Populäre Chemie für das praktische Leben

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Autor: Johann Fausten d. J.
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Titel: Populäre Chemie für das praktische Leben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 73–75
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Populäre Chemie für das praktische Leben.

In Briefen von Johann Fausten dem Jüngeren.
Erster Brief.
Wissenschaft und Leben. – Reaction, Reagens. – Grenzen, bis zu denen hin der Chemiker Stoffe mit Sicherheit erkennt. – Einfluß dieser Operationen auf Leben und Industrie.

Die chemischen Vorgänge oder Prozesse sind so alt wie unsere Erde selbst. Bei der Bildung derselben spielten sie eine hervorragende Rolle, und selbst heute noch nimmt das kundige Auge überall an dem Erdkörper die Einwirkung der chemischen Thätigkeit wahr, wenngleich in einem um Vieles verringerten Grade. Wir wollen hier nur erinnern an das Verwittern, das Zerbröckeln der Gesteine durch die Einwirkung der in der atmosphärischen Luft enthaltenen Kohlensäure und des Wassers – ein ununterbrochen stattfindender Vorgang, der für das Gedeihen der gesammten Pflanzenwelt von der allergrößten Wichtigkeit ist – und an die Mineralquellen, in denen keine geheimnißvollen Kräfte walten, wie dies selbst heute noch vereinzelt von Badeärzten der alten Schule ausgesprochen wird. Nicht minder waltet der chemische Prozeß in der lebenden Natur. Hier tritt er uns überall entgegen, wohin wir auch die Blicke wenden mögen. Mit dem Keimen des Saamenkorns, mit dem ersten Athemzuge des Neugebornen beginnt die chemische Thätigkeit in der Pflanze, dem Thiere und in dem Menschen selbst. Während des Lebens steht sie hier zwar unter bis jetzt noch nicht erforschten Einflüssen, aber diese hemmen nicht, sondern regeln und ordnen nur. Mit dem Tode des Individuums aber hört die eingreifende Macht des geheimnißvollen Wirkens auf und der chemische Prozeß übt unumschränkt seine zerstörende, dabei zugleich aber stets wieder schaffende Kraft aus. Denn was einmal vorhanden ist, kann durch nichts vernichtet, sondern nur in seiner Form verändert werden; verschwindet es auch scheinbar, so ist es nichtsdestoweniger doch da, und der Chemiker vermag es sehr leicht unserem blöden Auge wieder vorzuführen. Der chemische Prozeß ist die Grundlage des ewigen Wechsels, der sich uns fortwährend in der Natur offenbart, er ist es, der unausgesetzt aus dem Zerstörten wieder neues Leben gedeihen läßt.

Chemische Operationen sind ferner ausgeführt worden seit der Zeit, wo der Mensch die Erde betrat, denn durch sie wird ein großer Theil unserer Bedürfnisse befriedigt. Sie waren es, welche dem ersten Jäger die Waffen, dem ersten Maler die Farben darreichten; das erste Kochgeschirr aus Thon war das Produkt einer chemischen Operation. Schon die heilige Schrift erzählt uns, daß der vorsündfluthliche Tubal-Kain geschickt war in der Anfertigung von Geräthschaften aus Eisen und Kupfer. Bei den alten Aegyptern herrschte eine für die damalige Zeit ungewöhnliche industrielle Thätigkeit, deren Grundlage chemische Kenntnisse ausmachten. Sie verstanden die Bereitung von Soda, Salmiak, Alaun und Kochsalz; sie fabricirten Farben mancherlei Art, und hatten nicht unbedeutende Kenntnisse in der Färberei der verschiedenen Stoffe. Essig und Seife waren ihnen bekannte Dinge, und vom Osiris heißt es sogar, daß er das Bier statt des Weines seinen Unterthanen anempfohlen habe. Das Glas ist nicht eine zufällige Erfindung der Phönizier, wie es gemeinhin die Mythe berichtet, sondern lange, bevor dieses Volk auf den Schauplatz der Geschichte trat, wurde Glas und zwar in seltener Schönheit in Aegypten hergestellt. Erst vor wenig Jahren hat uns die Wissenschaft das Geheimniß entdeckt – das der Erhaltung der Leichname vor der Fäulniß – in dessen Besitz sich die Aegypter bereits vor zwanzigtausend Jahren befanden, – ein solches Alter schreiben gründliche Forscher einzelnen Mumien zu.

