harmoniren sie nicht, oder klingen fremde Töne mit hinein, so entsteht eine Dissonanz. Raisonnirt Jemand, so entsteht eine Resonanz, und der Boden, auf dem sie gedeiht, heißt Resonanzboden, auch Raisonirboden. Der Schall verbreitet sich mit einer affenartigen Geschwindigkeit und auffallender Weise durch dichte Körper schneller, als durch undichte. Darum hört der Horcher an der Wand so leicht seine eigene Schand, darum sagt man auch, die Wände haben Ohren, und wer in der Ferne Pferde-Getrapp hören will,
der legt sein Ohr auf die Erde. Je höher man steht, desto leiser ist der Schall, wie das der Ton der Unterhaltung in einem Salon im Vergleich mit dem Ton der Unterhaltung in einer Bauernstube alltäglich lehrt.

Ein tönender Körper, der in einem luftleeren Raum sich schwingt, erzeugt keinen hörbaren Ton, weßhalb auch die Canarienvögel, unter die Luftpumpe gebracht, nicht singen, sondern ersticken. Wird der Schall irgendwo gerade zurückgeworfen, so nennt man das Echo, welches bekanntlich, wie eine streitsüchtige Frau, immer das letzte Wort hat. – Damit glauben wir Alles erschöpft zu haben, was sich über den Schall in physikalischer Beziehung sagen läßt und gehen deßhalb zur Wärme über.

Die Wärme entsteht auf mannigfache Weise – durch Reibung, Bewegung, chemische Verbindung, Elektricität, am einfachsten durch Heizen mit Buchenholz in einem Kamin oder Ofen. Da auch im Innern der Erde eingeheizt ist, so dürfte man nur die Gräber etwas tiefer graben, um den Zwist zwischen Leichenbestattung und Leichenverbrennung zum Ausgleiche zu bringen. Ist die Wärme sehr groß, so sagen wir: „Aber die Hitze!“ ist sie gering, so bedienen wir uns des Ausdrucks: „Aber heut is ’s kalt!“ Das, was zwischen diesen beiden Polen in der Mitte liegt, kommt in unserer gemäßigten Zone selten vor. Mag nun die Wärme herkommen, wo sie will, so [115] zeigt sie immer die gleichen Erscheinungen. Die auffallendste Erscheinung der Wärme ist die Ausdehnung der Körper. Ein volles Haferl, das in die Hitze kommt, lauft leicht über und was dergleichen Erscheinungen mehr sind.

Unter Temperatur versteht man den Grad der Erwärmung der Körper, und das zur Messung dieser Grade bestimmte Instrument heißt Thermometer. Das einfachste Thermometer ist die Hand. Wir unterscheiden den Null-, Eis- und Gefrierpunkt und den Sied- oder Kochpunkt. Der Eispunkt ist in Conditoreien, der Kochpunkt im Hauswesen von großer Wichtigkeit. Die Thermometer schreiben sich auf französisch: Réaumur, auf lateinisch: Celsius, und auf englisch: Fahrenheit. Kommt ein Körper so in Hitze, daß seine Theilchen die Eigenschaft von Gasen annehmen, so entstehen Dämpfe, welche auch bei Menschen vorkommen und denen dann, wenn sie vorüber sind, ein Zustand der Erstarrung folgt. Die langsame Verdampfung des Wassers nennen wir Verdunstung. Je größer der Wassergehalt einer wissenschaftlichen Arbeit ist, um so bedeutender ist der Dunst, den sie entwickelt. In dieser Richtung leistet auch die moderne Poesie Großartiges. Eine sehr praktische Verwerthung hat der Dampf in der Dampfmaschine gefunden. Die Dampfmaschine ist das bewegende Element unserer Zeit. Besonders die Eisenbahnen haben die Verbindung der Völker hergestellt, die Entfernung aufgehoben und werden mit der Zeit alle berechtigten Eigenthümlichkeiten der Nationen verwischen. Was mit übermäßigem Luxus hergestellt zu werden pflegt, nennen wir „Bahnhof“. Früher baute man gothische Dome, jetzt gußeiserne Einsteighallen – die Tempel der neuen Gottheit des Dampfes, und doch sind Bahnhöfe und Aborte die einzigen Räume, in denen sich der Mensch nicht länger aufzuhalten pflegt, als er muß. Hans-Dampf nennen wir Einen, der sich zu viel einbildet. Auch in diesem Sinne könnte man unsere Zeit die Zeit des Dampfes nennen.

