RE:Claudianus 9

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Claudius Letzter bedeutender Vertreter lat. Sprache u. Dichtung, ca. 370-404 n. Chr.
Band III,2 (1899) S. 2652 (IA)–2660 (IA)
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9) Claudius Claudianus, der letzte bedeutende Vertreter lateinischer Sprache und Dichtung, c. 370–404.

I. Leben und Chronologie der Werke.

(s. L. Jeep I proleg. J. Koch Rh. Mus. XLIV 578ff. Th. Birt praef. p. I–LXIX. K. Heck De vita Cl. Cl. poetae, Donaueschingen 1896). Als Quellen dienen: 1) ein nach Hesych von Milet (s. E. Rohde Rh. Mus. XXXIII 167) geschriebener Artikel des Suidas, 2) die Ehreninschrift des verlorenen, dem Dichter noch bei seinen Lebzeiten (bell. Goth. praef. 7ff.) auf Geheiss der Kaiser Arcadius und Honorius auf dem Forum Traianum gesetzten Erzbildes, heute im Neapler Museum (CIL VI 1710 = IGI 1074), 3) verstreute kurze Notizen in den Chroniken zu J. 395 und 4) die Werke des Dichters. Der durch die Inschrift gesicherte Name ist in den guten Hss. gewahrt. C. stammte aus Alexandria (Κλαυδιανὸς Ἀλεξανδρεύς Suid.; mit Recht weist Birt p. III die Berechtigung eines andern Schlusses aus Joh. Lyd. de magistr. I 47 καὶ Κλαυδιανὸς δὲ οὗτος, ὁ Παφλαγών, ὁ ποιητής ab; Παφλαγών heisst hier der Schwätzer, wie schon Bücheler Rh. Mus. XXXIX 282 andeutete; schwerlich aber reicht die Stelle Apoll. Sidon. carm. IX 274 Pelusiaco satus Canopo aus zum Beweise, C. sei, zu Canopus geboren, später erst Bürger von Alexandria geworden; Canopus, Alexandria, Aegyptus sind für den gallischen Dichter eins) – und hat dort seine Jugend verlebt, wie die Stoffe seiner kleinen Gedichte noch vielfach durch Vorliebe für Ägyptisches verraten (Nilus, Phoenix). Dass er in dieser Zeit ausschliesslich griechisch (s. u.) gedichtet, ist bei seiner späteren Gewandtheit in der lateinischen Sprache und Versification durchaus unwahrscheinlich (Birt p. VIII); jedenfalls haben aber erst die grösseren lateinischen Gedichte seinen Ruhm begründet. C. bezeugt selbst carm. min. 41 v. 13 mit den viel, am ärgsten wohl von Birt p. VIII missverstandenen Worten an Probinus: Romanos bibimus primum te consule fontes et Latiae cessit (Birt falsch mit jüngern codd. accessit) Graia Thalia togae, incipiensque tuis a fascibus omina cepi fataque debebo posteriora tibi, dass im J. 395 im Consulat des Olybrius und Probinus die Stoffe der griechischen Muse zum erstenmale denen des römischen Bürgerlebens gewichen sind (das bedeutet togae; darum ist auch der vorhergehende zweideutige Ausdruck durchaus auf Dichterquellen zu beziehen, die römischen Stoff sprudeln; das ganze Gedicht dreht sich nur um das scribere). Die Verse sind sachlich völlig erklärt, wenn wir annehmen, dass C. vor 395 griechische epische Gedichte, z. B. die Γιγαντομαχία (v. 11 scheint deren Entstehung in Alexandria wahrscheinlich zu machen), gemacht und nun, zum Januar 395, zum erstenmale ein grösseres, römische Tagesereignisse betreffendes Werk, eben den panegyricus in Prob. et Olybr., geschrieben hat, aus dessen beifälliger Aufnahme er mit Sicherheit schliesst (debebo), er werde nunmehr zur Anerkennung in weiteren Kreisen gelangen. Aus den Worten zu folgern, C. habe vor 395 keine lateinischen Gedichte gefertigt oder herausgegeben, wäre ebenso willkürlich wie der andere Schluss, er habe seit 395 keinen griechischen Vers mehr [2653] gemacht. Es liegt also in diesen Versen kein Zeugnis für die Übersiedelung C.s nach Rom im