Bei alledem aber ist das, was man heute unter Chemie versteht, doch erst eine Schöpfung der Neuzeit. Mit der Entdeckung [74] des Sauerstoffs durch Priestley und Scheele – 1774 – mehr noch durch die Forschungen des scharfsinnigen Lavoisier wurde dem rastlosen menschlichen Geiste eine neue Bahn gebrochen und seit dieser Zeit erst ist die Chemie eingetreten in die Reihe der Wissenschaften. Die meisten übrigen Zweige der gesammten Naturwissenschaften haben von dieser Zeit her neue belebende Kraft von der Chemie empfangen. „In diesem Zeichen wirst Du siegen,“ rief Lavoisier, als er die Waage, dieses einfache Instrument, von dessen Zunge man allein sagen kann, daß sie stets nur die Wahrheit verkünde, in die Wissenschaft einführte. Noch sind seitdem keine hundert Jahre verflossen, und diese kurze Zeit hat genügt, unsere gesammte Industrie umzugestalten, den Einfluß der Chemie auf das Leben als einen allgewaltigen darzuthun.

Um die kulturgeschichtliche Bedeutung der Chemie zu beweisen, bedarf es heute keiner Worte mehr. Als unumstößliche Wahrheit steht der Ausspruch von Berthollet fest: „Es existirt keine menschliche Beschäftigung, die sich nicht mit ihrem Lichte erleuchtet.“ Niemand kann sich jetzt ihrem Einflusse entziehen, ohne sich selbst in großen Schaden zu bringen. Leider aber ist diese Erkenntniß noch nicht in das Fleisch und Blut Aller übergegangen, selbst nicht bei denen, wo man es mit Recht fordern kann. Von der großen Menge wollen wir hier nicht reden, sondern nur von den Industriellen, die so gern ihre Bedeutung in den Vordergrund stellen. Wie traurig es hier bei allen Fortschritten aussieht, werden einige Belege genügen, in helles Licht zu setzen. Auf der letzten Industrieausstellung zu Breslau machte sich die Bezeichnung: „Rasenbleiche“ auf dem Linnen mit einer gewissen Absichtlichkeit sehr bemerklich; die Aussteller hatten hierbei nicht bedacht, daß sie sich im Jahre 1852 dadurch öffentlich ein Zeugniß ihrer geistigen Armuth ausstellten. Ohne die chemische Bleiche wäre die riesenmäßige Entfaltung der englischen Linnen- und Baumwollenindustrie Englands seit dem Anfange unseres Jahrhunderts gar nicht denkbar. Ganz England gewährte in der That keinen Raum, um alle Fabrikate an der Luft zu bleichen. Ist die Anwendung des Chlorkalkes bei uns in Mißkredit gekommen, so liegt die Schuld einzig nur an dem Mangel chemischer Kenntnisse bei denen, welche diese Operation ausführten. Als Schrötter vor wenigen Jahren eine leichte Methode auffand, den sogenannten amorphen Phosphor darzustellen, wußte bei uns Niemand damit etwas anzufangen, obgleich seine Vortheile im Vergleich zu dem gewöhnlichen auf der Hand lagen und die schrecklichen Krankheiten, denen diejenigen anheimfallen, die mit der Verarbeitung des Phosphors beschäftigt sind, gebieterisch Abhülfe forderten. Kaum aber war das neue Produkt der Wissenschaft auf der Ausstellung zu London bemerkt worden, so ergingen die vortheilhaftesten Anerbietungen an den Entdecker und heute haben wir den beschämenden Anblick, daß die Ergebnisse deutscher Wissenschaft unserem Vaterlande aus der Fremde zukommen. Gleich bei der Entdeckung des Paraffins im Jahre 1830 entgingen die schätzbaren Eigenschaften desselben für die künstliche Beleuchtung Reichenbach, dem Entdecker, nicht. Er sprach es öffentlich aus, daß das neue Produkt ein treffliches Material abgebe zur Darstellung von Kerzen. Mehr als zwanzig Jahre mußten erst vergehen, bevor dieser Gedanke Leben erhielt, und wieder war es England, welches unsern Kleinmüthigen beweisen mußte, daß deutsche Gedanken lebensfähig seien.

