RE:Hermes Trismegistos

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Griechischer Name des Thoth
Band VIII,1 (1912) S. 792 (IA)–823 (IA)
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Hermes Trismegistos. I. Der Gott. H. Trismegistos ist die spätere griechische Benen­nung des ägyptischen Gottes Tehuti oder Thoth (s. d.), der den Griechen schon früh bekannt ge­worden war und dessen Name als Θεύθ (Plat. Phileb. 18 b; Phaedr. 274 c. Cic. nat. deor. III 56), Θωύθ; Θώθ, Τάτ usw. transskribiert wurde (Pietschmann 37. Spiegelberg Travaux relat. à la philol. égypt. XXIII 199). Thoth war der Gott des Maßes und der Zahl, der Schrift, der bildlichen Darstellung und der Bibliotheken, der Künder des Verborgenen und Verfasser alter heiliger Schriften, der Lehrer der Isis (Diod. I 27, 4). Als Erfinder haben ihn die Griechen früh mit H. gleichgesetzt und die seinen Kult pfle­genden Städte Hermupolis (s. d.) genannt; wenn diese Gleichung nicht von den Ptolemaeern aus­gegangen ist, so verdankt sie mindestens ihnen ihre Verbreitung. Auch in Psalkis in Aithiopien (Dakkeh) wird der einheimische Gott Thoth-Paytnuphis (s. Höfer bei Roscher Myth. Lex. III 1722) als κύριος oder μέγας oder μέγιστος Ἑρμῆς bezeichnet, vgl. CIG III 5073 (aus J. 136 v. Chr.) und Diod. I 16, 1 schreibt (nach Hekataios von Teos zu Anfang des 3. Jhdts.) dem ägyptischen H. die Erfindung der Buchstaben, des Götterdienstes der Astrologie und der Musik zu (vgl. Strab. XVII 816. Plut. d. Is. 3. Cyrill. 76, 548) Marius Vict. (Rhet. lat. 223, 34 Halm) die Eintei­lung des Tages in zwölf Stunden (Reitzenstein Poimandres [fortan ohne Titel zitiert] 265, 3). Nach dem von Cicero nat. deor. III 56 benutzten Götterkatalog war er der fünfte H. (verschieden von dem vierten Nilo patre, quem Aegyptii nefas habent nominare), der nach der Tötung des [793] Argos aus Arkadien nach Ägypten floh und dort leges et litteras einführte. Diese Vorstellungen wirkten auf den griechischen H. zurück und be­wirkten seine Benennung als λόγιος (Preller-Robert 419. Reitzenstein Zwei religionsgeschichtl. Fragen 88); der durch die Planeten­sphären wandelnde H. des Eratosthenes ist im Grunde Thoth (Hiller Eratosth. carm. rell. 38). Sein Bild verschwimmt zuletzt so, daß er mit Νοῦς ἢ Φρένες gleichgesetzt werden (Dieterich Abraxas 62), Logos zu seinem Sohne gemacht wer­den kann (Straßburger Kosmogonie bei Reitzenstein Zwei religionsgeschichtl. Fragen 56; vgl. Plat. Crat. 408 c). Über sein Herabsinken zu einem menschlichen Weisen s. u. S. 799. Im 2. Jhdt. v. Chr. setzte ihn Artapanos mit Moses gleich und behauptete, dieser habe den Namen H. erhalten διὰ τὴν τῶν ἱερῶν γραμμάτων ἑρμηνείαν (Freudenthal Hellenist. Stud. I 146). Er erscheint also als der eigentliche Inhaber der ge­samten uralten Weisheit der Ägypter, die den Griechen dadurch nahegebracht werden sollte, daß sie von ihrem H. λόγιος herstammte. Der angebliche Sanchuniathon glaubte den Principat der phönizischen Kosmogonie nicht besser dartun zu können, als indem er diesen H. zum Schüler des Phöniziers Taautos machte, der die Buch­staben erfunden und zuerst Schriften verfaßt haben sollte (Euseb. pr. ev. I 9).

Sein ägyptischer Beiname aā aā ‚der Große, Große‘ auf der Inschrift von Rosette (Dittenberger Or. Gr. Inscr. 90, 19) noch mit μέγας καὶ μέγας übersetzt, wird später durch τρισμέγιστος wieder­gegeben (τρισμέγας Pap. Mus. Brit. 121, 560); darauf deutet zuerst hin Mart. V 24, 15 H. omnia solus et ter unus. Dieser Beiname bezeichnet fast nur H. als Verfasser einer theologischen Li­teratur (Weihung eines Soldaten an ihn aus der Zeit Gordians III., Dittenberger Or. Gr. Inscr. 716); allegorisch gedeutet wird er von Hermias 94, 21 Couvr. Zosim. 137, 21. 424, 9 Berthelot. Suid. s. v. Vgl. Pietschmann Hermes Trismegistos, Leipzig 1875.

II. Die Schriften. Über Schriften des H. finden sich fabelhafte Angaben bei Iambl. de myst. VIII 1 (vgl. 2 E.), wonach Seleukos (wohl der bei Porph. abst. II 55. Suid. s. v. genannte Theologe) ihre Zahl auf 20000, Manetho auf 36525 angab; letztere Zahl entspricht der der Jahre von 25 Sothisperioden. Clem. Alex. strom. VI 449, 27 St. weiß von 42 πάνυ ἀναγκαῖαι βίβλοι des H., von denen 36 die gesamte ägyptische Philosophie enthielten und von den Priestern aus­wendig gelernt wurden, während 6 medizinischen Inhaltes waren und sich in den Händen der Pastophoren befanden. Vier von jenen 36 Büchern waren astronomischen Inhaltes; von dreien gibt Clemens den Inhalt an: Beschreibung des Sternhim­mels; Sonnen- und Mondphasen; Sternaufgänge (Riess o. Bd. II S. 1808. Boll Sphaera 370. Pap. Oxyrh. III 127). Alte Texte dieser Art hat es in Ägypten wirklich gegeben, und sie mögen auf Ge­heiß der Ptolemaeer ins Griechische übersetzt sein (s. u. nr. 17); an sie knüpft die Fabrikation astro­logischer Schriften unter H.s Namen an. Anlaß zu diesen Nachrichten hat die große Menge der Hieroglyphentexte gegeben, in denen man zu­nächst Aufklärungen über die Philosophie der [794] Ägypter, später (Iambl. a. O.) über die Grundlagen, aller Theologie erblickte (vgl. Dio XI 322). Daher heißt es z. Β. in einem Gebet an H. in einem Londoner Papyrus (Wessely Denkschr. Akad. Wien XLII 56): τὸ δὲ ἀληθινὸν ὄνομα σοῦ ἐγγεγραμμένον τῇ ἱερᾷ στήλῃ ἐν τῷ ἀδύτῳ ἐν Ἑρμουπόλει, Iambl. VIII 5, u. Ζ. 32. Eine Zauber­formel des 3. Jhdts. n. Chr. gibt sich als ἀντίγραφον ἱερᾶς βίβλου τῆς εὑρετίσης ἐν τοῖς τοῦ Ἑρμοῦ ταμιείοις (Pap. Oxyrh. VI 200). Da diese Schriften natürlich für sehr alt galten, so sollten sie Pythagoras und Platon auf ihren angeblichen ägyptischen Reisen bereits benutzt haben (Tert. de an. 2; adv. Valent. 15. Clem. Alex. strom. I 15. Iambl. myst. I 2; vgl. Zeller II 14 412), eine Behauptung, die in dieser Form erst auf­treten konnte, als es bereits Schriften des H. pla­tonisch-pythagoreischen Charakters gab.

Über die Entstehung dieser Literatur sagt Syncell. p. 40 a: Manethon, ὃς … ἐκ τῶν ἐν τῇ Σηριαδικῇ γῇ (Σειρίαδα Joseph. ant. Iud. I 71, d. h. Ägypten; vgl. Fabricius Bibl. gr. I 81 ed. 1790. Reitzenstein 183) κειμένων στηλῶν ἱερᾷ φησι διαλέκτῳ καὶ ἱερογραφικοῖς γράμμασι κεχαρακτηρισμένων ὑπὸ Θὼθ τοῦ πρώτου Ἑρμοῦ καὶ ἑρμηνευθεισῶν μετὰ τὸν κατακλυσμὸν [ἐκ τῆς ἱερᾶς διαλέκτου εἰς τὴν Ἑλληνίδα φωνὴν] (del. Reit­zenstein) γράμμασιν ἱερογλυφικοῖς καὶ ἀποτεθέντων ἐν βίβλοις ὑπὸ τοῦ Ἀγαθοδαίμονος υἱοῦ τοῦ δευτέρου Ἑρμοῦ, πατρὸς δὲ τοῦ Τὰτ ἐν τοῖς ἀδύτοις τῶν ἱερῶν Αἰγύπτου. Vgl. Boeckh Manetho 399. Ähnlich läßt Iamblich de myst. VII 4 die hermetischen Lehren über die obersten Götter ὑπ’ ἀνδρῶν φιλοσοφίας οὐκ ἀπείρως ἐχόντων aus dem Ägyptischen ins Griechische übertragen sein und nennt VIII 5 als Übersetzer Bitys (s. d.): ἡρμήνευσε δὲ Βίτυς προφήτης Ἄμμωνι βασιλεῖ ἐν ἀδύτοις εὑρὼν ἀναγεγραμμένην (sc. ὁδὸν πρὸς τὰ ὑψηλότερα) ἐν ἱερογλυφικοῖς γράμμασιν κατὰ Σάϊν τὴν ἐν Αἰγύπτῳ. In der Κόρη zeichnet H., wie es scheint, seine Himmelsbeobachtungen selbst auf Papyros auf und verbirgt sie, damit sie später von den Menschen gelesen werden (Stob. I 387, 15).

Von Schriften des H. sind uns folgende be­kannt (Fabricius a. O. 51):

1. Das hsl. überlieferte Corpus, oft nach der ersten Schrift Poimandres genannt, das wir wohl dem Michael Psellos zu verdanken haben (vgl. Reitzenstein 319 und Psellos polemisches Scholion zu I 18 ebd. S. 333, 13). Es besteht aus 17, nach Reitzensteins Zählung 18, Schriften, nämlich (ich gebe die überlieferten meist jungen und zum Teil verkehrten Titel wieder): 1. Ποιμάνδρης (Dialog erst zwischen dem Nus-Poimandres und einem Propheten [H.], dann zwischen diesem und der Menge). Das Schlußgebet auch im Pap. Berl. 9794 saec. III (Reitzenstein Gött. Nachr. 1910, 324). 2. Ἑρμοῦ πρὸς Τὰτ λόγος καθολικός (bei Stob. Ἑρμοῦ πρὸς Ἀσκληπιόν). 3. Λόγος ἱερός. 4. Ἑρμοῦ πρὸς Τὰτ ὁ Κρατὴρ ἢ Μονάς. Diese Schrift wird der Alchimist Zosimos (4. Jhdt. ?) meinen, wenn er an Theosebeia schreibt (p. 245, 6) καταδραμοῦσα ἐπὶ τὸν Ποιμένανδρα καὶ βαπτισθεῖσα τῷ κρατῆρι ἀνάδραμε ἐπὶ τὸ γένος τὸ σόν. 5. Ἑρμοῦ πρὸς Τὰτ, ὅτι ἀφανὴς ⟨ὢν ὁ⟩ θεὸς φανερώτατός ἐστιν. 6. Ὅτι ἐν μόνῳ τῷ θεῷ τὸ ἀγαθόν ἐστιν, ἀλλαχόθι δὲ οὐδαμοῦ (an Asklepios). 7. Ὅτι μέγιστον κακὸν ἐν τοῖς [795] ἀνθρώποις ἡ περὶ τοῦ θεοῦ ἀγνωσία (Predigt an die Menge). 8. Ὅτι οὐδὲν τῶν ὄντων ἀπόλλυται, ἀλλὰ τὰς μεταβολὰς ἀπώλειας καὶ θανάτους πλανώμενοι λέγουσιν (Dialog zwischen H. und Tat). 9. Περὶ νοήσεως καὶ αἰσθήσεως [ὅτι ἐν … οὐδαμοῦ wie 6] (an Asklepios). 10. Κλείς (Dialog mit Tat). Die Schrift wird von Lact. inst. I 11, 61 zitiert. Κλείδιον heißt eine alchimistische Schrift des H., s. u., κλείς begegnet öfter als Titel von Zauberbüchern (Dieterich Abraxas 71). 11. Νοῦς πρὸς Ἑρμῆν (Dialog). 12. Περὶ νοῦ κοινοῦ πρὸς Τάτ. Diese Schrift kennt Lactant. inst. VI 25, 10. 13. Πρὸς τὸν υἱὸν Τὰτ ἐν ὄρει λόγος ἀπόκρυφος περὶ παλιγγενεσίας καὶ σιγῆς ἐπαγγελίας (Dialog). Dazu gehört die Ὑμνῳδία κρυπτή. Der Poimandres (Nr. 1) wird in § 15 zitiert. 14. Πρὸς Ἀσκληπιόν oder Ἀσκληπιῷ εὖ φρονεῖν. Dem Cyrill (adv. Iulian 76, 597 d M.) bekannt. 15. Ὅροι Ἂσκληπιοῦ πρὸς Ἄμμωνα βα­σιλέα. Von Lactanz zitiert, s. Reitzenstein 192. 16. Fragment aus einem Dialog zwischen dem Propheten Tat und einem König (Ammon?). 17. Περὶ τῆς ὑπὸ τοῦ πάθους τοῦ σώματος ἐμποδιζομένης ψυχῆς (ursprünglich zu 16 gehörig?), Untertitel vor § 11 περὶ εὐφημίας τοῦ κρείττονος καὶ ἐγκώμιον βασιλέως. Eine am Schlusse ver­stümmelte Rede auf regierende Kaiser, die nach den Untersuchungen von Reitzenstein 207 (dazu Keil 371) in die Zeit um 302 gehört. Mit der Hermetik hat sie gar nichts zu tun, sondern ist nur wegen des religiösen Tones vom Redaktor (Psellos?) der Sammlung angefügt; Stellen wie 14: ὁ θεὸς γάρ, ἀγαθὸς ὑπάρχων καὶ ἀειφεγγὴς καὶ ἐν ἑαυτῷ διὰ παντὸς τῆς οἰκείας ἀειπρεπείας (ἀπειρίας?) ἔχων τὸ πέρας, ἀθάνατος δὲ ὢν καὶ ἐν αὑτῷ τὴν ἂτελεύτητον λῆξιν περιέχων καὶ διὰ παντὸς ἀέναος erinnerten genügend an Äußerungen des H., um sie für die Poimandressammlung ge­eignet scheinen zu lassen. Reitzenstein ver­mutet (nicht stichhaltig), daß der Redner den Kaisern die überlieferte Sammlung hermetischer Schriften überreicht habe. Vgl. Dibelius Ztschr. f. Kirchengesch. XXVI 168.

Da der Alchimist Zosimos, der dem 4. Jhdt. anzugehören scheint (Riess o. Bd. I S. 1348), die ganze Sammlung unter dem Titel Poimandres zu kennen scheint, so wäre sie schon gegen Aus­gang des Altertums zusammengestellt, also wohl in neuplatonischen Kreisen, wofür auch die Ana­logie der Cyrillsammlung spricht (s. u.). Das einzige erkennbare Ordnungsprinzip besteht außer der Voranstellung der Kosmogonie darin, daß in den beiden letzten Schriften nicht mehr H. oder Nus, sondern Asklepios und Tat als Lehrer auf­treten (Reitzenstein 191). Da im übrigen keine Beziehungen zwischen den einzelnen Stücken hergestellt sind, die einzigen Anknüpfungen, ab­gesehen von nr. 10 (nr. 9. 13) auf außerhalb des Corpus stehende Schriften weisen, so hat der Redaktor kaum stark eingegriffen. Auch Fulgentius kennt wohl das Corpus, vielleicht auch Stobaios; die Zitate des Hermippos περὶ ἀστρο­λογίας scheinen erst dem 14. Jhdt. anzugehören.[RE 1]

Die hsl. Überlieferung des Corpus beginnt für uns mit dem 14. Jhdt.; sie zeigt arge Verderbnisse [796] und Lücken, besonders am Ende von nr. 15. 15 Hss. nennt Reitzenstein 323, ich kenne noch Marcian. 242. 263 Nanian. 247 Bodl. Selden. 51 misc. 36. 131 Angelic. Β 5, 9 Vesontion. Im J. 1463 übersetzte Ficinus den Text nach Laurent. 71, 33, ganz durchdrungen von der mystischen Weisheit des H. (gedruckt Tarvis 1471 u. ö.); das Original gab Turnebus Paris 1554 heraus mit Unterstützung des A. Vergicius; ihm folgte Flussas Candalle Bordeaux 1574, an dessen Ausgabe Scaliger mitwirkte. F. Patricius bot in seiner Nova de universis philosophia, Ferrara 1591 (Venedig 1593) außer dem Text des Corpus auch eine trotz aller Mängel dankenswerte und vielbenutzte Sammlung der Fragmente. Manches Gute enthielt die deutsche Übersetzung von Tiedemann, Berl. 1781. Par­theys Ausgabe (Berl. 1854) benutzte zwar einige Kollationen, war aber nachlässig gearbeitet und enthielt nur die Schriften 1–14. Französische Übersetzung von Ménard H. Trismegiste, Paris 1866 mit verdienstlicher Einleitung; englische von Mead Thrice Greatest H., London 1906. Sehr för­derlich sind Reitzensteins Untersuchungen über die Überlieferung und seine tief eindringende Rezension der Schriften 1. 13. 15–17. Zur Text­kritik Zielinski a. O. Kroll Phil. N. F. V 230. VII 422. Eine kritische Ausgabe aller Über­reste ist ein dringendes Bedürfnis.