J. 394 oder gar für die Ernennung zum Senator (so Mommsen bei Birt p. VIII not. 2). Andrerseits ist sicher, dass C. um 395 in Rom war (er schreibt im J. 400 zum 3. Januar Stilicho … te mihi post quintos annorum, Roma, recursus reddidit), und es ist gewiss natürlich anzunehmen, dass er dem Consulatsantritte der Anicii, seiner Jugendfreunde, am 3. Januar 395 zu Rom persönlich beiwohnte. Möglich wäre es also immerhin, dass C. im Laufe des Jahres 394 von Alexandria direct nach Rom gekommen wäre, bezeugt aber ist es nicht; er kann z. B. schon einige Zeit vorher in Mailand am Hofe des Theodosius gelebt haben (ich stütze diese Ansicht auf R. Pros. II praef. 2, wo ich lese neglectumque deis). Jedenfalls hat er nicht zu lange nach dem 3. Januar 395 Rom wieder verlassen, um nach Mailand zu ziehen; von dort hat er kurz darauf (s. Birt p. IXff.) die beiden poetischen Briefe an Probinus und Olybrius (carm. min. 40. 41) via Flaminia (s. 40, 8) abgesandt. Während dieser fünfjährigen Abwesenheit von Rom hat nun C. seine Hofcarriere gemacht, ist, wie die Ehreninschrift bezeugt, vir clarissimus, tribunus et notarius geworden, d. h., wie Birt p. XXII darlegt, er hat die gewöhnliche Laufbahn verlassen und ist in Stilichos Geheimcabinett berufen worden, in eine Stellung, die zwar nicht an Höhe des Titels (C. ist nicht vir spectabilis wie z. B. Fl. Arpacius CIL VIII 989), aber an wirklicher Ehre und Einfluss die Ämter anderer weit überragte. Diese seine militia (term. techn.) kann allerlei Sendungen nach verschiedenen Orten, auch ein Mitziehen ins Feldlager des Stilicho zur Folge gehabt haben; wir wissen nur die negative Einzelheit, dass er bis 400 nicht in Rom war. Neben dem Amte, dem der Dichter seine genaue Kenntnis der Zeitereignisse, aber auch seine Pflicht und Sucht, sie dem Mailänder Hofe genehm zu schildern, verdankt, geht die weitere poetische Übung her. Durch eine glänzende Combination hat Birt (p. XIVff.) wahrscheinlich gemacht, dass die Abfassung der drei Bücher de raptu Proserpinae in die Zeit von 395–397 fällt. Das Gedicht, anscheinend ohne zeitgeschichtlichen Hintergrund, enthält doch sub rosa eine echt höfische Huldigung an den Adressaten Florentinus: wie Ceres auf der Suche nach der Tochter der bedrängten Erde das Getreide beschert (R. Pros. I 30f.), so hat Florentinus, von dem der Dichter sagt (II praef. 50) tu mea plectra moves, als Praefectus Urbi (c. Aug. 395 bis Ende 397) für die ausreichende Verproviantierung der durch den aufrührerischen Gildo von ihrer africanischen Kornkammer abgeschnittenen Stadt Rom gesorgt. Als Ende 397 Florentinus bei Stilicho in Ungnade fiel, liess der Hofdichter das Werk unvollendet liegen. Er konnte das, denn er erfreute sich bereits höherer Gunst und hatte zum 3. Januar 396 den (wohl erst December verfassten, s. Koch Rh. Mus. XLIV 576ff.) panegyricus in III consulatum Honorii dem jungen Kaiser selbst vorlesen dürfen (praef. 17 iam dominas aures, iam regia tecta meremur, et chelys Augusto iudice nostra sonat). Soweit hatte ihn also die Gunst seiner senatorischen Freunde, in erster Linie der [2654] Anicii, gebracht. Aber Honorius war nicht ausschlaggebend, Stilicho war in Wirklichkeit der Herrscher. Seiner Verherrlichung widmet C. jetzt seine Kraft. Und die Ereignisse halten ihn in Atem: die Ermordung des Rufinus am 27. November 395 gab die gewünschte Gelegenheit, in den beiden Büchern in Rufinum den gefährlichen Nebenbuhler seines Helden am Hofe von