Solche Wahrnehmungen, die sich bis in’s Unendliche ausdehnen ließen, geben ein Recht den Eifer nach Erkenntniß der Natur, der sich heute in allen Schichten der Gesellschaft offenbart und unserer Zeit ein eigenthümliches Gepräge aufdrückt, durch welches sie sich von allen andern Epochen aufs Bestimmteste unterscheidet, für Strohfeuer zu deuten. Trotz alledem aber, eben weil sie die Schulen bloß legen, sind sie zugleich Aufforderungen an die Jünger der Wissenschaft, nicht müde zu werden in dem Predigen des Evangeliums der Neuzeit: geht auch nicht die ganze Saat auf, einzelne Körner finden doch hier und da einen fruchtbaren Boden. Dieser Gedanke kam auch mir bei der Durchsicht des ersten Jahrganges dieses vielgelesenen Blattes, als ich in ihm die Chemie nur äußerst schwach vertreten sah. Und so begrüße ich denn als neuer Mitarbeiter den Leser freundlichst. Ich bin überzeugt, daß er den Einfluß der Wissenschaft, als deren geringen Jünger ich mich ansehe, auf das Leben anerkennt und gerne meine Worte vernehmen wird. An Stoff fehlt es mir nicht, denn er ist unerschöpflich, und an dem guten Willen, soviel in meinen schwachen Kräften steht, mit beizutragen zu dem großen Bau der Zukunft, in die man sich oft aus der unerquicklichen Gegenwart flüchtet, auch nicht. Und so hoffe ich denn bald in dem weiten Kreise meiner Leser heimisch zu werden.

Für heute will ich Ihnen zwei Ausdrücke erklären, die für die Wissenschaft von der größten Bedeutung sind. Die Worte: Reaction und Reagens. Das erstere ist heut zu Tage einem jeden Munde mehr oder weniger geläufig, aber dennoch hat Niemand so viel mit der Reaction oder vielmehr mit Reactionen zu schaffen, wie gerade der Chemiker. Die Reactionen sind nämlich die Hauptstützen der analytischen Chemie, desjenigen Zweiges der Wissenschaft, der sich mit der Zerlegung der Körper beschäftigt. Sie ist es, welche uns nicht allein die Natur der Stoffe lehrt, die in einem bestimmten Körper vereinigt, sondern auch die Gewichtsverhältnisse, in denen sie mit einandern sind.

Die Bezeichnung „Reaction“ stammt aus dem Lateinischen; sie bedeutet: Rückwirkung, Gegenwirkung, gegenseitige Wirkung. Man hat daher darunter zu verstehen eine jede sinnlich wahrnehmbare Veränderung, die durch Aufeinanderwirken zweier oder mehrerer Körper entsteht. Derjenige Stoff nun, der diese Veränderung hervorbringt, heißt Reagens. In der analytischen Chemie hat dieses Wort aber noch eine speciellere Bedeutung. Reagentien sind hier solche Körper, die durch die bestimmte Veränderung, die sie und nur eben sie hervorrufen, auch bestimmte Stoffe mit unumstößlicher Gewißheit anzeigen. Sie sind es also, welche jeden Körper zwingen, seine ihm eigenthümliche Natur zu offenbaren und sich dadurch zu erkennen zu geben. So groß auch die Zahl der verschiedenen in der Natur vorkommenden Körper und die Zahl der Verbindungen dieser unter einander ist, so sind deren Eigenschaften wiederum so mannigfaltig, daß jeder Körper wenigstens eine besitzt, die nur ihm eigenthümlich und durch die er mit Sicherheit von dem Chemiker, eben mit Hülfe der Reagentien erkannt wird. Die Erscheinungen nun, welche dem Chemiker die Gegenwart gewisser Stoffe zu erkennen geben, gleichsam die Antworten auf seine Fragen, sind, wie wir aus folgenden Beispielen sehen werden, der mannigfaltigsten Art: Farbenveränderung, Trübung, Niederschlag, Aufbrausen, Lichtbildung, eigenthümliche Gerüche, Explosionen etc.