2. Ein dem erhaltenen ähnliches Corpus von 15 Schriften kennt Cyrill contr. Iulian. I 30 b (76, 548 Μ.) πεποίηται δὲ καὶ τούτου (der Abhängigkeit des H. von Moses) μνήμην ἐν ἰδίαις συγγραφαῖς ὁ συντεθεικὼς Ἀθήνησι τὰ ἐπίκλην Ἑρμαϊκὰ πεντεκαίδεκα βιβλία· γράφει δὲ οὕτως ἐν τῷ πρώτῳ περὶ αὐτοῦ, εἰσκεκόμικε δέ τινα τῶν ἱερουργῶν λέγοντα usw. Während hier der Priester über den Gott berichtet, redet in den übrigen Fragmenten (I 31 b. 33 d. 35 a. b. 52 b. 130 a) H. selbst, und zwar antwortet er einmal auf die Frage τίνος τῶν ἐν Αἰγύπτῳ τεμενιτῶν (eine in der erhaltenen Sammlung nicht vertretene Form); von Titeln wird genannt ἐν λόγῳ πρώτῳ τῶν πρὸς τὸν Τὰτ διεξοδικῶν (nach Reitzenstein Gegensatz zu den γενικά; im Ascl. 1 ad Tat … filium multa physica exoticaque quam plurima will Thomas diexodicaque, Ménard exotericaque herstellen); ἐν λόγῳ τρίτῳ τῶν πρὸς Ἀσκλη­πιόν; πρὸς τὸν ἑαυτοῦ Νοῦν; ἐν τῷ πρὸς Ἀσκληπιόν. Also hat ein Athener (Mitglied der dortigen neuplatonischen Schule? Reitzenstein Poim. 211) 15 Schriften des H. zusammengestellt und durch einen Dialog eingeleitet. Doch kennt Cyrill auch die 14. Schrift des erhaltenen Corpus, die vielleicht in beide Sammlungen aufgenommen war. Wiederum verschieden war die von Iamblich be­nutzte, angeblich durch Bitys aus dem Ägyptischen übersetzte Sammlung (s. u. S. 802, 66): man sieht, wie die Fabrikation dieser Literatur im großen betrieben wurde.

3. Die unter Apuleius’ philosophischen Werken (aber nicht unter seinem Namen) überlieferte lateinische Übersetzung einer griechischen Schrift de †hlera (aus ἱερά?) ad Asclepium mit der Unterschrift βίβλος ἱερὰ πρὸς Ἀσκληπιὸν προσφωνηθεῖσα (ο. Bd. II S. 25f.); im folgenden als Ascl. zitiert. Die schon dem Augustin bekannte Über­setzung stammt aus dem 4. Jhdt.; einen zuverlässigen [797] Text bietet nur die Ausgabe von Tho­mas, Leipz. 1908. Das griechische Original kennen Lactanz IV 6, 4. VI 25, 11. VII 13, 3 und Lydos mens. 70, 22. 90, 24. 167, 15 W. als λόγος τέλειος; es wird zitiert IX Anf. χθὲς ὦ Ἀσκλη­πιὲ τὸν τέλειον ἀποδέδωκα λόγον; vgl. Zielinski Arch. Rel. VIII 335, 1. S. auch Anthimos bei Mercati Studi e testi V 97f. Das Schlußgebet (= Ascl. 41) ist in den Zauberpapyros Mimaut saec. IV (‚um 300, nicht früher‘ Fahz brieflich) übernommen (Reitzenstein Arch. f. Rel. VII 393).

4. Vier große Fragmente ἐκ τῆς ἱερᾶς βίβλου ⟨τῆς⟩ ἐπικαλουμένης Κόρης κόσμου (Über den Titel Reitzenstein 146. Zielinski Arch. Rel. VIII 356) bei Stob. I 385, 11–414, 13. 458, 22–472, 2 W., in der Hauptsache ein Dialog zwi­schen Isis und Horos; daß S. 458, 22 die Über­schrift steht Ἑρμοῦ λόγος Ἴσιδος πρὸς Ὧρον, hat nichts zu besagen (Reitzenstein 135 will beide Schriften voneinander trennen). Dagegen ist III 467, 12 Ἑρμοῦ ἐκ τοῦ Ἴσιδος πρὸς Ὧρον (Ὧρον om. S) fernzuhalten, da die Anrede ὦ μέγιστε βασιλεῦ zum Tone der übrigen Fragmente nicht paßt. Verschieden davon scheint die von Lyd. mens. 116, 18 genannte κοσμοποιΐα.

5. Fragmente aus einer Schrift πρὸς Ἄμμωνα bei Stob. I 72, 3. 82, 1. 281, 19. 289, 13; dar­aus wohl auch das Stück mit dem Titel περὶ τῆς ὅλης οἰκονομίας ἐκ τῶν πρὸς Ἀμοῦν 79, 21 und einige ohne Aufschrift (z. Β. 321, 28).

6. Fragment aus einer Schrift Ἀφροδίτη bei Stob. I 295, 16; diese ist vielleicht von Lactanz benutzt (S. 822).

7. Zahlreiche Fragmente ἐκ τῶν (τοῦ) πρὸς Τάτ oder ohne Überschrift bei Stobaios (vgl. den Index II 277 W., wo II 9, 3 fehlt).

8. Γενικοὶ λόγοι an Tat, von denen die κλείς (nr. X) eine Epitome sein will (vgl. X 1. 7) und über deren Dunkelheit sich Tat XIII 1 beklagt; sie werden auch bei Stob. I 189, 21. 322, 26 zitiert. Das braucht nicht mehr als eine bequeme Fiktion zu sein, die teils für die Einleitung des Dialoges verwertbar ist, teils auf die große Ausdehnung dieser Literatur hinweisen soll; eine Verweisung ἐν ἄλλοις XII 6 könnte auf Stob. I 73 gehen (Zeller III 24 248, 5). Ob dem Synkellos zu trauen ist, der die γενικὰ τοῦ Ἑρμοῦ für astrologische Lehren zitiert (p. 52 b), ist sehr zweifelhaft.

9. Galen. XI 798 Κ: Pamphilos (1. Jhdt. n. Chr.) βοτάνης μέμνηται καλουμένης, ὡς αὐτός φησιν, ἀετοῦ, περὶ ἧς ὁμολογεῖ μηδένα τῶν Ἑλλήνων εἰρηκέναι μηδέν, ἀλλ’ ἔν τινι τῶν εἰς Ἑρμῆν τὸν Αἰγύπτιον ἀναφερομένων βιβλίων ἐγγεγράφθαι περιέχοντι τὰς λς’ τῶν ὡροσκόπων (= Dekane) ἱερὰς βοτάνας. Traktate unter H. Trismegistos Namen περὶ βοτανῶν τῶν ἑπτὰ πλανητῶν gibt es noch in mehreren Fassungen; herausg. Catal. cod. astrol. gr. IV 134. VI 83. Pitra Anal. sacra V 2, 279: besser Catal. VIII 3, 151 (hier an Asklepios gerichtet). Περὶ βοτανῶν τῶν δώδεκα ζωδίων Catal. VII 231 (s. d. Boll). VIII 2, 159. Ἑρμοῦ πρὸς Ἀσκληπιὸν ἡ λεγομένη ἱερὰ βίβλος (vgl. ο. nr. 3) über die 36 Dekane, die ihnen zugeteilten Pflanzen und die Heilwirkung der als Amulette getragenen Dekanfiguren bei Pitra a. O. 284, besser bei Ruelle Rev. Phil. XXXII 247, kann mit der von Pamphilos benutzten [798] Schrift zusammenhängen; doch fehlt gerade die oben genannte βοτάνη ἀετοῦ. Ver­wandt war die Schrift des Teukros von Babylon, über die Βoll Sphaera 7. Da die Lehre von den Dekanen spezifisch ägyptisch ist, so ist die von Pamphilos genannte Schrift vielleicht unter Benutzung alter ägyptischer (ins Griechische über­tragener) Texte entstanden.

10. Ἰατρομαθηματικὰ (oder περὶ κατακλί­σεως νοσούντων προγνωστικὰ ἐκ τῆς μαθηματικῆς ἐπιστήμης) πρὸς Ἄμμωνα Αἰγύπτιον ed. Ideler Phys. et med. I 387. 430; vgl. Diels Handschr. d. antik. Ärzte II 44; Nachtr. 53. Sie stimmen stark überein mit Ps.-Galen π. κατακλ. νοσ. XIX 529 Κ. und mit dem Astrologen Pancharios (Catal. I 118); zugrunde liegen wird eine Schrift des Nechepso und Petosiris (Riess Phil. Suppl. VI 378). Der Astrologe des J. 379 n. Chr. kennt eine von dieser verschiedene Schrift des H., ἐν ᾗ ἰατρομαθηματικὰ πλεῖστα ἔγραψεν (Catal. cod. astrol. V 209, 9); auf sie mag auch Heph. Theb. 46, 20 hindeuten: οἱ παλαιοὶ Αἰγύπτιοι … διὰ τῶν καλουμένων παρ’ αὐτοῖς ἰατρομαθηματικῶν συν­τάξεων. Heeg S.-Ber. Akad. Berl. 1911, 394.

11. Μέθοδος εἰς πᾶσαν καταρχήν in Astrologen-Hss., ungedruckt, s. Catal. cod. astrol. I 32. II 21. V 75 u. ö.

12. Περὶ τῆς τῶν δώδεκα τόπων ὀνομασίας καὶ δυνάμεως in Astrologen-Hss. erhalten, bereits benutzt von Vettius Valens II 5–14 (s. Cumont Catal. astrol. V 2, 156).

13. Περὶ σεισμῶν, 66 Hexameter über die Weissagung aus Erdbeben je nach der Stellung der Sonne in den zwölf Zeichen, auch unter Or­pheus’ Namen gehend (Orphica ed. Abel p. 141). Prosaparaphrase in Catal. astrol. VII 167.

14. Βροντολόγιον, herausg. im Catal. cod. astrol. VII 226.

15. Andere kleinere Traktate astrologischen und medizinischen Inhalts (zum Teil in lateini­schen Übersetzungen aus dem Arabischen), über welche die Indices des Catal. astrol. und Diels a. O. Auskunft geben. Auch die Κυρανίδες (s. d.) werden ihm bisweilen zugeschrieben, vgl. Lapid. grecs 3, 6 Ruelle (s. ebd. XI): θεοῦ δῶρον μέγιστον ἀγγέλλων λαοῖς Ἑρμῆς ὁ τρισμέγιστος θεὸς ἀνθρώποις πᾶσιν μετέδωκεν νοητικοῖς (ein Hymnos an H. steht p. 15, 29). In cod. Paris. 2502 steht Buch III der Kyraniden unter dem Titel: βίβλος ἰατρικὴ σύντομος τοῦ τρισμεγίστου Ἑρμοῦ περὶ μαθηματικῆς ἐπιστήμης καὶ φυσικῆς ἀπορροίας τῶν ζῴων ἐκδοθεῖσα πρὸς τὸν μαθητὴν αὐτοῦ Ἀσκληπιόν (p. 275). Tannery Rev. études gr. XVII 335.

Nur oder fast nur dem Titel nach kennen wir folgende Schriften:

16. Κοσμικὰ ἀποτελέσματα (falls das ein Titel ist), in denen nach dem Astrologen des J. 379 n. Chr. H. vom Aufgange des Hundssternes han­delte (Catal. cod. astrol. V 204).

17. Πανάρετος, in der er über die astrolo­gischen κλῆροι gehandelt hatte, benutzt von Pau­los Alexandrinos (vgl. auch Heliodoros im Catal. cod. astrol. IV 81); vgl. Bouché-Leclerq L’astrol. grecque 307. Im Leidener Papyrus bei Diete­rich Abraxas 203, 5 wird zitiert ἐν τῇ ε’ τῶν Πτολεμαϊκῶν ‚ἓν [καὶ] τὸ πᾶν‘ ἐπιγραφομένῃ Παναρέτῳ βίβλῳ, ⟨ἣ⟩ περιέχει γέννησιν πνεύματος [799] πυρὸς καὶ σκότους (Vorstellungen von Büchern ἐν ταῖς βιβλιοθήκαις τῶν Πτολεμαίων, die ein Hohenpriester [?] Asenas aus dem Hebräischen übersetzt hat und welche die Lehre von Adam enthalten, bei Zosimos: Berthelot Les alchimistes grecs 230 [s. auch 89, 6]; vgl. Reitzen­stein Poim. 106).

18. Ὁ θείοτατος ἐκεῖνος Ἑρμῆς Φιβὶ ὁ Τρισμέγιστος wird für einen astrologischen Satz im Catal. cod. astrol. I 167, 5 zitiert; damit ist wohl eine besondere Schrift gemeint, in der er als Ἰβιακός (angeblich Plut.) bezeichnet war; vgl. Reitzenstein 118.

19. Βίβλος τῶν μυστηρίων, genannt in einem mittelalterlichen Katalog astrologischer Schriften Catal. cod. astrol. 184, 14; vgl. Steinschneider ZDMG L 192. Vielleicht daraus das Zitat des Apomasar († 885 n. Chr.): εἶπον τῷ Διὶ καὶ εἶπέ μοι ὁ Ζεύς (Catal. V 1, 149), das auf Offenbarungsliteratur schließen läßt.

20. Πτέρυξ, Pap. in Leiden bei Dieterich Abraxas 170, 6 ἐκ δὲ ταύτης τῆς βίβλου Ἑρμῆς κλέψας τὰ ἐπιθύματα προσεφώνησεν ἑαυτοῦ ἱερᾷ βίβλῳ ἐπικαλουμένῃ Πτέρυγι.

21. Alchimistische Werke, zitiert von Zosimos (oft, vgl. Berthelot 462) und Olympiodoros p. 84, 20. 89, 10. 18; als Titel erscheinen Πυραμίς 101, 13, ἀρχαϊκὴ βίβλος 101, 17 (wohl ebensowenig eigentlicher Titel wie ἐν τοῖς κοσκίνοις 156, 17), περὶ φύσεων (?) 229, 11, περὶ ἀϋλίας 230, 1 vgl. 229, 19 (so zu schreiben; anders Reitzenstein 103), πρὸς τὸν Παύσηριν 281, 15, κλείδιον ebd. Auch wenn Isis an Horos schreibt (p. 28. 33), so knüpft das an hermeti­sche Literatur an. Da die überlieferten Alchi­mistentexte uns durchweg in späten, stark über­arbeiteten Fassungen vorliegen, so unterliegt ihre Verwendung zu weittragenden Schlüssen, wie sie Reitzenstein zieht, vielen Bedenken.

22. Κρύφιος λόγος zitiert von Charis. 239, 7 ὑὸς ἐλέχθη σαπρὰ σπορά· τὸ γὰρ ὕσπορός (ὗ σαπρὸν Fabricius) ἐστι, τὸ δὲ ὕον (ὂν Fabr.) οὐσία, καθότι τὸ γένος ἀνθρώπων ἐκ πυρὸς καὶ θανάτου στολῆς ἐγένετο.