Constantinopel zu schmähen, Stilicho aber zu preisen und zu beglückwünschen (Abfassungszeit zwischen December 395 und Mitte 397, jedenfalls ist praef. II nach dem Siege Stilichos über Alarich, dessen Zug durch Griechenland die Verse II 186ff. noch beklagen, geschrieben worden; Buch und praef. I wurden zu Mailand in Abwesenheit des Kaisers und Stilichos vorgelesen, Birt p. XXXVIII). Mit diesem Werke hat C. seine Stellung, wie es scheint, dauernd gefestigt. Zum 3. Januar 398 folgt dann der panegyricus in IV consulatum Honorii; noch vor Ende des Winters (Koch a. a. O. 585. Birt XXXII 4) Epithalamium und Fescennina in nuptias Honorii et Mariae; in beiden nimmt das Lob Stilichos, nun Schwiegervaters des Kaisers, grossen Raum ein. Im selben Jahre musste der Dichter sich auch an einen Kriegsstoff machen, denn der africanische Aufrührer Gildo war besiegt und am 31. Juli 398 getötet worden. C. wollte das bellum Gildonicum in zwei Büchern schreiben, da aber der eigentliche Besieger des Gildo, Maszezel (vgl. I 380ff.), bald nach der Declamation des ersten Buches zu Mailand (Birt p. XXI) von Stilicho noch im selben Jahre beseitigt wurde, hielt der vorsichtige Dichter es für besser, das zweite Buch nicht zu schreiben oder es zu unterdrücken. Mit dem folgenden Werke, dem panegyricus in Manlium (Mallium die Steine) Theodorum consulem, der im September (Koch 577) zum Consul für 399 designiert war, machte C. eine frühere Invective (c. min. 21) gegen den jetzt mächtigen Mann wieder gut. Bei der wieder ausgebrochenen Zwietracht zwischen Ost- und Westrom durfte der Dichter es wagen, den Collegen des Theodorus im Consulate 399, den Castraten Eutropius, mit den drei Büchern in Eutropium aufs gehässigste zu verfolgen; der kaiserliche Geheimsecretär sah gewiss den Sturz des verhassten Eunuchen voraus, der noch im Sommer von Arcadius nach Cypern verbannt wurde. Den Hauptschlag zur Sicherung seiner Stellung in Mailand aber führte C. mit den drei Büchern de consulatu Stilichonis im J. 400, die er wohl im Februar dieses Jahres (Birt p. XLII 1) zu Rom vorlas. Dieses Werk war es unzweifelhaft, welches ihm die vor Frühjahr 402 (s. bell. Goth. praef. 7 und 14) bethätigte Ehre eintrug, dass Arcadius et Honorius, felicissimi ac doctissimi imperatores, senatu petente statuam in foro Traiani erigi collocarique iusserunt, wie die Inschrift besagt. Damit hat C. den Gipfel des Ruhmes erreicht; zwei Jahre lang kann auch seine politische Muse ruhen. Erst die Kämpfe mit den Gothen, Stilichos zweifelhafter Sieg, aber zweifelloser Erfolg über Alarich bei Pollentia (6. April 402) stellen dem Dichter eine neue Aufgabe; in dem Werke de bello (Pollentino oder richtiger) Gothico, schnell nach den Ereignissen verfasst und (im Juni?) zu Rom domo Pythia (praef. 4) d. h. doch wohl in der bybliothece templi [2655] Apollinis recitiert, sucht er durch die bündigsten Lobsprüche Stilichos Verdienste in den Augen der Zeitgenossen und der Nachwelt zu sichern. Die spätern Ereignisse kamen ihm darin zu Hülfe, denn im Sommer des folgenden Jahres 403 (so richtig Birt p. LIIIff.) schlug Stilicho den Gothenkönig noch einmal bei Verona, und der Dichter feierte diesen neuen Erfolg in dem panegyricus de VI consulatu Honorii, der in den Monaten September bis December 403 verfasst und nach dem feierlichen Siegeseinzuge des Kaisers und Stilichos in Rom (wohl am 3. Januar 404), welchen die Verse 331–639 beschreiben, dort vor den Siegern declamiert worden ist.