Ein jeder Leser wird wohl die Bemerkung gemacht haben, daß Anstriche mit weißer Oelfarbe im Laufe der Zeit gelb werden. Dem Chemiker sagt dies zweierlei: einmal daß die Farbe eine Bleiverbindung ist und dann, daß in dem Raume eine Schwefelwasserstoffentwickelung stattgefunden hat. Das Schwefelwasserstoffgas wirkt nämlich zersetzend auf die Bleiverbindung ein; der Schwefel verbindet sich mit dem Blei zu Schwefelblei, das eigentlich schwarz aussieht, hier aber durch den Ueberschuß der weißen Farbe zu gelb modificirt wird, während das Wasserstoffgas mit dem Sauerstoff aus dem Bleioxyd Wasser bildet. Die Thüre, oder vielmehr der Anstrich, ist hier also ein Reagens und zwar auf Schwefelwasserstoffgas, ein weit empfindlicheres als unsere Nase, die auch darauf reagirt, aber nur dann, wenn das besagte Gas in größerer Menge vorhanden ist, wo es sich durch einen abscheulichen Geruch nach faulen Eiern bemerkbar macht. – Rufen wir durch Zusatz von Aetzammoniak – bekannter unter dem Namen Salmiakgeist – in einer farblosen Flüssigkeit eine prächtig blaue Farbe hervor, so weiß der Chemiker mit Bestimmtheit, daß Kupfer zugegen ist. Halten wir einen glimmenden Spahn in ein mit Gas gefülltes Gefäß, und brennt er sogleich mit heller Flamme, so zeigt dies die Gegenwart des Sauerstoffs an. Schütten wir auf eine Substanz irgend eine Säure und erfolgt dann ein Aufbrausen, so erkennen wir daran das Vorhandensein der Kohlensäure, wenn nämlich das entweichende Gas in unserer Nase ein Prickeln hervorbringt, sonst aber keinen Geruch hat. Werfen wir einen Körper auf glühende Kohlen und verbreitet er einen Geruch nach Knoblauch, so haben wir Arsenik vor uns. Ist auch unsere Nase, wie wir gesehen haben, ein sehr unvollkommenes und unsicheres Reagens, auf die wir uns nicht immer verlassen können, so zeigt sie hier doch sehr kleine Spuren von Arsenik deutlich an.

Wir wollen diese Aufzählung nicht bis in’s Unendliche vermehren; wir werden noch oft Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. Jetzt wollen wir wiederum an einigen Beispielen zeigen, bis auf welche Grenzen hin der Chemiker mit noch einiger Sicherheit die Anwesenheit bestimmter Stoffe anzugeben vermag. Wir wollen jedoch nicht verhehlen, daß in den Angaben hierüber von Seiten der verschiedenen Beobachter große Verschiedenheiten [75] sich bemerkbar machen, die aber hauptsächlich in der verschiedenen Ansicht über das, was noch als deutlich wahrnehmbar anzusehen ist, ihren Grund haben. Stärke färbt Jodlösungen, die nur 1/150’000 davon enthalten, sogleich violett; bei 1/550’000 Gehalt tritt nach mehreren Stunden noch eine rosa Färbung auf. Mit Lackmus – einer blauen Pflanzenfarbe – getränktes Papier zeigt durch seine augenblickliche Röthung noch 1/20’000 Schwefelsäure an, Chlorbarium 1/60’000 durch deutliche Fällung und 1/200’000 durch eine leichte Trübung nach zwanzig Minuten. Umgekehrt wird noch 1/400’000 Baryt durch Schwefelsäure markirt. Empfindlicher noch ist die Oxalsäure – Sauerkleesäure – als Reagens aus Kalk (1/800’000 nach funfzehn Minuten merkliche Trübung). Gleiche Empfindlichkeit zeigt das Chlor gegen Silber. Durch polirtes Eisen entdeckt man noch 1/156’000 Kupfer. Blei wird bei 350.000facher Verdünnung durch Schwefelwasserstoffgas noch geschwärzt. Weniger empfindlich sind die Reactionen auf Arsenik: bei 30,000facher Verdünnung durch Schwefelwasserstoffgas noch ein deutlicher Niederschlag (gelb), ebenso bei 36.000facher durch salpetersaures Silberoxyd (citronengelb) und bei 160,000facher durch schwefelsaures Kupferoxyd-Ammoniak (blaß bläulich-grün). Schwefelsaures Eisenoxydul – der bekannte grüne Vitriol – ertheilt einer Goldlösung mit 1/640’000 Gehalt noch eine merklich violette Farbe. Die äußerste Grenze repräsentirt das Eisen; bei einer 6,400,000fachen Verdünnung wird es fünf Minuten nach Zusatz von Gerbsäure durch eine merklich violette Färbung angezeigt. Mit Hülfe der Nitroprussidverbindungen – durch Einwirkung der Salpetersäure aus dem bekannten, vielfach in der Färberei gebrauchten gelben Blutlaugensalz oder blausauren Kali erhalten – vermögen wir die Gegenwart des Schwefels mit der entschiedensten Sicherheit in einem einzigen menschlichen Haar nachzuweisen. – Solchen Thatsachen gegenüber wird der Leser eine Bezeichnung – Schwarzkünstler – die dem Chemiker noch aus alter Zeit anklebt, erklärlich finden.