Die Strahlen der Wärme können gebeugt, abgelenkt und zurückgeworfen werden. Je schwärzer etwas ist, desto mehr nimmt es die Wärmestrahlen in sich auf, weßhalb der schwarze Frack so lästig ist und die Mohren so schwitzen. Es ließe sich wohl noch Manches über die Wärme sagen, aber wir folgen lieber dem Beispiele der Pflanzen und wenden uns zum Licht.

Es werde Licht, so lautete des Schöpfers Machtspruch, und doch ist es noch immer so dunkel auf der Welt. Unsere Zeit erachtet sich für die lichtreichste und es läßt sich nicht läugnen, daß im Gebiete der Beleuchtung viel erfunden wurde, aber man darf sich dadurch nicht hinter das Licht führen lassen. Unsere Lichtquellen sind die Sonne und die Fixsterne, die Wärme, die Elektricität, die Leuchtkäfer und die Fäulniß. Aus der letzteren, wenn sie sittlich ist, wird besonders durch die Tagespresse viel Licht gewonnen.

Die Mehrzahl der Körper werfen das Licht zurück – sie reflektiren. Wenn der Mensch reflektirt, wie z. B. die Philosophen, so kommt auch nicht viel Licht heraus. Auf diesem Reflektiren beruht die Sichtbarkeit der Dinge. Am besten reflektiren die Spiegel, von denen wir ebene, hohle und erhabene unterscheiden.

[121] Der ebene Spiegel zeigt uns Alles verkehrt. Eine Ausnahme hievon machen die Spiegel am Sammt und an den Rockärmeln. Hieher gehören auch die Spiegelkarpfen und die Spiegeleier, sowie das Kaleidoskop, vermittelst dessen der Jugend die Welt viel schöner vorkommt, als sie wirklich ist. Aus dieser Eigenschaft der Spiegel, Alles verkehrt zu zeigen, erklärt sich, warum Damen, denen die Schönheit mangelt, viel lieber in den Spiegel schauen, als wirkliche Schönheiten.

Der schönste Spiegel ist nicht der Augenspiegel, sondern der Spiegel des Auges. Wohl dem, der sein Bild im Spiegel des Auges eines treuen Weibes und liebender Kinder schauen kann – er ist der Glücklichste, und wäre er der Aermste. – Die Oberfläche des gewöhnlichen Spiegels trübt sich bei dem leisesten Hauche, weßhalb Scheintodte sich gerne einen Spiegel an den Mund halten lassen; am leichtesten trübt sich aber der Spiegel des Auges. Der leiseste Kummer genügt; darum hüte man nichts sorgfältiger, als den Spiegel in den Augen Derer, die man liebt. – Der erhabenste Spiegel ist der Spiegel der Wahrheit, für Viele ein Vexirspiegel.

Körper, welche das Licht nicht in sich aufnehmen und auch nicht reflektiren, sondern dasselbe durchlassen, nennen wir durchsichtig. – Am durchsichtigsten sind, wie der Name sagt, die Perspektive. Geht das Licht durch’s Wasser oder Glas, so muß es sich brechen; dazu bedient man sich der Linsen; Erbsen thuen denselben Dienst nicht.