Hier reisst der Faden ab, der die Chronologie der Gedichte C.s mit den Zeitereignissen verbindet; sie erläutern und stützen sich für uns wechselseitig.

Wir haben bisher die nicht politischen Gedichte zum grössten Teile beiseite gelassen, doch können ausser den erwähnten noch andere in den oben entworfenen chronologischen Rahmen mit Wahrscheinlichkeit eingereiht werden. Für C.s eigene Lebensgeschichte sind zunächst von Bedeutung die beiden Gedichte an Serena, die Gattin Stilichos, weil wir erfahren, dass diese dem Dichter scriptis desponderat ante puellam. Zur Hochzeit fährt C. nach Africa, d. h. doch wohl nach dem heimatlichen Ägypten, hat aber vor, gleich nach derselben an den Mailänder Hof zurückzukehren; die Epistula ad Serenam (carm. min. 31) spricht den Dank für diese Vermittlung und die Hoffnung aus, getragen von der Gunst der mächtigen Frau glücklich zu ihr heimzukehren. Die Zeit dieser Reise bestimmt sich durch v. 25–28, wo, was Birt und seine Vorgänger nicht gesehen zu haben scheinen, unter dem Bilde von Orpheus (so wie das C. fast in jeder Vorrede macht) offenbar auf das ältere Werk laus Serenae (carm. min. 30), das erst einige Zeit nach C.s Ankunft bei Hofe und wohl erst nach 398 (Birt p. XXXVIIIf.), aber nicht erst 404 (so Birt p. LIX), geschrieben ist, und die auf Stilichos Gothenkriege (proelia Phlegraea) bezüglichen Gedichte (bell. Goth. und VI cons. Hon.) angespielt wird, als nach 404 Januar. Und ich wage, nachdem Birt p. LIX treffend auseinandergesetzt hat, wie unwahrscheinlich es ist, des Dichters Verstummen nach 404 anders als durch seinen Tod zu erklären, die Vermutung, dass der Schlusswunsch der Epistel an Serena nicht in Erfüllung gegangen ist, d. h. dass C. auf seiner Hochzeitsreise den Tod gefunden hat. Von den übrigen kleinen Gedichten lässt sich nur folgendes sagen: das carmen de Salvatore (carm. min. 32), eine Spur von C.s (Hof-) Christentum (s. u.), muss nach des Honorius Thronbesteigung (395) zu einem Osterfeste geschrieben sein (v. 20f.); das Epigramm de Theodosio et Hadriano (carm. min. 21) und die Deprecatio ad Hadrianum weist Birt (p. XIff.) mit zwar nicht ganz zwingenden, aber doch probabeln Gründen dem Jahre 396 zu (keinesfalls enthält v. 21f. eine Invective gegen Stilicho, eher einen Ausfall auf die Heidengötter; wahrscheinlich ist aber der Satz eine deductio ad absurdum in Form einer Frage); carm. min. 19 ad Gennadium wird nach 396 geschrieben sein (Birt p. LXI); carm. min. 45–48, in denen Gaben [2656] der Serena an die Kaiser gefeiert werden, kann C. kaum vor 398 gefertigt haben (Birt XXXVIIIf.), carm. 48 und append. 4 wohl kaum vor 400 (Birt p. XLI); das Epithalamium Palladii et Celerinae (carm. min. 25) zur Vermählung eines Collegen im Geheimcabinett setzt Birt (p. XLIVff.) in die Jahre 398/99, ich möchte es, da ich über die Zeit von C.s eigener Hochzeit anders denke als Birt, den Jahren 402/4 zuweisen; carm. min. 20 de sene Veronensi fällt vor Herbst 401 (Birt p. LXI); carm. min. 50 in Iacobum magistrum equitum in den Herbst 401 (Birt p. LXII); über die anderen kleinen Gedichte wie über die unvollendete lateinische Gigantomachia lässt sich nichts Sicheres ermitteln; manche sind Übungen in der descriptio und können aus der ersten Jugendzeit des Dichters stammen. Über die Zeit der griechischen Gedichte C.s steht nichts fest; doch scheint es angemessen, sie der Zeit seines Aufenthaltes in Alexandria zuzuweisen.

