RE:Ἀναγώγια

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Abreise eines Gottes aus seinem Heiligtum
Band I,2 (1894) S. 2026 (IA)
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Ἀναγώγια (ἀναγωγή). In verschiedenen griechischen Kulten herrschte die Vorstellung, dass die Gottheit ihren Wohnsitz zu bestimmten Zeiten verliess und wieder aufsuchte. Die Abreise wurde Ἀ., das Entferntsein Ἀποδημία, die Rückkehr Καταγώγια (καταγωγή), die Anwesenheit des Gottes Ἐπιδημία genannt; beide, namentlich die Rückkehr, hatten ihre Bedeutung im Festcyclus. So beim Aphroditekult auf dem Eryx, wo die Göttin mit ihren heiligen Tauben nach Libyen ging, um nach neun Tagen zurückzukehren (Ael. h. a. IV 2 ἑορτὴ .. Ἀ. – ἑορτὴ ... καὶ τὰ Καταγώγια πανηγυρίς; v. h. I 15 θύουσι τὰ Ἀ., καὶ λέγουσι τὴν Ἀφροδίτην ἐς Λιβύην ἐκ Σικελίας ἀνάγεσθαι). Nach Athen. IX 394 wurden an den Καταγώγια festliche Schmäuse und lärmende Lustbarkeiten veranstaltet. Im eigentlichen Sinne wird die καταγωγή im Demeterkult verstanden; s. Ἄνοδος und Κάθοδος. In Ephesos feierte man im 1. Jhdt. n. Chr. Καταγώγια (ἡ καταγωγεία), wobei Vermummte mit Phalli und Keulen Götterbilder tragend, singend herumzogen und allerhand Mutwillen verübten; es wird nicht gesagt in Zusammenhang mit welchem Kult (Artemis? Demeter? Kybele?), s. Usener Acta S. Timothei 24f. (Lobeck Agl. 177. Phot. bibl. 254). Auch wenn Poseidon von Aigai nach dem Isthmos kommt und ihm dort ein festlicher Empfang mit Flötenspiel und Tanz bereitet wird, kann man mit Boeckh Expl. ad Pind. II 2, 399 an Καταγώγια denken. Schliesslich gehören auch die Fahrten des Apollon zu den Hyperboreern und seine Rückkehr im delisch-milesischen Kult hierher (Preller-Robert Gr. Myth.⁴ I 242ff.). Dass es für Ἀ. und Καταγώγια besondere Hymnen gab (ὕμνοι ἀποπεμπτικοὶ und κλητικοί), erfahren wir mit interessanten Einzelheiten aus einer rhetorischen Anweisung: Menandros und π. ἐπιδεικτ. c. 4 = Rhet. Gr. IX 139f. Walz. Darnach gab es auch im argivischen Artemiskulte dergleichen. Der späte Romanschriftsteller Eustathios gebraucht ἀναγώγια wohl aus Irrtum für Danklieder nach der Rückkehr eines lange abwesenden Angehörigen (σῶστρα θύουσιν, ᾄδουσιν ἀναγώγια καὶ χορεύουσιν ἐπινίκια X 15, Erot. Gr. ed. Didot p. 589).