Hieher gehört das Brennglas, der Operngucker, mit dem man auch Schauspiele sieht, und der Tubus. Die Loupe wird von Botanikern, Anatomen, Holzschneidern und Kupferstechern benützt. Mehrere Linsen zusammen geben das Mikroskop, mittels dessen man sehr leicht aus einer Mücke einen Elephanten machen kann. Wir könnten hier auch über das Sehen und die Farbe sprechen, aber die Hauptaufgabe eines populären Vortrages ist die Kürze – also vorwärts – zu den Erscheinungen der Elektricität.

In Griechenland lebte eine gewisse Elektra, genannt die Bernsteinhexe; sie ist die Mutter der Elektricität. Das Wesen der Elektricität ist, ebenso wie das des Magnetismus, den meisten Naturforschern noch unbekannt. Mir auch. Man weiß nur, wie die Elektricität entsteht, nicht, was sie eigentlich ist. Indessen genügt dieses zu einem populär-wissenschaftlichen Vortrage vollständig. Die gewöhnlichste Entstehungsart der Elektricität ist die Reibung verschiedener Körper. So z. B. wenn Siegellack mit Wolle gerieben wird. Kiselack eignet sich dazu weniger, dagegen kann auch Harz oder Schwefel, aber nicht gedruckter, verwendet werden. Ein geriebener Gegenstand zieht kleinere Gegenstände, z. B. Papierschnitzeln, an, wie wir tagtäglich wahrnehmen, daß solche, welche sehr „gerieben“ sind, sehr leicht die Papiere Anderer in ihren Besitz bringen. Damit hängen die Bauernfänger zusammen.

Man unterscheidet elektrische und nicht elektrische Körper; da aber alle Körper elektrisch sind, so gibt es die letzteren nicht.

Was bei der ganzen Elektricität herausspringt, ist nicht viel – nur ein Funke, aber dieser genügt, um die größten Zerstörungen zu verursachen. Da die Elektricität nur an der Oberfläche der Körper sich befindet, so genügt auch eine oberflächliche Behandlung der ganzen Lehre von derselben. Körper, welche den elektrischen Körpern die Elektricität entziehen, heißen Leiter; mit diesem Namen bezeichnet man aber auch eine andere Vorrichtung.

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Die besten Leiter sind die Metalle, besonders das Gold, welches der Hauptleiter aller menschlichen Handlungen ist. Auch der Mensch kann als Leiter dienen bei Einbrüchen und bei der Elektrisirmaschine, und ist oft in dieser Eigenschaft brauchbarer, als sonst.

Einen mit Nichtleitern umgebenen Körper nennen wir isolirt, und die ihn umgebenden Nichtleiter heißen Isolatoren. Es ist das dasselbe, was man im Leben zuweilen Hofstaat nennt, Nichtleiter, die keinen elektrischen Funken von sich geben, trockene Naturen, die die Fürsten isoliren. Wie Alles in der Welt, so hat auch die Elektricität zwei Seiten. Wir unterscheiden nämlich Glaselektricität und Harzelektricität. Die erstere wird positive, die zweite negative genannt. Die positive wird mit dem Plus-, die negative mit dem Minus-Zeichen ausgedrückt. Es verhält sich mit der Elektricität ebenso, wie mit der Philosophie, wo wir auch positive und negative philosophische Systeme unterscheiden. Die Glasphilosophen stehen auf positivem Boden und haben in der Regel ein Plus, ohne gerade immer zu Viel zu haben, während die Harzphilosophen nur negiren, wobei sich von selbst ein geistiges Minus ergibt.

Da sich mit gleichnamiger Elektricität geladene Körper abstoßen, darf es uns nicht wundern, wenn wir bei Ehegatten die ja den gleichen Namen führen, oft ein abstoßendes Benehmen der Frau gegen den Mann oder umgekehrt beobachten. Ungleichnamige Elektricitäten ziehen sieh an, was auch Damen, sogar oft mehrmals des Tages, zu thun pflegen.