Von den Lebensumständen des Dichters wissen wir nur, dass er kein Latifundienbesitzer war (carm. min. 31, 37ff.), sonst wird sein Amt ihm schon ein bequemes Auskommen gesichert haben. Clientelverhältnisse bezeugt er selbst zu Hadrian (carm. min. 22, 34), zu Serena (carm. min. 31, 62); gewiss hat es auch zu den Anicii bestanden. Über seinen Vater hat man haltlose Vermutungen gemacht (Birt p. Vf.); des Dichters Lebenszeit sei, um zusammenzufassen, auf c. 370–404 bestimmt.

Die vielerörterte Frage, ob C. Christ oder Heide (a Christi nomine alienus Augustin civ. dei V 26; paganus pervicacissimus Oros. VII 35) gewesen, halte ich mit dem Programme von Birt De moribus christianis quantum Stilichonis aetate in aula imperatoria valuerint disputatio (Marburg 1885) p. VIIff. für entschieden (anders Arens Histor. Jahrb. d. Görres-Gesellsch. XVII 1896, 1ff.). Birt weist (vgl. auch seine Einleitung p. LXIII) überzeugend nach, dass die Meinung des Augustin, von Orosius auf die Spitze getrieben, aus den in heidnischem Stile geschriebenen politischen Gedichten des C. abgeleitet ist. C. wird ebenso Christ gewesen sein wie sein grosser Gönner Stilicho, der unter der Nachwirkung des Übertritts des Kaisers Theodosius äusserlich dem christlichen Glauben angehörte, die christliche Kirche schützte, aber im Herzen dem alten Glauben, der mit Roms Grösse und Geschichte so innig verquickt war, zugethan war und seinen Ruhm gern in den Formen verkünden hörte, die zum Preise der alten Helden erwachsen waren. Darum kann C. ganz gut der Verfasser des lateinischen carmen (min. 32) de Salvatore und der beiden griechischen Epigramme (IV. V) εἰς τὸν σωτῆρα gewesen sein. Recht interessant ist die Aufzählung der Heiligen, deren Beistand sich der weinselige Reiterführer und Christ Jacobus erfreuen soll (carm. min. 50).

Ich zweifle auch nicht, dass die griechische Gigantomachie und die in der Anth. Pal. unter dem Lemma Κλαυδιανοῦ überlieferten Gedichte (I 19. 20. V 86. IX 139. 140. 753. 754) unserem Alexandriner gehören; vgl. Birts sorgfältige Beweisführung p. LXXff. (die älteren Stimmen für und wider verzeichnet Ludwich S. 163f.). Das wichtigste Zeugnis dafür ist das unter der Ehreninschrift [2657] stehende griechische Epigramm (auch bei Kaibel Epigr. gr. 879) εἰν ἑνὶ Βιργιλίοιο νόον καὶ μοῦσαν Ὁμήρου Κλαυδιανὸν Ῥώμη καὶ βασιλῆς ἔθεσαν, das den Dichter als Homer und Vergil in einer Person feiert, und des Suidas Ausdruck ἐποποιὸς νεώτερος.