III. Die Einkleidung der Literatur. Daß diese Schriften in Ägypten entstanden sind, ergibt sich aus einer Betrachtung des in ihnen auftretenden Götterkreises; Ascl. 27 weist den über die Welt herrschenden Göttern, die zuerst auf dem mons Libycus gewohnt haben, später Alexandreia als Wohnsitz an. Aber wenn man von Einzelheiten in der Kore und im Ascl. ab­sieht, so haben die Götter ihren spezifisch ägyp­tischen Charakter so ziemlich eingebüßt. Daß H. der Gott von Hermupolis ist, wird nur Ascl. 37 erwähnt, und auch da ist es nur der erste H., der Vorfahre des Redenden. Dieser selbst aber, der seine Offenbarungen vom Nus empfängt (I. XI), legt seinen göttlichen Charakter eigentlich ganz ab und wird zum Menschen; so auch XIII 3, wo er durch Versenkung in sein Inneres (ὁρῶν ἐν ἐμοὶ ἄπλαστον θέαν γεγενημένην) zu einem neuen geistigen Menschen wird (εἰμί νῦν οὐχ ὁ πρίν, ἀλλ’ ἐγεννήθην ἐν νῷ) und nun erst zur Tiefe des Wissens vordringt. Überhaupt spielt er ganz die Rolle eines menschlichen Weisen, der sich den Göttern gegenüber als Mensch fühlt (z. Β. XI 5. 12. Ascl. 40 dictum est vobis de [800] singulis, ut humanitas potuit. Lact. inst. I 6, 3 qui tametsi homo fuit, antiquissimus tamen. Daher Thot als der erste Mensch und mit Adam identisch bei Zosimos p. 233, 18 B.; vgl. Reit­zenstein 102); er kann daher auch πρὸς τὸν ἑαυτοῦ νοῦν schreiben (Cyrill. 76, 580 b Μ.), was Reitzenstein 128 für ein Mißverständnis er­klärt; nur die Wendung divinus Cupido Ascl. 1 E. (Mißverständnis des Übersetzers? vgl. Orph. frg. 69ff.) erinnert an seine göttliche Natur. Aber gerade dieser H. soll ein Nachkomme des Thoth sein (37 p. 77, 14); man sieht, daß kaum eine plastische Anschauung von ihm vorhanden ist. Wenn der Dichter der Straßburger Kosmogonie (Reitzenstein Zwei relig. Fragen 53) sagt κεῖνος δὴ νέος ἐστὶν ἐμὸς πατρώϊος Ἑρμῆς, so be­zeichnet er sich vielleicht als Nachkomme dieses H., also als H. Trismegistos? (vgl. Zielinski IX 30), Die Scheidung eines ersten und zweiten H. auch Aug. civ. dei XVIII 39. Syncell. 40 b; ein dritter bei Iulian. in Christ. 193 N. (Cyrill. 76, 770 Μ.) Ἑρμοῦ τοῦ τρίτον τῇ Αἰγύπτῳ ἐπιδημήσαντος, wo er der Ausgangspunkt einer δια­δοχή von Weisen ist (Reitzenstein 175). Als Menschen faßt ihn auch Ammian. XXI 14, 5 auf, der ihn mit Pythagoras, Sokrates und Apollonios von Tyana zusammenstellt; vgl. Suid. s. v. οὗτος ἦν Αἰγύπτιος σοφός, ἤκμαζε δὲ πρὸ τοῦ Φαραώ. In der Κόρη wird H., der zuerst die Schönheit der Sternen weit erkennt, ausdrücklich von der θνητὴ σπορά unterschieden (Stob. I 386 17); vgl. Ménard XXXV.

Asklepios soll Imuth (Imhotep) sein, auf den sich wirklich alte Schriften zurückführten, aber die einzige seinen Kult erwähnende Notiz (Ascl. 37 cui templum consecratum est in monte Libyae circa litus crocodillorum, in quo eius iacet mundanus homo id est corpus: Kyrene nach Zielinski 371) nimmt deutlich auf die griechi­schen Legenden über Gräber des Asklepios Bezug (o. Bd. II S. 1654). Auf seine Mitteilungen über Offenbarungen des H. beriefen sich Nechepso und Petosiris (Firm. math. III 1, 1) secuti Aesculapium et Hanubium, quibus potentissimum Mercurii numen istius scientiae secreta com­misit (vgl. IV pr. 5; übereinstimmend der Pap. Salt, Reitzenstein 119); auch in seiner μυριογένεσις (ebd. III 1, 2) wollte er von H. Belehrung empfangen haben (quam sibi venerabilem Mercurii stellam intimasse professus est ebd. V 1, 36).

Mitteilungen des πρωτόγονος θεός (XII 8) Agathos Daimon will H. in XII empfangen haben; bei Cyrill. 76, 588 M. teilt er dem Asklepios eine Offenbarung des Agathos Daimon an Osiris mit, bei der er zugegen gewesen war; ebd. 553 redet nicht Agathos Daimon (so Reitzenstein 131), sondern es wird über seinen Namen gesprochen. XII 1 verrät H. einen Spruch des Agathos Dai­mon, der in Wahrheit dem Heraklit (frg. 62) ge­hört. Alles das ist Fiktion und berechtigt nicht zu der Annahme der Existenz ‚einer Sammlung von Sprüchen des Agathos Daimon‘ (Reitzenstein 127); ähnlich sagt H. XIII 15 4 ὁ Ποιμάνδρης .. πλέον μοι τῶν ἐγγεγραμμένων οὐ παρέδωκεν. In der alchimistischen Literatur tritt er als selbständiger Schriftsteller auf und richtet z. Β. an Osiris eine Schrift (angeblich schon die [801] vierte) über einen Ausspruch des Orpheus (Kopp Beitr. z. Gesch. der Chemie 386. Berthelot Alchim. grecs 25, 13. 80, 4 u. ö., vgl. 461); eine alchimistische Sekte nennt sich nach ihm Ἀγαθοδαιμονῖται (p. 208, 1 Β.). Woher Michael Italikos (12. Jhdt., bei Cramer Anecd. Ox. III 171) seine Gleichsetzung mit Chnubis (Sethe o. Bd. III S. 2349) hat, wissen wir nicht; sie würde gut zu Firm. math. IV pr. 5 stimmen: omnia quae Aesculapio Mercurius et Chnubis (M. einhnusuix Hss., corr. Reitzenstein) tradiderunt, quae Petosiris excogitavit et Nechepso. Viel zu be­sagen hat sie nicht, da man ihn auch mit Kmeph identifiziert (Zaubergebet bei Reitzenstein 29. Philon von Byblos bei Euseb. pr. ev. I 10, 48). Man wird auch an die ἀγαθοὶ δαίμονες genannten Hausschlangen der Ägypter erinnern dürfen (Aus­feld Rh. Mus. LV 280), da er Schlangengestalt annimmt (Pariser Zauberpap. 994. 1638); nament­lich aber an den Agathos Daimon der Astrologen (Bouché-Leclercq L’astrologie grecque 280), dessen Herkunft mehr in der Philosophie als im Kultus zu suchen ist; und willkommen war es jedenfalls, daß auch die griechische Religion einen Agathos Daimon kannte (Wernicke o. Bd. I S. 746). Der Alchimist Olympiodor (p. 80, 4 Berthelot) ist über sein Wesen ganz im unklaren; Zosimos (p. 116, 21) macht ihn zum μολυβδάνθρωπος und läßt ihn als ganz alten Mann er­scheinen; da in der nächsten Vision (p. 118, 3) das μεσουράνημα Ἡλίου personifiziert erscheint, wird er an die astrologische Bedeutung des Agathodaimon denken. Er fließt auch ganz mit H. zusammen (Reitzenstein 18) und ist so abge­blaßt, daß ihm kaum noch Züge eines bestimmten Gottes anhaften (ebd. 30. 143).

Ammon ist zugegen im λόγος τέλειος, Ascl. 1 nulla, invidia Hammona prohibet a nobis; etenim ad eius nomen multa meminimus a nobis esse conscripta. An ihn sind Schriften des H. (nr. 5. 10), Asklepios (XV) und Tat (XVI) ge­richtet; einen Ausspruch von ihm über das Wesen Gottes teilt Iustin coh. ad Gr. 38 mit (o. Bd. I S. 1857).

Der eigentliche Jünger des H. aber ist sein Sohn Tat, in Wahrheit eine blutleere Verdoppe­lung des Thoth selbst; daß sie auch für den Kultus Bedeutung gehabt habe, ist aus dem von Reitzenstein 117 herangezogenen Zaubergebet nicht zu schließen. Eine Abwechslung der Offen­barungen an ihn und Asklepios setzt X 1 voraus; er selbst figuriert in XVI als lehrender Prophet.

Engeren Anschluß an die ägyptische Mytho­logie hat die Kore (nr. 4) gewahrt; hier spricht Isis zu ihrem Sohne Horos (ebenso Alchim. grecs 28. 33, vgl. 375, 3 B.), sie erzählt ihm von H., der nach Erkennung der Schönheit des Himmels zu den Sternen aufsteigt und seinem Sohne Tat, Asklepios-Imuthes (467, 2. 5) u. a. seine Weis­heit hinterläßt (387, 1, vgl. Reitzenstein 122). Er verbirgt die heiligen Symbole der Gestirngötter πλησίον τῶν Ὀσίριδος κρυφίων (387, 10). Osiris tritt als Herr der Toten auf (466, 21), Isis und Osiris als Bringer der Kultur und Ent­zifferer der alten Schriften des H., Arnebeschenis als Gott der Philosophie (Reitzenstein 135), Kamephis (d. h. Kmeph, s. Drexler bei Roscher Myth. Lex. II 944) schenkt der Isis das τέλειον [802] μέλαν, d. h. Ägypten (Reitzenstein 139, anders = ‚Chemie‘ Zielinski 356 mit weiteren be­denklichen Folgerungen), die Feinde der Seele (Dämonen?) heißen Τυφώνιοι (461, 10). Ägypti­sches Lokalkolorit wird erstrebt; so ist die Rede von ‚unseren Krokodilen‘ (460, 17), so ist die Überzeugung vom Vorrange Ägyptens lebendig, das im Herzen der Oikumene liege und daher die klügsten Menschen hervorbringe (411, 3, vgl. Ascl. 24), ein auch sonst häufiger Gedanke (Pietschmann o. Bd. I S, 993. Reitzenstein Zwei relig. Fragen 60). Das berechtigt aber nicht, einen Satz wie αἱ χῶραι αὗται ὑπὸ τῶν προγόνων καλοῦνται ὑφ’ ὧν μὲν ζῶναι ὑφ’ δὲ στερεώ­ματα ὑπὸ δὲ ἑτέρων πτυχαί (463, 10) auf ägypti­sche Quellen zu deuten; vielmehr ist hier alles griechisch (zu den πτυχαί vgl. Pherekydes πεντέμυχος Diels 506, 32). Ägyptisch sind übrigens auch in 7 (Stob. I 197, 14) die ὑπολειτουργοί (Βoll Sphaera 393). Im ganzen aber ist auch hier weniger ägyptisch, als namentlich Reitzenstein anzunehmen geneigt ist (Zielinski VIII 322. IX 27).

Auch an der äußeren Einkleidung dieser Offenbarungsliteratur ist nicht allzuviel spezifisch ägyp­tisch. Am ehesten noch die Vorstellung von der Aufzeichnung religiöser Texte auf Säulen (doch vgl. Euemeros o. Bd. VI S. 963); außer o. S. 794 vgl. Maneth. V 1 ἐξ ἀδύτων ἱερῶν βίβλων, βασιλεῦ Πτολεμαῖε, καὶ κρυφίμων στηλῶν ἃς ηὕρατο (ἤρατο Koechly) πάνσοφος Ἑρμῆς οὐρανίων ἄστρων τ’ ἐχάραξε προνοίαις σύμβουλον πινυτῆς σοφίης Ἀσκληπιὸν εὑρών, vgl. Stob. Ι 386, 22 (von H.) καὶ γὰρ ἃ ἐνόησεν ἐχάραξε καὶ χαράξας ἔκρυψε τὰ πλεῖστα (vgl. 406, 14. 24). An solche Tempelinschriften denkt auch der Pariser Zauberpapyrus (Wessely Denkschr. Akad. Wien XXXVI 42) 885 σοῦ λέγω τὰ ὀνόματα, ἃ ἔγραψεν ἐν Ἡλιουπόλει ὁ τρισμέγιστος Ἑρμῆς ἱερογλυφικοῖς γράμμασι (ähnlich Plut. de Is. 61). An die Hermetik knüpfen wohl die Kyraniden mit ihrer στήλη γράμμασι Περσικοῖς ἐγκεχαραγμένη an (Lapid. gr. 3, 11. 4, 23. 5, 29). Aber in der er­haltenen Literatur spielt diese Fiktion kaum eine Rolle; nur XV 2 heißt es: ὁ δὲ λόγος τῇ πα­τρῴᾳ διαλέκτῳ ἑρμηνευόμενος ἔχει σαφῆ τὸν τῶν λόγων νοῦν· καὶ γὰρ αὐτὸ τὸ τῆς φωνῆς ποιὸν καὶ ἡ τῶν Αἰγυπτίων ὀνομάτων **ἐν ἑαυτῇ ἔχει τὴν ἐνέργειαν τῶν λεγομένων. ὅσον οὖν δυνατόν ἐστί σοι βασιλεῦ … τὸν λόγον διατήρησον ἀνερμήνευτον, ἵνα μήτε εἰς Ἕλληνας ἔλθῃ τοιαῦτα μυ­στήρια μήτε ἡ τῶν Ἑλλήνων ὑπερήφανος φράσις … ἐξίτηλον ποιήσῃ τὸ σεμνόν usw. (vgl. Ascl. 14; es mag, abgesehen von leerer Wichtigtuerei, etwas von der kynischen Verachtung der Rhetorik mitwirken, s. Schmid o. Bd. V S. 866. Poseidonios bei Sen. ep. 104, 22. Philo de congr. 67). Welche Schwierigkeiten der angeblich altägypti­sche Ursprung der Schriften im Gegensatz zu ihrer griechisch-philosophischen Sprache machte, zeigt Iambl. de myst. VIII 4 τὰ μὲν γὰρ φερό­μενα ὥς Ἑρμοῦ Ἑρμαϊκὰς περιέχει δόξας, εἰ καὶ τῇ τῶν φιλοσόφων γλώττῃ πολλάκις χρῆται· μεταγέγραπται γὰρ ἀπὸ τῆς Αἰγυπτίας γλώττης ὑπ’ ἀνδρῶν φιλοσοφίας οὐκ ἀπείρως ἐχόντων. Und zwar ist dieser Übersetzer Bitys, ebd. 5: ὑφηγήσατο δὲ καὶ ταύτην τὴν ὁδὸν Ἑρμῆς, ἡρμήνευσε δὲ Βίτυς προφήτης Ἄμμωνι βασιλεῖ ἐν ἀδύτοις [803] εὑρὼν ἀναγεγραμμένην ἐν ἱερογλυφικοῖς γράμμασι κατὰ Σάϊν τὴν ἐν Αἰγύπτῳ (vgl. Χ 7). Über Bitys Riess ο. Bd. III S. 550.

Im allgemeinen pflanzt H. seine Weisheit mündlich weiter, und wenn er XIII 15 sagt: ὁ Ποιμάνδρης πλέον μοι τῶν ἐγγεγραμμένων οὐ παρέδωκεν, so fällt er aus der Rolle (vgl. XII 8). Und zwar wendet er sich gewöhnlich an seinen Sohn Tat (in der Kore an Isis [Stob. I 392, 21, wo zu schreiben ist Ἑρμῆς ὁ κἀμοὶ λέγων] oder an Kamephis, der es Isis weitererzählt, p. 394, 26), den er oft verpflichtet, diesen Schatz sorgfältig zu hüten und nicht leichtfertig zu pro­fanieren (XIII 13. 22. Cyrill. 76, 556 Μ. οὐ γὰρ ἐφικτόν ἐστιν εἰς ἀμυήτους τοιαῦτα μυστήρια παρέρχεσθαι. Ascl. 32). Dabei mag die alte Anschau­ung mitwirken, daß zauberisches Wissen nur vom Vater auf den Sohn fortgepflanzt werden darf (Dieterich Abraxas 162; Mithraslit. 52. 134. Cumont Rev. instr. publ. 1904, 8; Firm. math. VIII 33, bes. p. 360, 26 quapropter filiis tuis trade. Lapid. grecs 42, 29 τοῦτο μηδὲ ἰδίῳ τέκνῳ παραδίδου ἢ δίδασκε. 43, 20), auch wohl das Vor­bild der orphischen Dichtung, in der Orpheus oft den Musaios anredet (Gruppe bei Roscher Myth. Lex. III 1067) und ein Lied ebenso an ein früheres anknüpft oder anzuknüpfen vorgibt wie in den Hermetica (s. o. S. 795), vgl. frg. 25 Abel. Orpheus erscheint auch geradezu als Vater des Musaios (frg. 4 FHG II 66, 10. Diod. IV 24); als φίλον τέκος redet er ihn in der vierten Rhapsodie an (Buresch Klaros 116, 61). Wenn Musaios in einem Gedicht (Diels Vorsokr. 494, 22) sich als den Sohn der Selene einführte, so wäre nicht unmöglich, daß er sich auf die von ihr erhal­tenen Offenbarungen berufen hätte. Platon las ein Gedicht, in dem Μουσαῖος νεανικώτερα τἀγαθὰ καὶ ὁ υἱὸς αὐτοῦ παρὰ θεῶν διδόασι τοῖς δικαίοις rep. II 363 c, vielleicht zu verbinden mit der Notiz bei Clem. Alex. strom. I 397 P., daß Orpheus Schüler des Musaios war. Auch in den Mysterien denkt man sich die Tradition vom Vater auf den Sohn forterbend (Schol. Soph. OC 1053, vgl. Marm. Par. Α 27 bei Diels a. O. 484, 10), um von den zahlreichen ἱερεῖς διὰ γένους nicht zu reden. Von den Chaldäern hatte Poseidonios (?) bei Diod. II 29, 4 berichtet παρὰ τοῖς Χαλδαίοις ἐκ γένους ἡ τούτων φιλοσοφία παραδέδοται καὶ παῖς παρὰ πατρὸς διαδέχεται. Über Unterweisung des Sohnes durch den Vater in der römischen Literatur s. Norden Herm. XL 520. 526; Aen. VI S. 43. Wenn Salomon die ὑδρομαντεία seinem Sohne Ῥοβοάμ oder Harpokration die Kyranides seiner Tochter widmet (Catal. astrol. VIII 2, 143. Lapid. gr. 4, 8), so wird Nachahmung der hermetischen Literatur vorliegen. Heidel Amer. Journ. Phil. XXXI 468.

