RE:Betonica

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Pflanzenart, Zieste
Band III,1 (1897) S. 368 (IA)–369 (IA)
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Betonica oder betonica herba, Betonie, ein früher für ausserordentlich heilkräftig gehaltener ätherisch-aromatischer Lippenblütler, das κέστρον oder ψυχότροφον des Dioskorides (IV 1); vgl. Macer Florid. 429: Betonicam soliti sunt cestron dicere Graeci. Letzteres geht mit Sicherheit auf eine Betonienart – trotz Fraas (Synops. pl. fl. cl. 175), der das syrische Gliedkraut, Sideritis Syriaca L. hierher ziehen möchte –, also entweder auf Betonica officinalis L., die in Lakonien und in Norditalien wild wächst (ital. betonega und betona), oder, was noch wahrscheinlicher, auf Betonica alopecuros L., die Fuchsschwanzbetonie. Letztere Art wächst am Parnass und in Italien wild; vgl. Billerbeck Fl. cl. 153. Lenz Bot. d. a. Gr. u. R. 526f. Murr Die Pflanzenw. i. d. griech. Mythol. 193. Leunis Synops. II Teil II³ § 653, 27. Nach Paulus Aeg. p. 233, 19 gab es noch eine andere, von der genannten verschiedene Pflanze, die gleichfalls βετονική genannt wurde. Auch Dioskorides spricht in einem übrigens mit Benutzung der Schrift des Ps.-Antonius Musa de herba betonica (ed. Ackermann in Parabil. medic. script. ant. Nürnb. 1788, vgl. hierüber Teuffel [369] Gesch. d. röm. Litt.⁴ § 263, 7 u. § 367, 7 b, oben Bd. I S. 2634, 20ff. Murr a. O. 193, 1. L. Müller Rh. Μ. ΧΧIII 187–190. Meyer Gesch. d. Bot. II 316. Choulant Bücherk. d. ält. Med. 213) von späterer Hand stark interpolierten Kapitel (IV 2) von einer Βρεταννικὴ ἢ βεττονικὴ πόα. Welche Pflanze mit dieser letzteren Bezeichnung gemeint ist, vermögen wir nicht mit Sicherheit anzugeben; Vermutungen s. bei Sprengel (zu Diosk. a. O.). Plinius, der sich XXV 84 offenbar an Diosk. IV 1 anschliesst, nennt die von Dioskorides κέστρον genannte Pflanze nicht betonica, sondern vettonica, und erzählt, sie habe ihren Namen von einem spanischen Volksstamme, den Vettonen; diese seien als die Entdecker der Pflanze zu betrachten. Seitdem heisse sie in Gallien vettonica, in Italien serratula, bei den Griechen cestros oder psychotrophon. Wurzeln und Blätter dieser Betonica L. standen schon früher als vortreffliches Heilmittel bei allen möglichen Leiden in hohem Ansehen, insbesondere bei Frauenkrankheiten; ausser Dioskorides (a. O.) und dem an M. Agrippa gerichteten, auf eine Betonienart (griechisch cestros) gehenden Büchlein des Ps.-Antonius Musa de herba betonica, vgl. Plin. n. h. XXV 84. XXVI 107. 113. 118. Galen. VI 339. XI 748. XII 23. XIV 228. XIX 694 K. Seren. Samm. lib. med. 201. 821. Scrib. Larg. 150 (?). 153. Macer Florid. de vir. herb. 430–491. Walafr. Strab. 344–357 (= p. 153 bei Choulant-Sillig). Überhaupt wurden der Pflanze geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben. Wo Vettonica im Hause war, da war das ganze Haus gefeit gegen alles Unglück, Plin. n. h. XXV 84. Schlangen, um die man einen Kreis mit blühender Vettonica zog, vermochten nicht diesen Kreis lebend zu verlassen, sondern machten sich selbst den Garaus, Plin. n. h. XXV 101. Macer Florid. 482ff. Man bereitete mit B. auch Wein und Essig (Plin. XXV 84) und bei Dioskorides (V 54) finden sich genaue Vorschriften, wie medicinischer Wein mit κέστρον abzuziehen ist (περὶ κεστρίτου οἴνου). Dass Personennamen wie Kestros, Kestrinos und Kestria ihren Ursprung der Pflanze κέστρον verdanken, ist nicht unwahrscheinlich.