II. Kunst, Stoffe, Sprache.

C. und Namatianus sind die dichterischen Merksteine der Zeit, in welcher das Heidentum als Vertreterin des Alten, als Verehrerin der einstigen Grösse Roms zum letztenmale zu Ansehen und Macht gekommen war. Den Kämpfen um die Ara Victoriae, das Symbol der alten Staatsreligion, stellt sich auf litterarischem Gebiete das Streben an die Seite, es den Dichtern der alten grossen Zeit wieder gleich zu thun. Und C. ist diesem Ziele sehr nahe gekommen; abgesehen von einigen Einzelheiten könnte man seine Gedichte nach der Reinheit ihrer metrischen Form und ihrer Sprache ganz gut dem 1. Jhdt. n. Chr. zuweisen (vgl. Birts reiche Sammlungen p. CCXIff., zum Lexicalischen besonders Paucker Rh. Mus. XXXV 586ff. und Trump Diss. Halle 1887). Vergleicht man z. B. den ein halbes Jahrhundert später blühenden Apollinaris Sidonius, so merkt man auf Schritt und Tritt den Verfall des Geschmacks und des Könnens, während C., dessen Heimat ja allerdings auch ganz andere Traditionen aufwies als Gallien, den Vergleich mit Statius völlig aushält. Diese Parallele liegt überhaupt recht nahe; beide epischen Hofdichter haben die gründlichsten Studien gemacht (die Lectüre C.s umfasst beinahe alle uns bekannten lateinischen Dichter s. Birt p. CCI Anm., auch die Christen, z. B. Iuvencus ebd. p. LXIV, zahlreiche Griechen ebd. p. LXXII), beiden ist die Dichtung eine wirksamere Form der Rhetorik. Die Descriptio spielt eine grosse Rolle auch in den kleinen Gedichten des C.; ich nenne nur die des portus Smyrnensis (carm. min. 2), armenti (carm. min. 4), die Statuenbeschreibung de piis fratribus (carm. min. 17), des Aponus (carm. min. 26) u. s. w.; die grösseren Gedichte (besonders Consulatsgedichte und Epithalamien) entlehnen ab und zu auch die Disposition verwandter Silvae des Statius. Beiden Dichtern gemeinsam ist auch die überall rhetorisch zugespitzte Diction, Wortspiele u. ä., beide rühmen sich der Schnelligkeit ihres Dichtens (vgl. Claud. carm. min. 19, 7f. 25, 1). C. aber lebte in einer grösseren Zeit; auch das bellum Germanicum des domitianischen Geschichtssängers würde, wenn vollendet, kaum den Schwung und die Wucht gehabt haben, wie die Gesänge C.s auf die Kämpfe des wirklich grossen Stilicho. Besonders hervorgehoben seien noch die praefationes bei C.; sie sind durchweg höchst geschickt gemacht, die zum III cons. Hon. ist geradezu ein Cabinettstück. Sein grösstes Werk, der unvollendete (s. o.) Raptus Proserpinae, dessen Sage wohl aus einer alexandrinischen Quelle des 2. Jhdts. geschöpft ist (Förster Der Raub und die Rückkehr der Persephone, Stuttgart 1874, 91–96), reiht sich nach Aufbau sowie Verskunst und Sprache würdig den grossen Epen des 1. Jhdts. an.

III. Wert als Geschichtsquelle.

Dass C. durchaus Partei ist, geht aus seinen Lebensumständen hervor. Sein Held ist Stilicho; bei der fortdauernden Eifersucht zwischen West- und [2658] Ostrom steht er trotz seiner Herkunft durchaus auf westlicher Seite; die Machthaber des Ostens, Rufinus und Eutropius, sind ihm fast persönliche Feinde, den Kaiser Arcadius schont er nur aus Rücksicht auf den Bruder; Honorius selbst aber steht völlig im Schatten Stilichos. Trotzdem sind die grossen Zeitgedichte des C. nicht nur als die reichhaltigste Quelle über Stilicho und seine Zeit von unschätzbarer Bedeutung, sie verdienen auch in ihren thatsächlichen Angaben völlig Glauben, denn sie liegen zu nahe den Ereignissen selbst, als dass sie wirklich Geschehnisse fälschen und erdichten könnten. Kurz die Geschichtsforschung wird nie aus dem Schweigen des Dichters schliessen dürfen, ein andernorts berichtetes Ereignis sei nicht geschehen, aber sie wird das, was er angiebt, als historische Wahrheit anzunehmen haben, wenn sie die dichterischen Umschreibungen richtig aufgelöst hat, eine Aufgabe, die freilich nur der leisten kann, der in der rhetorischen Poesie der Kaiserzeit gründlichst Bescheid weiss. Vgl. über die Frage Vogt De Cl. Claudiani carminum quae Stiliconem praedicant fide historica, Bonn. Diss. 1863. Schultz De Stilichone, Königsberg. Diss. 1864. Stöcker De Claudiani rerum Romanarum scientia, Marburg 1889.