Je mehr nun H. seinen göttlichen Charakter einbüßte, desto weniger konnte eine von ihm vor­getragene Weisheit genügen, wenn er sie nicht auch von einem höheren Wesen empfangen hatte; und da die Vererbung von seinem Ahnen, dem Gotte H., zu wenig augenfällig war, so ließ man ihn vom Nus selbst belehrt sein, ebenso wie der Urheber der chaldäischen Orakel von Hekate, der Gnostiker Markos von der Sige belehrt zu sein vorgab (Kroll 28). In I wird diese Belehrung zu einer vollständigen Vision, die trotz ihrer Ähnlichkeit [804] mit der des Nechepso (Reitzenstein 4) kaum spezifisch ägyptisch ist; wir wissen viel zu wenig von der griechischen Literatur dieser Art (Diels Parmenides 15).

Auf die Inszenierung des Dialoges ist wenig Mühe verwendet, und man sieht deutlich, daß diese Form nur gewählt ist, um die Offenbarung von Mund zu Munde weitergeben zu lassen. Es ist schon etwas Besonderes, wenn in der Kore Isis dem Horos den Ambrosiatrank kredenzt (Stob. I 385, 13) oder im Asclepius sich H. und Asklepios im Heiligtum befinden (vgl. Tempeldialoge wie den des Plutarch de def. orac. Hirzel Dia­log I 558. II 66. 189. Zaubertext bei Diete­rich Abraxas 187, 16 ὡς ἐξώρκισά σε τέκνον, ἐν τῷ ἱερῷ τῷ ἐν Ἱεροσολύμῳ πλησθεὶς τῆς θεο­σοφίας) und erst Tat, dann Ammon herbeirufen. XIII 1 erinnert Tat den H. daran, daß er ihm ἐπὶ τῆς τοῦ ὄρους καταβάσεως versprochen habe, ihm vor seinem Abschiede von der Welt das Geheimnis der παλιγγενεσία mitzuteilen; das mag mit dem in christlicher Offenbarungsliteratur häu­figen Führen auf einen Berg zusammenhängen (Reitzenstein 33, der den arkadischen Berg bei Hermas Sim. IX heranzieht und dies mit der Tradition von der arkadischen Herkunft des H. verbindet).

IV. Die Lehre. Von einer einheitlichen her­metischen Lehre kann man streng genommen nicht sprechen; es fehlt nicht an Widersprüchen sogar innerhalb derselben Schrift (X 7 ~ 19), Besonderheiten (z. Β. Verehrung der Götterbilder in XVI. Ascl. 24) und sogar an Polemik (IX 4; Zielinski 350 faßt auch XII 8 ~ XIII 15 so auf, s. o. S. 803, 5). Indes ist doch eine gewisse Einheit vorhanden, die auch die Verfasser ver­anlaßt, die Schriften dem H. und seinen Traban­ten in den Mund zu legen; sie ist durch die Hoffnung auf die Erlösung und die Erlösungslehre gegeben, und dieser gegenüber ist alles andere so unwesentlich, daß es auf Widersprüche wenig ankommt. Ich kann daher weder Reitzenstein noch Zielinski[RE 2] beistimmen, wenn sie an der Hand solcher Widersprüche spätere Ein­lagen ausscheiden oder gar die verschiedenen Phasen der Hermetik sondern; Zielinskis Schei­dung einer nüchternen peripatetischen, einer eksta­tischen platonischen und einer pantheistischen Periode läßt sich nicht aufrecht erhalten, obwohl die verschiedenen Gedankenreihen vorhanden sind und sich auf dem Papier auseinanderhalten lassen. Ich gebe in Folgendem eine Skizze, für deren genauere Ausführung ich auf die Arbeit meines Schülers J. Kroll verweise.[RE 3] Vgl. auch Zeller III4 2, 242.

Die Grundlage bildet der mehr oder weniger gesteigerte platonische Dualismus, der sich wohl oder übel mit dem stoischen Pantheismus ver­tragen muß (Reitzenstein 46. Kroll Rh. Mus. L 638; sehr weitgehend V 11 σὺ γὰρ εἶ ὃ ἐὰν ὦ, σὺ εἶ ὃ ἂν ποιῶ, σὺ εἶ ὃ ἂν λέγω· σὺ γὰρ [805] πάντα εἶ καὶ ἄλλο οὐδέν ἐστιν, ὃ μὴ εἶ· σὺ εἶ πᾶν τὸ γενόμενον, σὺ τὸ μὴ γενόμενον). Auf der einen Seite steht die Gottheit und die Welt der ὄντα (IX 9. X 8. XIV 1) oder der ἀλήθεια (IX 10), auf der anderen die Materie. Wie Gott das Prin­zip des Guten, so ist die Materie die Wurzel alles Bösen, Stob. I 275, 27 οὐδὲν ἀγαθὸν ἐπὶ τῆς γῆς, οὐδὲν κακὸν ἐν τῷ οὐρανῷ, vgl. 276, 5. 277, 8. Wie bei Gott das Licht ist (I 4f. 21. II 12. VII 2), so ist die Materie das Dunkel (I 19f. III 1); wie im νοητόν Ruhe, so herrscht im ὑλικόν Bewegung (X 11); wie dort der αἰών, so hier der χρόνος (XI 2f. Ascl. 31: aus Plat. Tim. 37 d); vgl. Schrift an die Seele III 7. Andererseits soll doch die diesseitige Welt durchaus ein Abbild und Ausfluß der jenseitigen sein, vgl. z. Β. Ι 8. Stob. I 467, 18 οὔκ ἐστιν ὃ μὴ ἄνωθεν καταβέβηκε καὶ πάλιν ἀνέρχεται ἵνα καταβῇ. Gottes Erhabenheit über die Sinnenwelt kann gar nicht genug hervorgehoben werden; er ist ἀνουσίαστος (II 5) und προόν (Stob. I 293, 12; nahe kommt Onatas Stob. I 49, 2, näher Plotin, s. Ζeller 543, 1; Kroll Orac. chald. 12), man muß alle endlichen Bezeichnungen von ihm fernhalten (Ascl. 20 non spero totius maiestatis effectorem omniumque rerum patrem vel dominum uno posse quamvis e multis composito nuncupari nomine); man kann ihn höchstens gut nennen (II 14. IV 1. VI 1. 3. Stob. I 275, 22. 277, 17; vgl. Plat. Tim. 29 d; rep. VI 508 e. 517 b. Ekphantos bei Stob. flor. 48, 65 p. 269, 20 M.) oder Ursache oder Vater aller Dinge (II 12. 17. V 8; πατήρ übliche Benennung auch in den chaldäischen Orakeln; vgl. Binder Dio u. Pos. 86). Auch die Monas ist nur sein Abbild, er ist οὐχ εἷς ἀλλ’ ἀφ’ οὗ ὁ εἷς (IV 10. V 2). Soweit er ein Wesen besitzt, kann man es als Nus bezeichnen oder vielmehr den Nus daraus herleiten (XII 1), er selbst ist ἄφθαρτος νοῦς (Stob. I 399, 8). Dem Bestreben, seine Transzendenz zu erhöhen, ent­spricht es, wenn sein Wohnsitz noch über den Himmel hinaus in die sternlose Region versetzt wird (Ascl. 27, vgl. Manil. I 802. Cumont Relig. orient. 153); auch die arabische Schrift an die Seele, welche ψυχή, νοῦς und θεός jenseits des Äthers setzt, vertritt diese Anschauung (I 10f.). Sein Verhältnis zur Welt wird oft stoisch-pantheistisch als vollige Identität aufgefaßt, so V 9 οὐδὲν γάρ ἐστιν ἐν παντὶ ἐκείνῳ (dem Kosmos), ὃ οὔκ ἐστιν αὐτός. III 4 τὸ γὰρ θεῖον ἡ πἀσα κοσμικὴ σύγκρασις φύσει ἀνανεουμένη· ἐν γὰρ τῷ θείῳ καὶ ἡ φύσις συγκαθέστηκεν (IX 9. XI 20). Er ist die die Welt durchwaltende Lebenskraft (XI 14), er schafft und erhält die Welt (VIII 2. IX 8; bes. XI 9ff., wo die Identität des Schöpfers der Sinnenwelt mit dem höchsten Gotte bewiesen wird. Stob. I 407, 23 ἄνω ἐν οὐρανῷ θεοὶ κατοικοῦσιν, ὧν ἄρχει μετὰ καὶ τῶν ἄλλων πάντων ὁ τῶν ὅλων δημιουργός); denn sein Wesen ist ununterbrochenes Schaffen (XI 5; oft bei Philon, s. Wendland Schrift üb. d. Vorsehung 5, 1) und er kann ohne Tätigkeit nicht sein (XI 17). Bis­weilen aber wird er von der Berührung mit der Welt befreit und die Weltschöpfung einem be­sonderen Demiurgen, dem Nus oder Logos über­tragen; vgl. I 9. II 12. Cyrill. 552 d ὁ λόγος αὐτοῦ προελθὼν παντέλειος ὢν καὶ γόνιμος καὶ δημιουργὸς ἐν γονίμῃ φύσει πεσὼν ἐπὶ γονίμῳ ὕδατι ἔγκυον [806] τὸ ὕδωρ ἐποίησεν. Auch der feurige Nus in X 18, der δημιουργὸς τῶν πάντων ist, soll vom höchsten Gotte verschieden sein (ähnlich Philon, Numenios, die Gnosis und die chaldäischen Orakel, Kroll 68; in der Straßburger Kosmogonie schafft H., eine Emanation des höchsten Gottes, mit Hilfe seines Sohnes Logos die Welt). Oder er wird wenigstens über die niedere Schöpfung hinausgehoben; so überträgt er in der Kore die Schöpfung der Einzeldinge den Seelen, die den νέοι θεοί des Timaios (41 a) entsprechen (Stob. I 391, 10, vgl. 290, 27). XI 2 bildet er den Aion, dieser den Kosmos, dieser den χρόνος und dieser wieder die γένεσις. Oder er schafft durch seinen bloßen Willen (die βουλὴ θεοῦ Ι 8) Χ 3. Ascl. 26. IV 1 οὐ χερσὶν ἀλλὰ λόγῳ … τῇ δὲ αὐτοῦ θελήσει (or. chald. 18 οὐ τὸ θέλειν κατένευσε, καὶ ἤδη πάντ’ ἐτέτμητο. Firm. math. Ι 280, 17; de err. 68, 11, vgl. Dieterich Abraxas 31). Die Götter der Volksreligion, die in der Sinnenwelt walten, sind daher ganz von ihm zu scheiden; Iuppiter z. B. ist nur sein dispensator (Ascl. 27).

Der Nus oder Logos durchdringt in seinen Ausstrahlungen das All bis zum Menschen her­unter, er ist χωρητικὸς τῶν πάντων καὶ σωτήριος τῶν ὄντων (II 12); er ist Licht (I 6) oder Feuer (Χ 16. 18, vgl. Kroll 12ff. 68, 3; nach Poseidonios ist Gott πνεῦμα νοερὸν καὶ πυρῶδες Doxogr. 302, 19. Kroll 24, 1. Cumont La théologie solaire, Paris 1909, 15); daher erscheinen seine Wirkungen als Strahlen (II 12. X 22), ganz wie die des sichtbaren Gottes Helios (s. u.). Oder er ist das Pneuma (πνεῦμα λεπτὸν νοερόν III 1), das alles bewegt (I 13. Stob. I 389, 9 πνεῦμα … ἀπὸ τοῦ ἰδίου λαβὼν καὶ νοερῷ τοῦτο πυρὶ μίξας) und belebt (Ascl. 6 p. 41, 17 spiritus quo plena sunt omnia permixtus cunctis cuncta vivificat. 16 p. 51, 10. Cyrill. 556 c τούτου τοῦ πνεύ­ματος πάντα χρῄζει· τὰ γὰρ πάντα βαστάζον κατ’ ἀξίαν τὰ πάντα ζῳοποιεῖ καὶ τρέφει). Als der Mittler zwischen Gott und Welt gibt er dem H. Offenbarungen (I. XI). Um ihn ist der νοητὸς κόσμος, d. h. die Ideen (XVI), nach deren Vor­bild die Welt gestaltet ist (I 8. Kroll 23. Plat. Tim.), ebenso wie er selbst das Vorbild für die Seele ist (II 12).

