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Röhm (Tucholsky)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Ignaz Wrobel
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Titel: Röhm
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jg. 28, Nr. 17 vom 26. April 1932, I, S. 641, [Rubrik: Bemerkungen].
Herausgeber: Carl von Ossietzky
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 26. April 1932
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Wikimedia Commons
Kurzbeschreibung: Stellungnahme Tucholskys zum Umgang der Linken mit der Homosexualität Ernst Röhms
auch in: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 69-70 Zeno
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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Röhm

Durch die radikale Links-Presse gehen seit einiger Zeit Anschuldigungen, Witze, Hiebe auf den Hauptmann Röhm, einen Angestellten der Hitler-Bewegung. Man sollte niemals die lächerlichen Titel gebrauchen, die Hitler seinen Leuten verleiht; so wie man nicht die von den Nazis gegebenen Kategorien annehmen soll; ein großer Teil der Deutschen unterliegt solchen albernen Suggestionen und geht an diese Dinge heran wie an Schulaufgaben, die Hitler ihnen aufgibt. Wir sind nicht in der Schule, und Titel, Auszeichnungen, Lob und Tadel dieses Anstreichers sind uns gleichgültig.

Röhm also ist homosexuell.

Das Treiben gegen ihn nimmt seinen Ausgang von Veröffentlichungen der ‚Münchner Post‘, die diese Tatsache enthüllten.

Da ist ferner ein Brief veröffentlicht worden, den Röhm über seine Veranlagung an einen Freund geschrieben hat – das Dokument könnte grade so gut in jeder Psychopathia sexualis stehn, und der Brief war nicht einmal unsympathisch.

Ich halte diese Angriffe gegen den Mann nicht für sauber.

Gegen Hitler und seine Leute ist jedes Mittel gut genug. Wer so schonungslos mit andern umgeht, hat keinen Anspruch auf Schonung – immer gib ihm! Ich schreckte in diesem Fall auch nicht vor dem Privatleben der Beteiligten zurück – immer feste! Aber das da geht zu weit – es geht unsretwegen zu weit.

Zunächst soll man seinen Gegner nicht im Bett aufsuchen.

Das einzige, was erlaubt wäre, ist: auf jene Auslassungen der Nazis hinzuweisen, in denen sie sich mit den „orientalischen Lastern“ der Nachkriegszeit befassen, als seien Homosexualität, Tribadie und ähnliches von den Russen erfunden worden, die es in das edle, unverdorbene, reine deutsche Volk eingeschleppt haben. Sagt ein Nazi so etwas, dann, aber nur dann, darf man sagen: Ihr habt in eurer Bewegung Homosexuelle, die sich zu ihrer Veranlagung bekennen, sie sind sogar noch stolz darauf – also haltet den Mund.

Doch wollen mir die Witze über Röhm nicht gut schmecken. Seine Veranlagung widerlegt den Mann gar nicht. Er kann durchaus anständig sein, solange er nicht seine Stellung dazu mißbraucht, von ihm abhängige Menschen aufs Sofa zu ziehn, und dafür liegt auch nicht der kleinste Beweis vor. Wir bekämpfen den schändlichen Paragraphen Hundertundfünfundsiebzig, wo wir nur können; also dürfen wir auch nicht in den Chor jener miteinstimmen, die einen Mann deshalb ächten wollen, weil er homosexuell ist. Hat Röhm öffentliches Ärgernis erregt? Nein. Hat er sich an kleinen Jungen vergriffen? Nein. Hat er bewußt Geschlechtskrankheiten übertragen? Nein. Das und nur das unterliegt der öffentlichen Kritik – alles andre ist seine Sache.

Man hat dann mit komischem Eifer die wichtige Tatsache diskutiert, ob dieser Angestellte bei Hitler bleiben wird oder nicht. Sind wir die Wächter dieser Privatarmee? Von uns aus kann Hitler Einbrecher anstellen.

Kreischt Goebbels oder donnert Hitler etwas über die Sittenverderbnis der neuen Zeit, so halte man ihnen vor, daß selbstverständlich unter den Nazitruppen Homosexuelle stecken.

Im übrigen aber ist das Empfindungsleben Röhms uns genau so gleichgültig wie der Patriotismus Hitlers.

Ignaz Wrobel