Die Wichtigkeit dieser Operationen für das Leben liegt auf der Hand. Sie sind es, mit deren Hülfe der Chemiker bei plötzlichen, verdächtigen Todesfällen aus den Organen der Verstorbenen die Gifte isolirt, dem Richter vor Augen legt und den Verbrecher der Strafe überliefert. Die Methode der Auffindung des Arseniks, des am häufigsten in Anwendung kommenden Giftes, ist so vereinfacht, daß es innerhalb weniger Stunden vor Augen der Richter aus den Eingeweiden dargestellt werden kann. Selbst nach vielen Jahren ist der Verbrecher nicht vor der Strafe sicher. Erst in unsern Tagen gelang es dem Medizinalrath Bley in Bernburg aus den Resten eines vor fast elf Jahren beerdigten Leichnams zehn Gran Arsenik darzustellen, – eine Menge, die ausreicht, um den stärksten Menschen zu tödten. Und in Folge dieses Resultates wurde die Urheberin der Vergiftung am 26. Mai 1853 von dem Schwurgericht in Magdeburg zum Tode verurtheilt.

Weiter haben diese Versuche, die vorerst nur zu wissenschaftlichen Zwecken angestellt worden, einen Weg aus den Laboratorien der Chemiker in das Leben wohl zu finden und sich zu verschaffen gewußt. Sie sind die Grundlage einer ausgedehnten Fabrikthätigkeit geworden. Man bedient sich ihrer bei der Darstellung sehr vieler Stoffe, die in der Natur mit anderen verbunden vorkommen und durch diese in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden. Der Umstand, daß viele Reactionen in den schönsten Farben auftreten, hat zur fabrikmäßigen Darstellung eben dieser Farben Veranlassung gegeben. Ferner beruht ein großer Theil der Färberei auf ähnlichen Operationen. Nicht alle Farbestoffe gehen direkt eine Verbindung mit der Pflanzen- oder thierischen Faser, – der Baumwolle, dem Flachs, Hanf, der Wolle und Seide – ein. Solche, die dies nicht für sich allein thun, muß man durch Zwischenmittel, die an und für sich keine Farbe haben, wohl aber sich einerseits mit den Fasern, andererseits mit dem Farbstoff zu verbinden vermögen, auf der Faser befestigen. Oft färbt man auch auf die Art, daß man die Faser mit einer Substanz verbindet, die selbst keine Farbe besitzt oder wenigstens nicht die, welche verlangt wird und dann bringt man sie mit einer anderen zusammen, die zersetzend auf erstere einwirkt, so daß man nur durch die entstehende neue die gewünschte Farbe erzielt, die so direkt auf die Faser niedergeschlagen wird.