Dieser göttlichen Sphäre steht die Materie gegenüber, die schlecht ist (s. o. S. 805; Stob. I 63, 1 ἀνθρώπων γένος … ἐκ κακῆς ὕλης συνεστός, vgl. Kroll 44) oder doch Wurzel des Schlechten werden kann (Ascl. 15 E) und als Gegensatz zu der Lichtwelt das Dunkel heißt (XIII 9. 11; s. o. Kroll 63). Aber auch sie ist unsterblich (VIII 3) und von Gott geschaffen (III 1? V 9. XII 22, vgl. πατρογενὴς ὕλη or. chald. bei Lyd. mens. 175, 9); man kann daher eine Stufenfolge ὕλη, ἀήρ, ψυχή, νοῦς, θεός aufstellen (V 11, vgl. XI 4). Anderwärts scheint sie Gott als zweites Prinzip gegenüberzustehen, so Ascl. 14 und I, dort aber mit der anderen Vorstellung in unklarer Weise vermischt. Sie wird von Gott mit Hilfe der Ideen oder des Logos gestaltet (I 10. VIII 3) und bildet die Unterlage der γένεσις (Stob. I 131, 2), das Substrat für die Sinnenwelt. Sofern diese von Gott geschaffen und erhalten wird ist sie vollkommen und so schön, daß man aus ihrer Schönheit, zumal der des gestirnten Himmels (Ascl. 25. XI 6f. Stob. I 386, 2) auf das Dasein [807] Gottes zurückschließen kann (Ascl. 27, vgl. XI 8). Der Kosmos heißt (platonisch) das größte und mächtigste ζῷον (VI 2. XI 4. Edw. Müller De Posid. Manilii auctore 32); er ist nach Gottes Ebenbild gestaltet (VIII 2. XII 15, vgl. Kroll 35 voῦ μὲν γὰρ μίμημα πέλει) und heißt deshalb auch Gottes Sohn (IX 8. X 14; so heißt der Logos I 6, vgl. XIII 4. Poseidonios hat die Welt parens noster genannt, Manil. IV 884, auf ihn werden also auch die philonischen Äußerungen über die Welt als Sohn Gottes zurückgehen, die Reitzenstein 41 aus Ägypten herleitet; Gott ist Vater der Welt, Plut. quaest. Plat. 1001 b) oder der zweite Gott (VIII 1. 2. IX 8. Ascl. 10. Stob. I 275, 3, vgl. Manil. I 523). Er ist als Ganzes unvergänglich, aber in seinen Teilen in unablässigem Werden begriffen (XI 3. XII 18; Gedanke des Poseidonios: Capelle Schrift von der Welt 24). Eben weil er der Veränderung unterliegt, ist er nicht gut (VI 2 ὅθεν ἀδύνατον ἐν γενέσει εἶναι τὸ ἀγαθόν, ἐν μόνῳ δὲ τῷ ἀγεννήτῳ. Χ 10. 12. XI 15), ja er kann geradezu πλήρωμα τῆς κακίας genannt werden (VI 4, vgl. Schrift an die Seele IV 1 mundus naturae ex rebus puris et immundis constat; er ist ein curarum atque aegritudinum domicilium [ebd. 8]; es gibt in ihm nur res tetrae aspectu, terribiles atque horribiles auditu, molestae atque ingratae gustatu, graves foetidaeque odoratu, squalidae spurcaeque tactu, ebd. XI 1), während andere diese Be­zeichnung nur der Erde beilegen wollen (IX 4. Schrift an die Seele XI 5, vgl. Kroll 62f.; de mund. 400a 5 ὁ θολερὸς τόπος οὗτος; über Poseidonios Heinze Xenokrates 135. Capelle 9, 2); auch die Schrift an die Seele bekämpft in c. 2 die Ansicht, daß die Welt fallaciae et fraudis domicilium sei. Wie überall, so steht auch hier neben der abstrakten Form der Lehre eine faß­liche. Zwar von den Göttern des griechischen Olymp ist kaum die Rede (Ascl. 19. 27), aber an ihre Stelle tritt der sichtbare Gott, der Himmel (Ascl. 3, platonisch, vgl. Wendland Schrift üb. die Vors. 72) und die sich an ihm bewegenden Gestirne. Den ersten Rang unter ihnen nimmt Helios ein, der geradezu als niederer Demiurg auftritt, Stob. I 293, 21 ἥλιος εἰκών ἐστι τοῦ ἐπουρανίου δημιουργοῦ θεοῦ · καθάπερ γὰρ ἐκεῖνος τὸ ὅλον ἐδημιούργησε, καὶ ὁ ἥλιος δημιουργεῖ τὰ ζῷα καὶ γεννᾷ τὰ φυτὰ καὶ τῶν πνευμάτων πρυ­τανεύει. V 3 ὁ ἥλιος θεὸς μέγιστος τῶν κατ’ οὐρανὸν θεῶν, ᾧ πάντες εἴκουσιν οἱ οὐράνιοι θεοὶ ὡσανεὶ βασιλεῖ καὶ δυνάστῃ. Χ 3. XV 5ff. Ascl. 29. Filastr. 10, 2 quem Hermes ille vanus paganus Trismegistus docuit post deum omnipotentem non alium nisi solem debere ipsum et homines adorare. Er ist das Abbild der Welt und das Vorbild des Menschen (XI 15). Das ist die aus der syrischen Religion stammende, nach Cumonts überzeugendem Nachweis (La théologie solaire, Paris 1909 = Mém. de l’Acad. des inscr. XII 2; s. auch Binder 78) durch Poseidonios aufgenom­mene Vorstellung, welche die Religion des Kaiser­reiches übermächtig bestimmt (Dieterich Abra­xas 54. Reitzenstein 197). Aber während seine Wirkung segensreich ist, während ein Strahl von ihm die uns schädlichen Dämonen lähmt (XV 16, vgl. Cumont 18), erscheinen die übrigen Plane­ten als göttliche Gewalten, unter deren Macht [808] der gewöhnliche Mensch seufzt (Maass Tages­götter 24). Sie sind die eigentlichen Herrscher in der γένεσις und werden deshalb in I 9 am Anfange der Schöpfung geschaffen (vgl. Leidener Kosmogonie bei Dieterich Abraxas 7, 5); Ascl. 3 caelum … administrator est omnium corporum, quorum augmenta detrimentaque sol et luna sortiti sunt (s. Bouché-Leclercq 521. Rohde Roman 228, 1. Boll Stud. üb. Ptolem. 135; läßt sich auf Poseidonios zurückführen). Sie sind die Ursachen der Veränderung, die durch die Um­drehung des Himmels bewirkt wird, Ascl. 35 (formae) immutantur totiens quot hora momenta habet circuli circumcurrentis. I 11. III 3. IX 5 ἡ κοσμικὴ φορὰ τρίβουσα (?) τὰς γενέσεις ποιὰς ποιεῖ, vgl. 6. 7 τὸ δὲ τάχος αὐτοῦ τῆς φορᾶς τὴν ποικιλίαν τῶν ποιῶν γενέσεων ἐργάζεται (zugrunde liegt die astrologische Lehre, nach der jeder Grad des Tierkreises [III 4] einen eigenen Einfluß aus­übt, vgl. Cic. div. II 89; die Meinung, daß diese ‚zodiakale‘ Astrologie spezifisch ägyptisch sei [z. B. Reitzenstein 231], trifft aber mindestens für die Entstehungszeit unserer Schriften nicht zu). Stob. I 321, 20. Ihr Walten in der Sinnenwelt ist die εἱμαρμένη, Ι 9. XV 16. Ascl. 19. 39f. Stob. I 82, 6 τῇ δὲ εἱμαρμένῃ ὑπηρετοῦσιν οἱ ἀστέρες … ὅπλον γὰρ εἱμαρμένης οἱ ἀστέρες (vgl. über die Lehre des Valentinos Clem. exc. Theod. 69–71. Dieterich Abraxas 74) oder ἀνάγκη (IX 8. Kroll 63) oder πρόνοια (Stob. I 62, 16. 72, 4. 277, 15), die über die gesamte γένεσις herrscht (I 15. Stob. I 63, 4. 278, 10). So ist unser Leib, der nach XIII 12 aus dem Tierkreis stammt, dem Fatum unterworfen und hat jedem der zwölf Zeichen eine Leidenschaft zu verdanken. I 16 schafft die Physis sieben Menschen ent­sprechend der Natur der sieben Planetengötter, wobei man durchaus nicht (mit Reitzenstein 111) an sieben Völker denken muß, sondern an verschiedene Temperamente usw. (Vett. Val. I 1 Bouché-Leclercq 428ff.). Bei den von den ζῴδια gebildeten Menschen in der Kore (Stob. I 394, 4) braucht man nicht an die Tierkreiszeichen zu denken, da das Wort auch die Planeten be­zeichnet (Maass Tagesgötter 126). Diese sind damals als στοιχεῖα verehrt worden (Kroll 25) und dadurch halb und halb mit den ebenso ge­nannten vier Elementen zusammengeflossen, die als personifizierte Mächte in der Kore erscheinen (Stob. I 403, 12; s. Diels Elementum 44). Der Sonne (s. o. S. 807) steht dabei gewissermaßen der Mond gegenüber, der recht eigentlich die Veränderungen in der Materie bewirkt und die Grenze zwischen sterblicher und unsterblicher Welt bildet (XI 7. Stob. I 461, 18), ganz ent­sprechend der aristotelischen, durch Poseidonios populär gewordenen Anschauung (Capelle a. O, 9, 2. M. Apelt Comm. Jenens. VIII 96).

So große Mühe auch auf die theoretische Begründung der Lehre von Gott und der Welt ver­wendet wird (z. B. wird in II die Lehre von der Bewegung eingehend erörtert), so hat sie doch ihre Bedeutung nur als Unterbau für die Erlösunglehre; das tritt vielleicht am deutlichsten in den nur arabisch erhaltenen Predigten an die menschliche Seele (u. S. 823) hervor. Diese Lehre beruht darauf, daß der Mensch zwischen Gottes- und Sinnenwelt in der Mitte steht, Ascl. 8 p. 48, [809] 20 itaque hominem conformat ex animi et cor­poris id est ex aeterna atque mortali natura, ut animal ita conformatum utraeque origini suae satisfacere possit. 10. 22. I 15 παρὰ πάντα τὰ ἐπὶ γῆς ζῷα διπλοῦς ἐστιν ὁ ἄνθρωπος, θνητὸς μὲν διὰ τὸ σῶμα, ἀθάνατος δὲ διὰ τὸν οὐσιώδη ἄνθρωπον (vgl. z. Β. Philo de opif. 73. 135). Sein Körper nämlich stammt von der Materie, seine Seele oder doch ihr vornehmster Teil ist ein Absenker des göttlichen Nus (oder Logos oder Pneuma, Stob. I 396, 15; aber nach XII 14 ist das Logos εἰκὼν νοῦ), IV 2: ὁ ἄνθρωπος τῶν ζῴων ἐπλεονέκτει καὶ τοῦ κόσμου διὰ τὸν λόγον καὶ τὸν νοῦν. XII 12 δύο ταῦτα τῷ ἀνθρώπῳ ὁ θεὸς παρὰ πάντα τὰ θνητὰ ζῷα ἐχαρίσατο, τόν τε νοῦν καὶ τὸν λόγον, ἰσότιμα τῇ ἀθανασίᾳ. Beides ist im Grunde identisch, vgl. Plut. de Is. 62 E. Philo migr. Abr. 3ff. Doch ist nach X 13 (17) der Logos eine notwendige Zwischenstufe, weil der irdische Körper nicht ohne weiteres die Unsterblichkeit des Nus ertragen kann: ὁ νοῦς ἐν τῷ λόγῳ, ὁ λόγος ἐν τῇ ψυχῇ, ἡ ψυχὴ ἐν τῷ πνεύματι, τὸ πνεῦμα ἐν τῷ σώματι (Kroll 47. Über den Logos bei Poseidonios Binder Dio u. Pos. 54. Schwanken zwischen Logos und Pneuma bei Philo: M. Apelt 135). Als Ausfluß des gött­lichen πῦρ ist unser Nus ein χρῆμα θερμόν (Stob. I 469, 22, vgl. Philo de fuga 133 ὁ νοῦς, ἔνθερμον καὶ πεπυρωμένον πνεῦμα. Dio or. XVII 19); er kann geradezu πατὴρ θεός genannt werden (I 6, wo der göttliche und der menschliche Nus so durcheinandergewirrt sind, daß auch durch An­nahme von Interpolationen, wie sie Reitzenstein und Zielinski versuchen, keine Klar­heit zu schaffen ist). So können die Seelen ge­radezu den Himmel als ihren Ahnen bezeichnen (Stob. I 396, 8, vgl. Manil. IV 884. Sen. ep. 120, 14); sie streben ebenso zu ihrem Element zurück wie alle anderen Dinge in der Welt (Schrift an die Seele V 4). Dazwischen schiebt sich manch­mal die platonische Anschauung von der Welt­seele, deren Teile die Einzelseelen sind (X 7. 15. Philo quod det. 90); aus Plat. Tim. 35 a. 41 d stammt auch das Bild vom Krater IV 4, vgl. Stob. I 389, 11. (Symbolon τρίτου κρατῆρος ἐγεύσω Dieterich Mithraslit. 214). Dagegen ist der Körper das Gewebe der Unkenntnis, die Stütze der Schlechtigkeit, der lebendige Tod, wie es in der kynisierenden Predigt VII 2 heißt (Norden In Varr. sat. 289. M. Apelt 99), er ist ein ἀγγεῖον (Stob. I 414, 9, vgl. Sen. ep. 92, 13. 34) und σκῆνος der Seele (XIII 12. Stob. I 291, 19, vgl. Onatas ebd. 139, 18), eine immunda vestis (Schrift an die Seele II 8). So kommt es zum Kampfe zwischen den beiden Teilen des Menschen, bei dem τὸ μὲν πρὸς τὸ ἀγαθὸν σπεύδει (vgl. IV 5. Kroll 52), τὰ δὲ πρὸς τὰ κακὰ καθέλκει (κατοικεῖ Hss.). Stob. Ι 274, 11, vgl. Χ 15. XII 6 (Plat. Phaidros). Der Körper zieht die Seele zu sich herab, beschwert sie (Stob. I 414, 4. Schrift an die Seele V 9), taucht sie in Fleisch und Blut unter (ebd. 461, 12) und wirkt durch seine Zusammensetzung, die je nach dem Vor­herrschen eines der vier Elemente verschieden ist, auf die Seele zurück (ebd. 468, 9), hindert sie namentlich an der νόησις Gottes (XI 21), die nur κατασχεθεισῶν τῶν σωματικῶν αἰσθήσεων möglich ist (I 1; s. u.). Vgl. Varr. ant. div. [810] frg. 32 Schm. (nach Poseidonios): animus non transit in vitia corporis, sed ex eius coniunctione impeditur nec exercet vim suam. Das Gute im Menschen ist daher nie ganz frei von Schlech­tigkeit (VI 3). Bisweilen heißt es auch nach der von Poseidonios aus Platon übernommenen Anschauung (Sen. ep. 92, 8. Apelt 110), daß die beiden niederen Seelenteile, θυμός und ἐπιθυμία, dem Körper, d. h. der Sünde dienen (XII 4, Stob. I 322, 2. 323, 18). Daher klagen in der Kore die Seelen in ergreifenden Tönen ὅτι … ἀπὸ τῆς μακαρίας μετὰ θεῶν πολιτείας εἰς ἄτιμα καὶ ταπεινὰ οὕτως ἐγκατειρχθόμεθα σκηνώματα (Stob. Ι 395, 20); die Einschließung in den Kör­per ist eine Strafe für frühere Sünden (398, 3. 461, 13; nach 392, 2 haben die Seelen ihre Be­fugnisse überschritten; vgl. Schrift an die Seele XI 2. 7. Cic. consol. fr. 8 M.), und erfolgt durch einen Fall, wenn nämlich die Seelen ihre gött­liche Natur vergessen (409, 11; orphisch, s. Diete­rich Nekyia 90). Daneben findet sich freilich auch die Auffassung, daß die Vereinigung von Leib und Seele ἁρμονία θεοῦ ὑπὸ ἀνάγκης γενο­μένη sei (Stob. I 460,3, pythagoreisch: Diels Vorsokr. II 2, 93. Plut. de procr. an. 22. Iambl. bei Stob. I 364, 19. Kroll 48), und das mag auf den Sprachgebrauch einwirken, nach dem ἁρμονία = εἱμαρμένη ist (I 15; s. auch Dio or. III 76. XL 35. Onatas bei Stob. I 139, 19. Binder 76f.).

Nun besitzen freilich nicht alle Menschen den Nus, sondern nur wenige Auserwählte. Auch das knüpft teils an stoische Lehre vom Vorrange der Weisen und poseidonische von singulares viri quorum neminem nisi iuvante deo talem fuisse credendum est (Cic. nat. deor. I 1650ff. III 14. Manil. I 758; vgl. Philons αὐτομαθὲς γένος congr. erud. 36; mut. nom. 84. Plut. gen. Socr. 24. Binder 69), teils an Mysterienlehren. Vgl. IV 3. XII 1. 4. Ascl. 7. 9 p. 44, 26 aliqui ergo ipsique paucissimi pura mente praediti. 18. Diese wenigen erkennen Gott, sind glücklich und haben göttliche Gedanken, die sie von der Masse unterscheiden (IX 4). Die übrigen, die ὑλικοί (IX 5, vgl. Clem. exc. Theod. 56) haben keine θεοπτικὴ δύναμις (Stob. I 63, 2), besitzen nur den Logos und kennen den eigentlichen Zweck des Daseins nicht (IV 4). Sie dagegen sind zur νόησις be­fähigt (IV 2. IX 1), d. h. zur Erkenntnis Gottes, die nur durch die Verwandtschaft mit ihm mög­lich wird (XI 20. Ascl. 5 prope deos accedit, qui se mente qua diis iunctus est divina religione diis iunxerit, vgl. Poseidonios bei Sext. log. I 93. Cic. leg. I 24); daher bedürfen sie keiner Belehrung, sondern nur einer Erinnerung (ΧIIΙ 2, platonisch-orphisch, d. h. poseidonisch; s. Boll o. Bd. VI S. 2368. Philo mut. nom. 84; Ev. Joh. 14, 26 [Reitzenstein 247] ist fern­zuhalten). Der Nus ist ihr Führer auf dem Wege zur Gnosis (X 21 nach Plat. Phaedr. 247 c, nicht ägyptisch trotz Reitzenstein 23, 5), die sich auf Erden am leichtesten durch Betrachtung des Himmels, des sensibilis deus (Ascl. 3) betätigt (V 3); dazu ist der Mensch befähigt (Ascl. 6 suspicit caelum. 9 p. 45, 1. 10 p. 46, 3. III 3. XII 20, vgl. Dickermann De argumentis quibusdam usw., Halle 1909, 15. 92), und dies hebt ihn über die anderen Geschöpfe empor und nähert [811] ihn der Gottheit. Nach der Schrift an die Seele (II 11) ist es der Zweck des menschlichen Da­seins, die richtige Erkenntnis und damit die Richtschnur für das Handeln zu gewinnen. Darum will I 13 der eben geschaffene Mensch τὸ κράτος τοῦ ἐπικειμένου ἐπὶ τοῦ πυρὸς κατανοῆσαι (nicht καταπονῆσαι). Es ist aber auch eine ‚selige Schau‘, in einem Augenblick die ganze Schönheit der Welt zu überblicken (V 5. Binder 70f. Badstübner 9); sie ist ‚voll von Unsterblichkeit‘ (X 4), denn der Mensch, der sich ganz in Gottes Wesen versenkt, kann schon im Körper zum Gotte werden (X 6). Dann muß er aber seine Sinne ruhen lassen, XIII 7: κατάργησον τοῦ σώματος τὰς αἰσθήσεις καὶ ἔσται ἡ γένεσις τῆς θεότητος, vgl. 11. 13. Ι 1. Schrift an die Seele X 7; so gerät er zuletzt in einen ekstatischen Zustand, XI 20 συναύξησον σεαυτὸν τῷ ἀμετρήτῳ μεγέθει, παντὸς σώματος ἐκπηδήσας καὶ πάντα χρόνον ὑπεράρας αἰὼν γενοῦ, καὶ νοήσεις τὸν θέον; vgl. Χ 5f. XII 1. XIII 3. Philo leg. all. II 25. III 41 (von hier aus wird auch der ἀπαθανατισμός des Pariser Zauberbuches verständlich). So wird der Mensch mit Gott vereinigt (X 23) oder ὅλον αὐτὸν εἰς οὐσίαν θεοῦ μεταβάλλει (Χ 6. Stob. Ι 408, 14), er ist der sterbliche Gott (X 25. XII 1 nach Heraklit frg. 62. Reitzenstein 128). Es heißt auch, daß Gott, von Liebe zu der schönen von ihm erschaffenen Welt erfüllt (vgl. VI 4 E. Binder 70), den Menschen bildet, damit er diese Schönheit betrachten (I 12. Ascl. 8) und ihn auf Erden vertreten könne (X 22. 25. Ascl. 8 p. 43, 23, vgl. Sen. ep. 92, 32. Eurypham. bei Stob. flor. 103, 27 p. 11, 1 M.). Ja, weil der Mensch auch an der sterblichen Natur Anteil hat, ist er sogar vor Gott bevorzugt (X 24, Ascl. 22). Weil er die Sinnenwelt auch wissenschaftlich er­forscht, macht er sich zum Herrn der Natur (X 25. XIII 11; nicht echt ägyptisch [Reitzenstein 238], sondern poseidonisch: Manil. IV 392 et transire tuum pectus mundoque potiri. Sen. ep. 88, 28. Philo congr. erud. 50. Cumont Le mysticisme astral, Brüssel 1909). Doch ist der menschliche Wissensdrang auch bedenklich (Stob. I 399, 18). So verdient denn der Mensch den Namen des dritten Gottes nach Gott und der Welt (Ascl. 10, dazu Thomas. VIII 5. Stob. I 275, 3; ζῷον θεῖον Χ 24). Weil die Lehre vom göttlichen Nus im Menschen recht eigentlich im Mittelpunkt steht, so kann geradezu von einer religio mentis gesprochen weiden (Ascl. 25 p. 63, 2).