IV. Litterarisches Fortleben.

Die lateinischen Gedichte des C. zerfallen der Form und dem Inhalte nach in verschiedene Gruppen, deren Erhaltung und Verbreitung sich auch verschieden gestaltet hat. Die grösseren politischen Gedichte sind vom Dichter wohl nach der Recitation jedesmal einzeln herausgegeben worden. Nach einer sehr einleuchtenden Vermutung Birts (p. LXXVIII) ist der grösste Teil derselben, deren Hauptinhalt die Verherrlichung Stilichos bildet, noch bei Lebzeiten dieses Mannes nach dem Tode C.s, also zwischen 404 und 408, wohl auf Anregung des Gefeierten selbst zu einer Sammlung vereinigt worden. Von dieser blieb das älteste, der panegyricus dictus Probino et Olybrio consulibus bis etwa zum 12. Jhdt. ausgeschlossen, weil er privater Natur war und von Stilicho darin noch keine Rede ist. Um dieselbe Zeit (beachte, dass Nr. I ein Gedicht auf Stilicho ist, s. Birt p. CXLV) scheint auch aus den kleineren Gedichten die Auswahl (in drei Büchern? so Birt p. CXLIII) zusammengestellt worden zu sein, welche man jetzt unter dem Namen carmina minora zusammenfasst; die Ordnung derselben schwankt nach Gruppen (eine Tafel zur Übersicht bei Birt p. CXXXV), gruppenweise sind sie auch in den Hss. den grösseren Gedichten angehängt oder zwischen dieselben eingeschoben worden. Die ganze Sammlung (politische Gedichte und carm. min.) pflegt man unter dem Namen Claudianus maior zusammenzufassen. Von ihm gesondert blieb (mit einer durch Zufall erklärbaren Ausnahme bis zum 12. Jhdt.) der Claudianus minor, d. h. die drei Bücher de raptu Proserpinae. In fünf verschiedenen Gruppen ist dann noch eine Reihe von kleineren, zum Teil sicher unechten Gedichten unter C.s Namen überliefert, welche in den Ausgaben als carminum minorum appendix aufgeführt zu werden pflegen. Die ausschlaggebenden Hss. sind für 1) paneg. Prob. et Ol. eine Antwerpener (saec. XIII), eine in Arras (saec. XII–XIII), eine in Neapel (saec. [2659] XIII), 2) für den Claudianus maior eine Hs. aus Gemblours, jetzt in Brüssel (saec. XI), eine im Vatican (saec. XII), eine Pariser (saec. XIII), 3) für die carm. min. ein alter codex Sangallensis saec. IX (enthält nur die lateinische Gigantomachie), ein gleichaltriger Veronensis, ein Vaticanus saec. XII, 4) für den Raptus Proserpinae eine Hs. in Florenz (saec. XII) und die schon für 1) erwähnte Antwerpener (saec. XIII). Die Bruchstücke der griechischen Gigantomachie sind nur überliefert in einer von Constantin Lascaris 1465 geschriebenen Madrider Hs. (s. Birt p. LXXff.). Neben diesen, fortlaufenden Text gebenden Hss. sind von grosser Bedeutung für einzelne Teile und Stellen die Notierungen von Versen und Lesarten aus älteren codices, wie wir sie für C. haben 1) in den Excerpta Lucensia (Florentina) in einem Exemplare der editio princeps, jetzt in der Nationalbibliothek zu Florenz (aus einem ‚antiquus B‘ eingetragen, aus dem die carm. min. in einem cod. Mediceus saec. XV copiert sind), 2) in den sog. Excerpta Gyraldina in einem Exemplare der Aldina zu Leyden (‚Gregorius Giraldus emendavit hunc codicem ex vetustissimo exemplari sumpto ab Aenea Gerardino‘, der uns unbekannt ist). Beide alten Hss. waren einander sehr nahe verwandt. Sehr wichtig ist ferner eine alte Hs. des Capito, die uns durch die Baseler Ausgabe des Druckers Isengrin 1534, redigiert von Michael Bentinus, in ihren Hauptlesarten erhalten ist. Sie allein enthält eine ganze Reihe sonst verlorner Verse, ist aber im übrigen mit grösster Vorsicht zu benutzen; vgl. Birt p. CLXXXVIIff. Koch praef. p. VIff. Viel geringere Bedeutung haben die sehr zahlreichen Eintragungen von Versen und Versgruppen in den Florilegien des 11. bis 13. Jhdts. Am reichhaltigsten ist davon das wie eine Art von Geschichtserzählung zusammengestellte Florilegium Parisinum, am ältesten der Sentenzen zusammentragende codex Monacensis (saec. XI), aber auch der letztere ist für die Textgestaltung fast ohne Wert. C. ist infolge der Gunst, die er bei Hofe genoss, und wohl auch seiner Kunst wegen viel gelesen worden; von seinem Zeitgenossen Prudentius an lassen sich die Spuren seiner Worte durch Jahrhunderte in fast allen Ländern römischer Bildung nachweisen (Birt p. LXXVIIIff.); aber erst vom 9. Jhdt. ab fliessen für uns hsl. Quellen. Scholien stehen in den ältesten Hss. gar nicht oder nur spärlich, erst vom 12. bis 13. Jhdt. ab schwellen sie an. Sie sind noch nicht alle herausgegeben (Verzeichnis der Publicationen bei Birt p. CLXXX); es wird sich auch kaum der Mühe lohnen, wenigstens sind bis jetzt wertvolle Notizen in ihnen nicht gefunden worden.