Durch Vereinigung zweier Elektricitäten entsteht ein elektrischer Schlag. Es ist dies besonders bei der sogenannten Leydner Flasche der Fall. Schläge gibt es jedoch auch bei andern Flaschen, ja sogar bei Maßkrügen und entstehen dieselben nicht immer durch Elektricität, sondern oft durch väterliche Liebe, Eifersucht, Zorn und andere Leidenschaften, ja bei der Pauke sogar aus musikalischem Bedürfniß.

Die Verbindung mehrerer Leydner Flaschen bildet eine elektrische Batterie, welche einen Ochsen niederschlagen kann, weshalb wir Gelehrte sehr behutsam damit umgehen. Die großartigsten Experimente der Elektricität darf sich natürlich nur die Natur gestatten; ihre Mittel erlauben ihr das. Sie macht davon bei Gewittern oft ausgiebigen Gebrauch. Der Blitz, welcher weiter nichts ist, als ein elektrischer Funke, der wie ein schlechter Politiker von einem Extrem in’s andere springt, entsteht, sobald sich zwei verschiedene Elektricitäten vereinigen, ebenso wie der Witz durch rasche Vereinigung zweier Gegensätze herbeigeführt wird. Der Witz wie der Blitz können einschlagen und zünden. Thun sie es nicht, so nennt man den Blitz kalt, den Witz aber schlecht. Die Zielscheiben des gesellschaftlichen Witzes nennt man Blitzableiter, welche den Namen Ableiter daher haben, daß sie den Blitz anziehen. Wenn sich einer einen schlechten Witz erlaubt, der nicht einschlägt, so sagt man „er ist abgeblitzt“. Dem Blitze folgt, wie der Schatten dem Licht, der Donner.
Der schrecklichste Donner ist der Kanonendonner, welcher aber auch bei festlichen und frohen Gelegenheiten angewendet wird und als Böller gewöhnlich zerplatzt. Die gefährlichsten Donnerwetter kommen bei glücklichen Ehen und in Schulen vor, nur daß da gewöhnlich der Donner vorher hörbar wird, ehe es einschlägt.

Sehr verwandt, ja beinahe verschwägert mit der Elektricität ist der Magnetismus. Auch dieser ist eine Erfindung der alten Griechen, die in der Stadt Magnesia zuerst magnetisches Eisenerz fanden. Wir verstehen unter Magnet ein Metall, das eine große Anziehungskraft ausübt. Die größte Anziehungskraft auf den Menschen üben Gold und Liebe aus und dieser Magnetismus beherrscht die Welt und ihre Geschichte. Der Magnetstein findet sich hauptsächlich in Schweden, dem Vaterlande der schwedischen Zündhölzchen, welche, wie Alles, nachgemacht werden und dann nicht brennen, was man Industrie nennt. Die Magnetnadel ist für Näherinen und Schneider weniger brauchbar, als für Naturforscher und Seefahrer. Der größte Magnet ist die Erde selbst, welche für uns Menschen eine so große Anziehungskraft besitzt, daß wir uns nur schwer von ihr trennen können. Der Vereinigung von Elektricität und Magnetismus verdankt der Telegraph seine Entstehung und dürfen wir erwarten, daß noch weitere wichtige Anwendungen dieser beiden geheimnißvollen Kräfte der Zukunft vorbehalten sind.

Damit hätten wir das Gebiet der Physik erschöpft und fürchten, die Geduld der Zuhörer ist es schon, d’rum schnell nur noch einen Gedanken! Wenn es auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege populär-wissenschaftlicher Vorträge gelungen sein wird, die Wissenschaft zum Gemeingut aller Gebildeten und Ungebildeten zu machen, dann kommt die Zeit, wo Jeder einsieht, daß hinter dem ziemlich durchsichtigen Vorhang, der uns Gelehrte von dem gemeinen Volke trennt, noch ein dichterer ist, den Menschenhand nie heben wird und den auch wir deshalb vorläufig nicht lüften wollen.

v. Miris.