Die Auserwählten heißen τέλειοι (IV 4), εὐσεβεῖς (Χ 19), οὐσιώδεις (IX 5, vgl. I 15), τοῦτο τὸ γένος (XIII 2, vgl. Philo mut. nom. 256; gigant. 53), vgl. I 22; ihre Zahl ist nur gering, Ascl. 22 sunt autem non multi aut admodum pauci, ita ut numerari etiam in mundo possint, religiosi. 23. Stob. I 277, 25. Sie sind bei der großen Menge, die ohne Nus ist, die Übel, zu­mal γαστριμαργία und πλάνη, für ein Glück hält (VI 3. 6, vgl. Sen. ep. 92, 7), und den Namen Menschen gar nicht verdient (X 24), unbeliebt, S. IX 4 διὰ τοῦτο οἱ ἐν γνώσει ὄντες οὔτε τοῖς πολλοῖς ἀρέσκουσιν οὔτε οἱ πολλοὶ αὐτοῖς, μεμηνέναι δὲ δοκοῦσι καὶ γέλωτα ὀφλισκάνουσι μισούμενοί τε καὶ καταφρονούμενοι καὶ τάχα που καὶ φονευόμενοι (vgl. Dio or. 8 Ε.). Stob. I 277, 21 τὰς μέντοι πρὸς τοὺς πολλοὺς ὁμιλίας παραιτοῦ .. [812] ὅτι τοῖς πολλοῖς δόξεις καταγέλαστος εἶναι (vgl. Pythagoras’ Gebot τὰς λεωφόρους μὴ βαδίζειν). Aber sie sind auch vor dieser bevorzugt, denn sie unterliegen nicht der schweren Herrschaft der εἱμαρμένη, deren Sklave der gewöhnliche Mensch­ ist (I 15). Das entspricht ganz der gnostischen Lehre: οὐ γὰρ ὑφ’ εἱμαρτὴν ἀγέλην πίπτουσι θεουργοί (Kroll 59. Bousset ο. Bd. VII S. 1518; auch der Zauberer betet: διαφύλαξόν με ἀπὸ πάσης τῆς ἰδίας μου ἀστρικῆς, ἀνάδυσόν μου τὴν σκληρὰν εἱμαρμένην, Dieterich Abraxas 178, 9. Vorbereitet ist das durch Anschauungen wie Sen. ep. 65, 20 quae sedes expectet animam solutam legibus servitutis humanae?). Vgl. XII 7. 9. Stob. II 161, 2. Lact. II 15, 6. Cyrill. 701 b εὐσεβοῦς γὰρ ἀνθρώπου καὶ ἁγνοῦ καὶ σεμνοῦ οὔτ’ ἂν δαίμων τις κακὸς οὔτε εἱμαρμένη κρατήσαι ποτὲ ἢ ἄρξαιεν. Diese Freiheit von der Herrschaft des Schicksals zeigt sich darin, daß sie nach dem Tode zu Gott eingehen, Ascl. 11 E, ut emeritos atque exutos mundana custodia nexibus mortalitatis absolutos naturae superioris parti id est divinae puros sanctosque restituat. I 19. 21. X 19, vgl. Sen. ep. 92, 30 deos aequat, illo tendit originis suae memor. Auf diese Rückkehr zu Gott dürfen sie schon hier hoffen (IV 4 ἡ πιστέυουσα ὅτι ἀνελεύσῃ), halten daher den Aufenthalt im Diesseits für ein Unglück und verachten den Körper mit seinen Lüsten (IV 5). Ganz ausgebildet findet sich die von Poseidonios aus älterem Glauben aufgenommene und von den Gnostikern weiter­gebildete Lehre von der Himmelfahrt der Seele (Dieterich Mithraslit. 201) in I; hier kehrt der Körper und die niederen Seelenteile zu ihrem Ursprung, nämlich zu den vielen Planetensphären zurück, während das Göttliche in uns zur Ogdoas d. h. zu Gott eingeht: τοῦτό ἐστι τὸ ἀγαθὸν τέλος, τοῖς γνῶσιν ἐσχηκόσιν, θεωθῆναι (Ι 26 vgl. Χ 6). Das ὑμνεῖν τὸν πατέρα (vgl. XIII 15) beim Aufstieg auch in den chaldaischen Orakeln (Kroll 54), die Ogdoas bei Valentinos und den Ophiten, nicht ägyptisch (Reitzenstein 53), sondern die über die sieben Planetengötter erhabene Welt. Das Trinken von ἀμβρόσιον ὕδωρ (Ι 29; vgl. Stob. I 385, 13, wo die ägyptische Vorstellung herrscht, s. Diod. I 25, 6 Reitzenstein Arch. f. Rel. VII 402), das die Menschen für die Heimkehr zu Gott stärkt (und die λήθη aufhebt, X 15), gehört mit den orphischen Vorstellungen vom Trinken aus der Mnemosynequelle zusammen (Dieterich Nekyia 95; Mithraslit. 171, anders Reitzenstein 337; vgl. Schrift an die Seele VI 8f.). Die Seele muß durchgehen durch χοροὺς δαιμόνων καὶ (κατὰ?) συνέχειαν καὶ δρόμους ἀστέρων IV 8, ganz wie in der Gnosis (Anz Texte u. Unt. XV 4, 27); in der Nähe des Mondes findet sie σωτηρικοὶ δαίμονες, die ihr beim Aufstiege helfen (Lyd. mens. 91, 8, vgl. Kroll 44). Dabei wird der Nus frei von den materiellen ἐνδύματα (= ὀχήματα Kroll 47), nimmt seine ursprüngliche feurige Gestalt an und wandelt frei in der Welt umher (X 16, vgl. Badstübner Beitr. z. Erkl. d. Schriften Senecas, Hamburg 1901; z. B. Sen. qu. nat. I pr. 8 totum circumit mundum). Doch soll nach X 15 die Erkenntnis Gottes der Aufstieg zum Olymp sein (scandere caelum Manil. IV 390), d. h. die ganze Lehre ist spiritualisiert; ebenso XIII 7ff., wo statt körperlicher Hüllen vielmehr Leidenschaften [813] bei der Himmelfahrt abgelegt werden (vgl. I 25); damit hängt die Lehre in den Versen des H. bei Stob. I 77, 14 zusammen (vgl. Labeo bei Serv. Aen. VI 714 Reitzenstein. 53; vergröbert ist sie im Berliner Zauberpapyrus, Reitzenstein 227). Der ganze Vorgang heißt παλιγγενεσία, eine Wiedergeburt im Geiste, die in XIII ausführlich geschildert wird; der Ausdruck ist ursprünglich orphisch (Rohde Psyche 428, 2), aber damals weit verbreitet; vgl. die Defixion aus Karthago bei Wünsch Rh. Mus. LV 249 ὁρκίζω σε τὸν θεόν τὸν τῆς παλιγγενεσίας Θὼθ Ἀρραβαυ. Hier ist er ver­geistigt und bedeutet die Wiedervereinigung mit Gott (doch s. III 3); Reitzenstein 215; Mysterienrel. 33. 105. Dieterich Mithraslit. 157. Sen. ep. 92, 31 magnus erat labor ire in caelum: redit. Für christlich (Ménard LXI) wird das heute niemand mehr halten; aber es ist auch nicht ägyptisch.

Die ἀσεβὴς ψυχή (Χ 19) dagegen erleidet Strafen, indem Gott sie turbinibus aeris ignis et aquae saepe discordantibus tradit, ut inter caelum et terram mundanis fluctibus in diversa semper aeternis poenis agitata rapiatur (Ascl. 28, Lehre des Poseidonios: Norden Aeneis VI S. 31; vgl. auch über Strafen der βιοθάνατοι Ascl. 29 mit Norden 11. Kroll 61,3). Namentlich aber werden bei ihrer Bestrafung die Dämonen verwendet (II 17. Philo conf. ling. 171), die durch die ganze Welt verteilt sind und den Menschen zu schlimmen Gedanken und Taten verleiten (IX 3. 5. X 21 εἰσδὺς εἰς τὴν ἀσεβεστάτην ψυχὴν αἰκίζεται αὐτὴν ταῖς τῶν ἁμαρτημάτων μάστιξιν. Ascl. 25 nocentes angeli vgl. Kroll 45. 61: weist auf jüdischen – philonischen? – Einfluß). Sie stehen unter einem daemoniarches, in dem natürlich Lact. II 14, 6 den Teufel wiedererkennt. Die ganze Welt ist voll von Seelen, die bis zu den Wohnsitzen der Götter vordringen (Stob. I 391, 8. 461, 21, Poseidonios: vgl. Philo somn. I 135. Max. Tyr. VIII 8 und Plutarchs Lehre, über die zuletzt Bock Unters. zu Plut., München 1910). Schon bei ihrem Falle in den Körper geleiten ἄγγελοι und δαίμονες die Seele, und nach ihrem Wesen richtet sich das Leben der Menschen (Stob. I 408, 24); dabei spielt Platons εἰληχὼς δαίμων mit, den Poseidonios auf­genommen hatte (Sen. ep. 41, 2). Die göttliche Vorsehung bedient sich bei der Einschließung der Seelen in Leiber zweier Diener, des ψυχοταμίας und ψυχοπομπός (Stob. I 464, 1, vgl. Max. Tyr. IX 6 mit Hobeins Anm.; H. als ταμίας ψυχῶν bei den Pythagoreern Diog. Laert. VIII 31). Strafende Dämonen also peinigen die sündhafte Seele mit Feuer (I 23. Lyd. mens. 91, 3. Dieterich Nekyia 196) und zwingen sie, in immer neue Menschen- und Tierleiber einzugehen (II 17. IV 8. X 7f. 20. Stob. I 397, 17. 465, 17; nur in Menschenleiber nach X 19; s. Kroll 62. Schmekel De Ovid. Pythag. doctrinae adumbratione 64).

Unklar bleibt, wie bei allen Mysterienlehren, wer nun eigentlich die Auserwählten sind, ob sie durch Geburt oder eigenes Verdienst zu ihrem Vorrang gelangen. Betont wird meist das letztere (s. o., Stob. I 397, 12) und gern das Bild von der αἵρεσις gebraucht (IV 6, vgl. Plat. rep. X 617 e; der dort stehende, auch sonst [Dieterich Nekyia 115, 1] beliebte Spruch αἰτία ἑλομένου, θεὸς ἀναίτιος wird IV 8 zitiert); die wahre Gottesfurcht [814] besteht darin, μὴ εἶναι κακόν (XII 23, vgl. Sen. ep. 92, 30 capax est noster animus, perfertur illo, si vitia non deprimant). Besonders die Schrift an die Seele ist voll von moralischen Paränesen und Warnungen vor den Verlockungen der Sinnenlust (z. Β. XI 7). Aber es heißt doch auch, daß die Bewegung des Himmels an dem Unterschiede von οὐσιώδεις und ὑλικοί die Schuld trage (IX 5), und es wird die schon von Chrysipp behandelte Frage erörtert, wie sich die Prädestination durch die εἱμαρμένη mit Lohn und Strafe verträgt (XII 5. Stob. I 73, 5). Es heißt ferner, daß schon im Himmel die Wohn­sitze der βασιλικαί (vgl. Sen. ep. 90, 5. Philo de opif. 148), εὐγενεῖς ψυχαί usw. geschieden sind (Stob. I 408. 8. 409, 19. 463, 14), und die Lehre von diesen verschiedenen Wohnsitzen wird ein­gehend spezialisiert (462, 2).

Zeigt schon der auf diesen Erörterungen ruhende Nachdruck, daß wir es mit nicht eigent­lich philosophischen, sondern eher mit theologischen Schriften zu tun haben, so wird das bestätigt durch den bisweilen sehr drastischen Predigtton, in den die Verfasser oft verfallen (I 27. V 8. VII 1 ποῖ φέρεσθε, ὦ ἂνθρωποι (= Plat. Clitoph. 407 a) μεθύοντες, τὸν τῆς ἀγνωσίας ἄκρατον οἶνον ἐκπιόντες; ὃν οὐδὲ φέρειν δύνασθε, ἀλλ’ ἤδη αὐτὸν καὶ ἐμεῖτε. στῆτε νήψαντες usw. (vgl. Kroll 15, 2; mit Dieterich Abraxas 134 direkten Einfluß des Valentinos an­zunehmen, ist unnötig. Ganz aus Predigten be­steht die arabische Schrift an die Seele), ferner die oft stark an Christliches erinnernden Schlußgebete (z. Β. Ι 31. XIII 16. 21. Ascl. 41, vgl. Dieterich Abraxas 67. Reitzenstein 220. Skutsch Arch. f. Rel. XIII 291. Wendland Gött. Nachr. 1910, 330) und plötzlichen An­reden an die Gottheit (V 10f.); mit θεολογεῖν wird auch in XVI das gemeinsame Disputieren bezeichnet. Vgl. über die Stellung der Gebete zu den christlichen Reitzenstein Gött. Anz. 1911, 550. Als das eigentliche Ziel erscheint die Erlösung des Menschen, das ἐνορμίζεσθαι τοῖς τῆς σωτηρίας λιμέσι (VII 1f.); Gott selbst führt den Menschen zu diesem Ziel (IX 5. Ascl. 41 p. 81, 8; σῴζειν braucht schon Poseidonios, Wendland Arch. Gesch. Phil. I 208) und zwar aus Mitleid (XIII 8; Liebe Gottes VI 4. So schon die Stoa: Diog. Laert. VII 151. Philo somn. I 147. Max. Tyr. VIII 7). Die Erlösung beruht auf der Erkenntnis Gottes und der ihn umgebenden Ideenwelt, τὴν τῶν ὄντων φύσιν μαθεῖν (XIV 1) ist eine wichtige Aufgabe des Menschen. Daher ist γνῶσις ein dominierender Begriff (IV 8. VII 2. X 9. ΧIIΙ 8; sie wird XIII 18 sogar apostrophiert, vgl. Dieterich Abraxas 148), und man betet zu Gott μὴ σφαλῆναι τῆς γνώσεως τῆς κατ’ οὐσίαν ἡμῶν (I 32); sie ist außer Nus und Logos Gottes Hauptge­schenk an uns (Ascl. 41). Wer erkennt, ist gut, fromm und bereits göttlich (X 9); τοῦτο μόνον σωτήριον ἀνθρώπῳ ἐστίν, ἡ γνῶσις τοῦ θεοῦ (Χ 15), und umgekehrt ist das Unglück der Seele die ἀγνωσία (VII 1. X 8; ähnlich schon stoisch die ἄνοια Kleanth. hymn. 17, ἄγνοια Epict. I 26, 6). Daher heißen die Auserwählten οἱ ἐν γνώσει ὄντες (IX 4), womit γνωστικοί nur um­schrieben wird. Wie die ursprüngliche Bedeutung [815] von γνῶσις dabei verloren geht, zeigt der Satz, daß die wahre Erkenntnis zuletzt zum Glauben (IX 10, vgl. Leidener Zauberpap. VII 17. Kroll 26, 2) und zum Verstummen führt (X 5 vgl. XIII 2. Kroll 16. Reitzenstein 264, 3. Pariser Zauberpap. 557ff.). Namentlich aber muß sie mit Frömmigkeit gepaart sein (VI 5): θεὸς γὰρ ῥύεται τὸν εὐσεβῆ ἐκ παντὸς κακοῦ · τὸ γὰρ ἓν καὶ μόνον ἐν ἀνθρώποις ἐστὶν ἀγαθὸν εὐσέβεια (Lact. II 15, 6; vgl. Kroll 65). ἀγὼν δὲ εὐσεβείας τὸ γνῶναι τὸν θεὸν καὶ μηδένα ἀδικῆσαι (Χ 19), und diesen Kampf muß die Seele ausfechten; die ärgste Strafe ist für sie nicht die Pein im Jenseits (s. o.), sondern die ἀσέβεια (X 20), ihre schlimmste Krankheit die ἀθεότης (ΧΙΙ 3).