V. Ausgaben.

(Verzeichnis bei Gesner p. XVIff. Birt praef. p. CLXXXIVff.). Editiones principes des Celsanus, Vicentiae 1482, des Ugoletus, Parmae 1500, dann von Parrhasius, Mediolani 1500, von Camers, Wien 1510, die Aldina 1523 von Asulanus. Vollständiger und sehr wichtig (s. o.) die des Michael Bentinus bei Isengrin, Basel 1534, weiter die ebenfalls, wenn auch nur teilweise, auf uns verloren gegangene Quellen sich stützende Ausgabe des Claverius, Paris 1602 (über die von ihm benutzten Hss. der Bibliothek des Cuiacius s. Koch [2660] De codicibus Cuiacianis quibus in edendo Claudiano Claverius usus est, Marburg 1889, und derselbe sich berichtigend bei Birt p. CXCVIff.). Fördernder sind die Ausgaben Scaligers (ed. Plantiniana 1603), die Elzevirdrucke des Nic. Heinsius (Leyden 1650 und Amsterdam 1665), Barths dicke Bände (1612 Hanau, 1650 Frankfurt), Burmanns Sammelwerk (Amsterdam 1760). Für die Erklärung noch immer wichtig sind die Arbeiten Matthias Gesners (Leipzig 1759) und G. L. Königs (I Göttingen 1808). Die erste kritische Ausgabe ist die von L. Jeep (I 1876. II 1879 Lpzg.), jetzt weit überholt von Th. Birt in den Monumenta Germaniae historica, auct. antiquiss. tom. X, Berlin 1892. Freilich ist es auch Birt noch nicht gelungen, die Verhältnisse der verzwickten Überlieferung auf eine oder einige einfache Formeln zurückzuführen; so herrscht in der Textgestaltung noch ein leidiger Eklekticismus. Eine Handausgabe mit leider ganz und gar ungenügendem kritischen Apparat hat J. Koch, Birts verdienstvoller Mitarbeiter, 1893 bei Teubner erscheinen lassen. Die Fragmente der griechischen Gigantomachie zuerst vollständig 1769 von Iriarte herausgegeben, in den Ausgaben seit Barth geführt, neuestens mit den Epigrammen wiederholt bei A. Ludwich Eudociae, Procli, Claudiani reliquiae, Lpzg. 1897 S. 159–180. Die wichtigste Litteratur zu Text und Erklärung findet man bei Birt p. CCIII 1; später sind noch erschienen Arens Quaest. Claud., Diss. Münster 1894; Claudianea, Jahrb. f. Philol. 1896, 430ff. Ellis Ad Claud. carm. min., Philol. LIV 598. Heck De vita Cl. Cl. poetae, Donaueschingen 1896. Donadoni Claudiano, la guerra getica, epitalamio per la nozze di Onorio e Maria. Studio e versione, Palermo 1895.