Bei dieser abgeblaßten Religion bleibt es. Die einzigen Spuren, die auf eine Kultübung gedeutet werden könnten, bestehen darin, daß am Schluß des τέλειος λόγος gesagt wird: haec optantes convertimus nos ad puram et sine animalibus cenam, daß I 29 vor dem Schlafengehen gebetet wird, und daß man das Gebet ΧΙΙΙ 16 sprechen soll ἐν ὑπαίθρῳ τόπῳ νότῳ ἀνέμῳ ἀπο­βλέπων περὶ καταφορὰν τοῦ ἡλίου δύνοντος. Aber die ἀποχὴ ἐμψύχων war gerade in philosophischen Kreisen weit verbreitet (man denke an die Sextier), und gerade in XIII wird das Gebet als λογικὴ θυσία bezeichnet (18. 21; vgl. I 31), d. h. der Kenner der Lehre bringt keine wirklichen Opfer, vgl. Ascl. 41 hoc enim sacrilegii simile est, cum deum roges, tus ceteraque incendere; nihil enim deest ei, qui ipse est omnia aut in eo sunt omnia (neupythagoreisch, s. Ζeller III 24 159; über Poseid. Binder Dio und Poseidon 83, über Philon Schermann Phil. 69, 386). Das Abendgebet aber ist bereits den Griechen ver­traut gewesen, Plat. leg. X 887 e ἀνατέλλοντός τε ἡλίου καὶ σελήνης καὶ πρὸς δυσμὰς ἰόντων προκυλίσεις ἅμα καὶ προσκυνήσεις ἀκούοντές τε καὶ ὁρῶντες Ἑλλήνων τε καὶ βαρβάρων. Ovid. fast. II 635. Heraclit. alleg. 72 τελευταίῳ ἐπὶ κοίτην ἰόντες Ἑρμῇ σπένδουσιν. Heliodor. III 4 Ε. ἁψάμενοί τε λύχνον πρότερον καὶ τὰ κοιταῖα τοῖς νυχίοις θεοῖς ἐπισπείσαντες ὡς ἂν τῶν εἰωθότων τετελεσμένων ἐννυκτερεύειν … ἐγγίνοιτο. Auch der βαπτισμός der Seelen im Krater des Nus in IV 4 ist zu einem bloßen Bilde herab­gesunken, bei dem Christliches kaum mitspielt (Kroll Arch. f. Rel. VIII Beih. 31. Pringsheim Archaeol. Beitr. München 1905, 20).

V. Die Herkunft der Lehre. Die Dogmen entstammen durchaus der griechischen Philoso­phie, nicht der ägyptischen Religion, wenn auch Einzelheiten ägyptisch sein mögen. Namentlich Reitzenstein hat vieles aus dem Ägyptischen herleiten wollen, was sich ungezwungen in den Entwicklungsgang der späteren hellenischen Philosophie einfügen läßt. Ich habe durch die in § 4 gegebenen Parallelen, die sich leicht vermehren ließen, bereits angedeutet, daß gerade die zentralen Lehren (aber auch viele Einzelheiten) in die Richtung weisen, deren markantester Vertreter für uns (sicher aber nicht der einzige) Poseidonios ist. Doch sei auch hier darauf hingewiesen, daß er den grandiosen Ge­danken gefaßt hat, der Mensch könne durch Betrachtung der Schönheit der Welt und des [816] gestirnten Himmels in dauernder Verbindung mit Gott leben; denn die Gestirne gehören bereits der Welt jenseits des Mondes an und zeigen ihre Unveränderlichkeit und ἀλήθεια (s. o. Cic. Tusc. I 44; nat. deor. II 56. Capelle Schrift von der Welt 6, 4). Bei ihm wie in den Schriften des H. steht die Lehre im Mittelpunkt habitare deum sub pectore nostro in caelumque redire animas caeloque venire (Manil. IV 886; vgl. Firmic. math. VIII pr., vielleicht der bequemste Über­blick über die Lehre, und Dio or. XII, dazu H. Binder Dio Chrys. und Pos., Tübingen 1905), er hat den Menschen bereits ein Ebenbild Gottes (ebd. 895. Ovid. met. I 83. Cic. nat. deor. I 103 vgl. I 12 [VIII 2]) oder einen Mikrokosmos genannt (Cic. somn. Scip. 26. Oder Phil. Suppl. VII 296. 312). Wie populär solche Gedanken damals waren, zeigt am besten ihr Eindringen in die Grabdichtung (Rothstein zu Prop. III 18, 31). Das Verhältnis zu Poseidonios ist auch Reitzenstein nicht entgangen, aber er versucht z. B. S. 804, diesen in der begeisterten Schilderuug der Schönheit des Himmels von der ‚ägyptisch-hellenistischen Literatur‘ abhängig zu machen und hat überhaupt die Tendenz, die Mystik des Poseidonios aus einer ägyptisch-hermetischen abzuleiten. Aber wenn er die Stelle bei Vettius Valens 241, 19–33, die sich mit Poseidonios bei Sen. ad Marc. 18, 2 berührt, aus Nechepso her­leitet, der bereits den Poseidonios beeinflußt habe, so ist er im Irrtum; denn das Zitat aus Ne­chepso reicht nicht so weit, und jene Stelle des Valens geht auch schon auf Poseidonios zurück. So groß nun auch dessen Einfluß ist, so müssen wir sie durchaus als eine indirekte auffassen, da für die religiös gestimmte Philosophie jener Zeit seine Gedanken Gemeingut waren; neben Philon denke ich mir namentlich die üppig ins Kraut schießende neupythagoreische Literatur als Ver­mittlerin seiner Theologie.

Die Mystik des Poseidonios beruht teils auf pla­tonischen teils auf orphisch-pythagoreischen teils auf stoischen teils auf syrischen Elementen (Son­nenkult), und alle diese können wir in unseren Schriften nachweisen. Von Platon wirkt be­sonders der Timaios (namentlich auch auf die Kore), der durch den stark mit Mystik getränk­ten Kommentar des Poseidonios erst wieder po­pulär geworden war; vgl. (außer schon Ange­führtem) XI 7 (die Erde als ὑποστάθμη und τιθήνη) mit Tim. 49a; der Satz, daß Neid der Gottheit nicht zugesprochen werden dürfe (IV 3. V 2), steht Tim. 29 e. Phaidr. 247 a; die πυραμις bei Cyrill. 76, 552 d stammt aus Tim. 56 b, die Wendung ἠγάσθη τε καὶ im λόγος τέλειος (Lact. IV 6, 4) aus Tim. 37 d (Reitzenstein 304); die ἀλήθεια (VII 3. Stob. I 397, 4. 459, 21) aus Phaidr. 248b (Brinkmann Rh. Mus. LIV 104; den Phaidrosmythos hatte natürlich Poseidonios stark herangezogen, Altmann a. O. 42. Schmekel Philos. d. mittl. Stoa 271. 280); die Beschreibung des νοητόν als ἀχρώματον ἀσχημάτιστον ἀσώματον (XIII 6) und der νοῦς als κυβερνήτης der Seele (X 21. ΧII 4) aus Phaidr. 247 c; die Schilderung der Welterneuerung durch Gott Ascl. 26 aus Polit. 23 7d (Bernays Ges. Abh. I 336); das ‚Auge der Seele‘ (X 4. 5. XIII 17. Cyrill. 549 c) aus polit. VII 519 b. 533 b (sicher [817] von Poseidonios gebraucht: Cic. Tusc. I 45. Cumont Mystic. astral 10, 1); ἀκλινής XIII 11 aus Phaid. 109 a. Auch bei der Verwendung des Aion (XI 2. XIII 20? Ascl. 32, s. o.) spielt Platon mit, daneben wohl religiöse, noch nicht hinreichend aufgeklärte Vorstellungen (Cumont Mithras I 76. Reitzenstein 270. Kroll 27); schon auf der vielleicht noch augusteischer Zeit angehörenden Weihinschrift Dittenberger 757 ist Aion ganz philosophisch aufgefaßt. An Pythagoreisches erinnert (außer bereits Notiertem) die Benennung Gottes als ἕν, der Preis der Mo­nas in IV, die Ogdoas in I. XIII (doch s. u.), die δεκάς der Tugenden XIII 10, welche die δωδεκάς der Laster austreibt: dabei erklärt sich die Zwölfzahl aus den Tierkreiszeichen, die ψυχογόνος δεκάς aus Lehren wie Philol. frg. 11. Theol. arithm. 59; vgl. Altmann De Posid. Timaei commentatore, Berlin 1906, 21 (s. auch Reitzenstein 232. 290, der dies aus jüdischem Zahlenspiel herleiten will); zum Hervorgang der Zehn aus der Eins vgl. Orph. frg. 143. Hierher mag auch die Mannweiblichkeit Gottes gehören (I 9. Ascl. 20), die nicht auf dem Kultus, sondern auf Spekulation beruht; Gott enthält σπερματικῶς alle Wesen in sich und ist deshalb ἀρσενόθηλυς (auch Nus, wie I 9), Nicom. theol. ar. 5 (vgl. Altmann 53). Die orphischen Vorstel­lungen von der Doppelgeschlechtigkeit des Phanes (frg. 46, 4. 62. hymn. 6, 1. 30, 2. Avien. 2, 26) mögen unter pythagoreischem Einflüsse stehen; s. auch Lyd. mens. IV 17 bei Diels Vorsokr. 498 (Reitzenstein Arch. f. Rel. VII 398). Stoisch ist der Pantheismus (o. S. 804, vgl. V 9. IX 9. XV 3; zu der Spekulation über ἕν und ὄν vgl. Plat. Parm. 142 d u. ö.) und die ganze teleologische Naturbetrachtung: schön und zweckmäßig ist die Welt, der Mensch (V 6. Lact. de opif. 2, 6. 5, 13. 7ff. Capelle 25) und alle Lebewesen (Stob. I 464, 19; zu dem Argument von der zweckmäßigen Ausrüstung für den Kampf ums Dasein vgl. Dickermann a. O. Rossbroich De Ps.-Phocylideis, Münster 1910, 76); aus dieser Schönheit und Zweckmäßigkeit kann man auf Gott als den Schöpfer und Ordner des Alls zurückschließen (Ascl. 27. V 3ff.; über den Vergleich mit Kunst­werten s. Wendland Schrift üb. d. Vorsehung 14. Manil. I 483; de mund. 400 a 25). Stoisch ist das πῦρ νοερόν als Prinzip der Bewegung (Stob. I 389, 10) und δραστικόν (Ι 5, vgl. Zeller III 14, 134); die Vorstellung einer ἀποκατάστασις (XI 2. XII 5; sie ist auch mit der περίοδος Ι 17 gemeint, wobei astrologische Lehren mitwir­ken: Hultsch-Kroll zu Procl. in remp. II 386), die als eine von Gott zur Strafe verhängte Zerstörung inluvione vel igne vel morbis pestilentibus geschildert wird (gerade dies nach Po­seidonios, s. Wendland 12. Binder 63. Manil. IV 828); ferner das Weltbild der Kosmogonie in I (vgl. Wendland 64. Reitzenstein Zwei Fragen 65); endlich der λόγος προφορικός (XII 12) und ἐνδιάθετος (XIII 7, wohl λόγον für ανον zu schreiben).

Aber es wäre freilich verfehlt, die Lehren des H. ohne weiteres mit denen des Poseidonios oder eines verwandten Philosophen gleichzusetzen; denn der bei ihm nur gelegentlich hervor­brechende Mysticismns hat hier alle theoretischen [818] Elemente aufgesogen und dominiert völlig. Da­durch werden wir in die Richtung des jüngeren Pythagoreismus gewiesen, der schon bei Nigidius Figulus einen ganz religiösen Charakter annimmt und hier besonders auf die Lehre von der Tran­szendenz Gottes gewirkt zu haben scheint; vgl. auch die Heraushebung Gottes über den Nus bei Ps.-Archytas (Stob. I 280, 15): τὸ τοιοῦτον οὐ νόον μόνον εἶμεν δεῖ ἀλλὰ καὶ νόω τι κρέσσον (Zeller III 24, 133); Ähnliches aus Archainetos und Brotinos bei Syrian. 166, 4 (168, 19). Berührungen mit Numenios (o. S. 806) notiert Reitzenstein 305. Namentlich aber werden wir an die Religionsphilosophie Philons erinnert, dessen Wirkung sich besonders in I in den Vor­stellungen vom Logos und Urmenschen, ja viel­leicht auch vom Menschenhirten zeigt (Reitzen­stein 116; vgl. I 15 mit Philo de opif. 135); das fügt sich gut zu den philonischen Spuren in den chaldaeischen Orakeln (Kroll 65). Um­gekehrt Philon zum Exponenten der ägyptisch-griechischen Mystik d. h. der Hermetik zu machen, wie Reitzenstein will (z. Β. 188. 238, 3), er­scheint mir nicht angängig. Durch Philon mag wenigstens zum Teil die Bekanntschaft mit der LXX vermittelt sein, die bisweilen hervortritt; so in I 18 vgl. Gen. 1, 28; III 3 vgl. Gen. 1, 11. 26. 22 (Dieterich Abraxas 40); so wird auch πᾶσαν ἐν σαρκὶ ψυχήν ebd. aus der LXX stammen, obwohl die Philosophie seit Epikur den Sprachgebrauch kennt. In der Kore erinnert εἶπεν ὁ θεὸς καὶ ἦν (Stob. I 388, 20) an Gen. 1, 3; ἔπλασα καὶ καλὸν ὑπῆρχε καὶ ἐτερπόμην βλέπων μου τὸ ἔργον ebd. 394, 19 an Gen. 1, 31; vgl. auch ἄβυσσος III 1. XV 5 (oft in Zauber­texten), κτίζειν ‚erschaffen‘ usw. XIII 17. 20 (Schermann Texte u. Unters. XXXIV 2b, 31), κύ­ριος (? s. Deissmann Licht vom Osten 253), σκότος XIII 9. 11 (VII 2??) vgl. Reitzenstein 77. Kroll 63; s. auch Reitzensteins Anmerkungen zu den Texten.

Aber die eigentliche Parallele bietet doch nicht Philon, sondern die gnostischen Systeme, insofern auch sie auf einem nicht allzu fest ge­fügten philosophischen Unterbau eine Erlösungs­lehre basieren. Daß in der sog. Gnosis das Christliche nebensächlich ist, wissen wir heute, und ich habe daher hauptsächlich Analogien aus den von christlichen Elementen ganz freien chaldäischen Orakeln angeführt, um den Zusammen­hang darzutun. An die Gnosis erinnern die Kosmogonieen im Poimandres und der Kore; namentlich die in dieser häufigen Abstraktionen, Physis, Phonos, Heuresis, Phobos, Sige, Hypnos, Nomos usw., sind in gnostischer Spekulation be­liebt (Dieterich Abraxas 86. Deubner bei Roscher III 2091). Gnostisch ist der starre Dualismus (Bousset o. Bd. VII S. 1509), die Vorstellung von den Auserwählten, die allein dem gewöhnlichen Menschenschicksal zu entrinnen berufen sind (so gemeint der orphische Vers Diels Vorsokr. 480, 26 κύκλου δ’ ἐξέπταν βαρυπενθέος ἀργαλέοιο. Bousset 1537), die Vorschrift der Geheimhaltung (s. o. S. 810. Kroll 59, 2. Reitzenstein 142), die Mischung platoni­scher und stoischer Elemente mit pythagorei­schem Einschlag d. h. der Anschluß an Posei­donios. Gnostisch ist die Anschauung, daß φιλοσοφία [819] καὶ μαγεία ψυχὴν τρέφει (Stob. Ι 407, 4), ohne daß freilich unsere Schriften irgend welche Beziehungen zur magischen Praxis haben, ferner die Anschauung vom Einfluß der Planetengötter, welche die Brücke zur Astrologie schlägt und die Fabrikation so vieler astrologischer Bücher unter H.s Namen bewirkt hat. Nach Anz (Ur­sprung des Gnosticismus, Leipzig 1897) braucht man darüber nicht mehr ausführlich zu handeln; nur hat er den Fehler gemacht, diese Astrologie für babylonisch zu erklären, während sie vielmehr in der Form, in der sie seit dem 2. Jhdt. v. Chr. den ganzen hellenistischen Kulturkreis eroberte, griechisch war; auch hier hat Poseidonios, der das System des Nechepsa und Petosiris aufnahm, eine wichtige Vermittlerrolle gespielt. Während nun im allgemeinen die Hermetik als eine Pa­rallelerscheinung zu den übrigen gnostischen Bildungen aufzufassen sein wird, ist die Mög­lichkeit einer Rückwirkung solcher Systeme auf einzelne Schriften des H. doch nicht ganz abzu­zuweisen. Sie liegt besonders bei der ersten Schrift vor, wo außer der Ogdoas (o. S. 812) die Lehre vom Urmenschen auf gnostische Herkunft weist (Bousset Hauptprobleme der Gnosis, o. Bd. VII S. 1540). Reitzenstein (81) will einen ‚hellenistischen Mythos vom Gotte Ἄνθρωπος‘ wiedergewinnen, an den ich nicht glauben kann; vielmehr scheint Philon für die Entwicklung dieser Lehre eine entscheidende Rolle zu spielen; ich kann also auch nicht in dem Poimandresabschnitt über den Anthropos ‚das älteste gno­stische System, das wir kennen‘ (S. 114) wieder­finden, habe vielmehr gerade von dieser Schrift den Eindruck eines späten Synkretismus. Von einzelnen Berührungen mit der nächstverwandten gnostischen Bildung, den chaldäischen Orakeln, nenne ich noch den anscheinend übersinnliche und Sinnenwelt trennenden ὑμήν (X 11, vgl. Kroll 22. Bidez Rev. phil. 1903, 80. Cumont Cosmog. Manich. 26); das Bild λύπη καὶ ἡδονή, εἰς ἃς ἐμβᾶσα ἡ ψυχὴ βαπτίζεται (XII 2. IV 4. 6. Stob. Ι 461, 11, vgl. Heraclit. frg. 77. 117) vgl. Kroll 52, 1; die ἐνέργειαι Gottes als ἀκ­τῖνες X 22 (wo bei Gott im Grunde als die Sonne gedacht ist) ~ Kroll: 20 πάντα γὰρ ἔνθεν ἄρχεται εἰς τὸ κάτω τείνειν ἀκτῖνας ἀγητάς. Χ 13 ψυχὴ δὲ ἀνθρώπου ὀχεῖται τὸν τρόπον τοῦτον· ὁ νοῦς ἐν τῷ λόγῳ, ὁ λόγος ἐν τῇ ψυχῇ, ἡ ψυχὴ ἐν τῷ πνεύματι, τὸ πνεῦμα ἐν τῷ σώματι (vgl. XII 13) (~ Kroll 47 νοῦν μὲν ἐνὶ ψυχῇ ψυχὴν δ’ ἐνὶ σώματι ἀργῷ συνθεὶς ἐγκατέθηκε πατὴρ ἀνδρῶν τε θεῶν τε; doch wirkt die ebd. besprochene neupythagoreische Lehre vom πνεῦμα mit, vgl. Poseidonios bei Plut. de facie 28. [Plut.] de Hom. 122. 128. Plotin. II 9, 5. Porph. de antro 11. 25; de abst. I 31. Aber während die Chaldäer einen Feuerkult und magische Praxis trei­ben, während auch die übrigen Gnostiker sakramentale Handlungen kennen (Bousset a. O. 1521), ist hier alles bis zu einer allgemeinen, äußere Formen kaum innehaltenden Gottesverehrung abgeschwächt; der Hermetiker strebt, ähnlich wie Philon und Plotin, einer Ekstase zu, in der er sich mit Gott eins fühlt, und schöpft aus ihr die Gewißheit eines besseren Loses im Jenseits. Dadurch steht er jenen Markosiern nahe, die unter Ablehnung aller Sakramente [820] in der bloßen Erkenntnis der göttlichen Transzendenz die Erlösung fanden (Iren. I 21, 4. Reitzenstein Arch. f. Rel. VII 408); er ist Theosoph, nicht Theurg. Sehr nahe berührt sich mit dieser Anschauung Apollonios von Tyana bei Euseb. pr. ev. IV 13 (vgl. ep. 43).

Nach alledem kann ich an Gemeinden des Poimandres (um Christi Geburt) Nus und An­thropos usw., wie sie Reitzenstein 248 u. ö. annimmt, nicht glauben, also auch unsere Schrif­ten nicht für Liturgien dieser Gemeinden halten, vielmehr ist ihr Dasein rein literarisch. Das geht namentlich auch aus den gegenseitigen Zita­ten hervor (s. o. S. 796; vgl. XIII 15 ~ I 26. IX 9 ~ II 5?); eine Liturgie zitiert nicht. Die Aufnahme hermetischer Stellen in Zauberpapyri beweist nichts dagegen, ganz abgesehen davon, daß auch hinter diesen Texten nur ein Zauberer und keine Gemeinde steht. Sind aber unsere Schriften nicht in ägyptisch-hellenistischen Mysterienvereinen entstanden, so ist auch die Vor­stellung aufzugeben, daß uns in ihnen eine ägyptische Philosophie überliefert sei (Ménard XXXIII). Daß sie eine ekstatische Gottes­verehrung lehren, die man bei einem ‚wirklichen Griechen‘ vergebens suchen würde, ist richtig, aber Poseidonios und Philon sind eben auch keine wirklichen Griechen – ebensowenig frei­lich Ägypter. Die Anklänge an alte ägyptische Texte sind zweifellos interessant, aber ob sie bei der Verschwommenheit dieser Äußerungen zu irgend welchen Schlüssen berechtigen, erscheint zweifelhaft. Daß Einzelheiten ägyptisch sein können, wird man nicht bestreiten dürfen; aber auch bei ihnen müßte die Frage aufgeworfen werden, ob sie wirklich direkt aus der ägyp­tischen Religion in die schon in hellenistischer Zeit unter priesterlichem Einfluß entwickelte Hermetik eingedrungen und durch diese weiter verbreitet sind, wie Reitzenstein glaubt. Daß ägyptische Priester diese Schriften verfaßt hätten, ist schon von Otto Priester und Tempel II 218 bestritten worden; die vagen Vorstellungen von der Weis­heit z. B, der Ptahpriester (Reitzenstein 121, vgl. Diodor. XI 322. Pietschmann o. Bd. I S. 993) beweisen für die Abfassung der unter Asklepios’ Namen gehenden Schriften nicht das mindeste. Da mit dieser Grundanschauung Reitzensteins auch viele seiner einzelnen Behaup­tungen fallen, so ist eine eingehende Bestreitung derselben nicht am Platze; doch sei soviel aus­drücklich gesagt, daß von einem Einfluß der Hermetik auf die Bücher des Numa, die Bacchana­lien, Messalla und Nigidius Figulus meines Erachtens keine Rede sein kann (Reitzenstein 160).

VI. Entstehungszeit und Geschichte. Aus diesen Darlegungen ergiebt sich, daß man die Entstehungszeit unseres Corpus und der ver­wandten Schriften nicht gern über das 2. Jhdt. n. Chr. hinaufrücken wird. Dazu stimmen auch die äußeren Zeugnisse für solche Schriften. Die ältesten sind die des Athenagoras, der in c. 28 den H. Trismegistos als Zeugen für den menschlichen Ur­sprung der heidnischen Götter anführt (Geffcken Zwei Apologeten 224), und des Tertullian de an. 2 plerosque auctores etiam deos existimavit antiquitas, nedum divos, ut Mercurium Aegyptium, cui praecipue Plato adsuevit. 33 quod et [821] Mercurius Aegyptius novit, dicens animam digressam a corpore non refundi in animam universi, sed manere determinatam, uti rationem inquit patri reddat eorum quae in corpore gesserit; ad Valent. 15 age nunc discant Pythagorici … unde materia, quam innatam volunt, et originem et substantiam traxerit … quod nec Mercurius ille Trismegistus, magister omnium physicorum, recogitavit. Von diesen Stellen geht die zweite sicher auf keine der er­haltenen Schriften, und die dritte braucht es wenigstens nicht. Die übrigen älteren Zeugnisse lassen sich nicht mit den erhaltenen Büchern und solchen verwandten Inhaltes in Zusammen­hang bringen; so waren die von Plut. de Is. 61 genannten Schriften, in denen die Namen der Götter standen und ägyptische Gottheiten mit griechischen gleichgesetzt wurden, anderer Art. Astrologische Offenbarungen des H. wollen zuerst Nechepso und Petosiris (2. Jhdt. v. Chr.) durch Vermittlung des Asklepios empfangen haben (s. o. S. 800. Manil. I 30 tu princeps auctorque sacri Cyllenie tanti … 41 regales animos primum dignata movere), d. h. es bestand schon damals die Form der Mitteilung an den jüngeren Gott, die später von den theosophischen Schriften übernommen wurde (Kroll Neue Jahrb. VII 572). Maßgebend war dabei, daß H. zugleich Planeten­gott war; doch ist das später verschleiert worden; s. Aug. civ. dei XVIII 39 Atlans ille magnus astrologus … maternus avus Mercurii maioris, cuius nepos fuit Trismegistus iste Mercurius (zu verbinden mit Serv. Aen. I 741: Atlas der Astronom nepotem suum Mercurium et Herculem docuisse dicitur). Die erste bezeugte Schrift dieser Art ist das Buch des Pamphilos (frühestens unter Tiberius) über die Pflanzen der Dekane (o. S. 797). Die Fabrikation astrologischer Schrif­ten ist dann immer weiter gegangen; wenn dem Malalas (XIII 343 D.) zu trauen ist, hat Theon (unter Gratian) sich mit ihrer Erläuterung ab­gegeben.

Die erhaltenen Schriften setzte man früher zu weit herunter, weil man erst christliche, dann neuplatonische Einflüsse in ihnen zu finden glaubte (Dieterich Abraxas 86. 134). Von jenen kann gar nicht die Rede sein; Einwirkung der Lehre Plotins ist nicht von vornherein abzulehnen, scheint aber nicht nachweisbar zu sein, da die Transzendenz Gottes schon von Pythagoreern mit ähnlichen Farben geschildert war und theo­logische Schriften in ihren Äußerungen darüber naturgemäß weiter gehen als philosophische. Aber freilich beweist das Fehlen plotinischer Lehren in dieser Literatur auch nicht, daß sie unbedingt älter sein muß. Wichtig ist, daß das Schlußgebet des Poimandres in einem Papyrus des 3. Jhdts. steht (o. S. 794). So möchte ich das 3. Jhdt. als die mittlere Entstehungszeit annehmen; Reitzenstein 208 will die Mehr­zahl ins 2. Jhdt. setzen. Offen bleibt dabei immer die Frage, ob die Schriften uns in der ursprünglichen Gestalt vorliegen, und die Mög­lichkeit kleiner Abänderungen ist zuzugeben; aber an eine Umgestaltung in der Gemeinde (Reitzenstein 213) kann ich aus den ange­führten Gründen nicht glauben, und stehe auch dem Versuche, die Urform des Poimandres durch [822] Ausscheidung von Interpolationen wiederzuge­winnen, sehr skeptisch gegenüber, weil die phi­losophische Logik hier versagt.

Was den λόγος τέλειος anlangt, so läßt sich die von Bernays Ges. Abh. I 327 gegebene Zeitbestimmung nicht aufrecht erhalten. Er wollte Ascl. 25f. auf Constantius’ Parteinahme gegen das Heidentum beziehen und diesen Ab­schnitt als einen jüngeren Zusatz in eine zu Beginn des 3. Jhdts. verfaßte Schrift erklären. Doch sind Stimmungen wie die hier geäußerten vielleicht schon gegen Ende des 3. Jhdts. mög­lich, und auf diese Zeit scheint auch c. 12. 14. 24 zu weisen (Zeller III 24 244). Doch ist es mißlich, den lateinischen Text ohne weiteres in allen Einzelheiten mit dem von Lactanz ums J. 310 benützten griechischen Original gleichzu­setzen (Reitzenstein 195), und so mögen jene Äußerungen vom Übersetzer herrühren, ohne des­halb weit unter den Beginn des 4. Jhdts. ge­rückt werden zu müssen.

Es konnte nicht ausbleiben, daß die Christen früh auf diesen Kronzeugen für ihre Dogmen aufmerksam wurden, und es mag sein, daß manche seiner Sätze durch sie eine leise Umformung er­fahren haben. Zuerst beruft sich auf ihn Cyprian quod idol. 6 H. quoque Trismegistus unum deum loquitur eumque incomprehensibilem adque inaestimabilem confitetur; dann Ps.-Iustin. cohort. 38 und besonders Lactanz (s. Brandts Index), der in den Inst. (IV 6, 4. 7, 3. VII 13, 3. 18, 4) hermetische Lehren heranzieht und in de opificio dei eine Schrift benützt, in der die Schönheit und Zweckmäßigkeit des menschlichen Körpers eingehend gepriesen war (Brandt Wien. Stud. XIII 272), vielleicht die Ἀφροδίτη (s. o.); ferner Kyrillos. Was er von der Erhabenheit Gottes, von Gottes Sohn, vom Wert der Fröm­migkeit gesagt hatte, wird von ihnen mit Vor­liebe angeführt. Christlich mußte auch der Name Poimandres erscheinen; doch mag an die weit­verbreitete Vorstellung von Attis als Hirten erinnert sein (Hepding Attis 103), namentlich aber an H. κριοφόρος (Preller-Robert 398); Ποίμανδρος und Ποιμάνωρ begegnen als Eigen­namen (G. Neumann De nominibus Boeotorum, Königsberg 1908, 28). Lebendig ist das Bild des Hirten noch im christlichen Hermas Pastor, auf den schon Hilgers a. O. hingewiesen hat; doch ist nicht etwa dieser im Poimandres des H. benützt, sondern (wie Reitzenstein 11 zeigt) beide gehen auf eine ältere H.-Vision zurück, die freilich in unserer Schrift stark abgeblaßt ist. Wenn er in riesenhafter Gestalt erscheint, so ist das nichts der hermetischen Literatur Eigentümliches (Reitzenstein 12, 2), sondern bei Geistern allgemein üblich (Stein zu Herod. I 68. Ηeinze Vergils Technik 60, 1. Ovid. fast. II 503. Plin. ep. VII 27, 2). Wichtig ist, daß Philon de agric. 39 das Bild vom Hirten als dem Erzieher der Menschheit, der zuletzt (48. 50) mit dem Nus und der Gottheit gleichgesetzt wird, breit ausführt (Ménard XLV), so daß die Annahme der Abhängigkeit sehr nahe liegt. – Anthimos. († J. 302) führt gnostische Lehren auf H. zurück, Mercati Studi e testi V, Rom 1901, 96ff.

Obwohl die erhaltenen Schriften des H. keinen Kult voraussetzen, haben sich doch in späterer [823] Zeit, als sein Name einen großen Klang hatte, Kultgemeinden gnostischen Charakters auf seine Offenbarungen berufen und heilige Bücher unter seinem und Agathodaimons Namen besessen, nämlich die mesopotamische Sekte der Sabier oder Harraniter, die bis tief in die islamitischen Zeiten hinein bestanden hat (Chwolsohn Die Ssabier, Petersburg 1856. Dozys-Goejes Actes des congrès des Orientalistes à Leide II 1, 281. Reitzenstein 165). Eine große Rolle spielte H. bei den Arabern, denen er als Verfasser phi­losophischer, astronomischer und medizinischer Bücher galt; Masala (um 800 n. Chr.) behauptet 24 astrologische Werke von ihm zu kennen (Catal. cod. astrol. I 82, 8 vgl. V 1, 98ff.); ein Werk über magische Wirkung der Buchstaben nennt z. Β. Boll Sphaera 469, 1; eine Schrift an die menschliche Seele hat Fleischer Leipzig 1870 und Bardenhewer (De castigatione animae libellus) Bonn 1873 herausgegeben; sie be­wegt sich in der Hauptsache in hermetischen Gedanken, bietet aber manche Besonderheiten, die noch untersucht werden müssen. Vieles da­von wurde ins Lateinische übertragen und z. Β. im Speculum astronomicum des Albertus Magnus benützt und so der Name des H. als eines großen Weisen der Vorzeit dem Abendlande übermittelt (Steinschneider ZDMG L 187. Ztschr. f. Math. u. Phys. XVI 371. Bardenhewer a. O. X). Als solchen schätzte ihn die Florentinische Akademie, durch die Ficinus beeinflußt war (o. S. 796), vielleicht auch der Künstler, der ihn auf dem Fußboden des Domes von Siena verewigte. H. der Alchemist wurde besonders durch die sog. Tabula Smaragdina berühmt, eine kurze Samm­lung orakelhafter Aussprüche, hinter denen man den Schlüssel zur Kunst der Goldmacherei suchte (Kopp a. O. 375).

Nachdem in neuerer Zeit der um H. lagernde mystische Nebel zerstreut war, hat namentlich Zellers lichtvolle Darstellung seiner Lehre auf­klärend gewirkt. Eine religionsgeschichtliche Einordnung hat nach einem mißglückten Ver­suche von Hilgers De H. Tr. Poemandro, Bonn 1855, den Poimandres auf die Therapeuten zu­rückzuführen, und dem ersten Vorstoß von Ménard zuerst Dieterich und mit umfassender Gelehrsamkeit und eindringendem Scharfsinn Reitzenstein versucht, dessen Resultate aber vielfach der Korrektur bedürfen (Kroll Berl. Woch. 1906, 481. Cumont Relig. Orient. 274. Zielinski Arch. Rel. VIII 321. IX 25, der aber selbst ins Phantasieren gerät). Unwissenschaft­lich sind die Arbeiten von F. Gregor Journ. theol. stud. V 395. Flinders Petrie Personal Religion in Egypt, London 1909.

Anmerkungen (Original)

  1. Ich zitiere die Schriften des Corpus mit lateinischen Ziffern ohne Zusatz.
  2. Christliche Zusätze (z. Β. ὁμοούσιος γὰρ ἦν Ι 10) wollte schon Moehler (Patrologie I 954) als Interpolationen beseitigen.
  3. Wo im Folgenden Kroll ohne Zusatz zitiert wird, ist meine Arbeit De oraculis Chaldaicis (Bresl. phil. Abh. VII 1) gemeint.