RE:Incendium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Brandstiftung
Band IX,2 (1916) S. 12441245
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Incendium, d. i. Brandstiftung, Anlegen von Feuer an eine Sache, wurde sowohl wegen des Vermögensschadens als wegen der Gefährdung von Menschenleben mit Strafe bedroht. Daß schon die XII Tafeln eine Strafdrohung wegen I. enthielten, ist nach einer in Dig. XLVII 9, 9 enthaltenen Stelle aus Gai. lib. IV ad legem XII tab. (tab. 8, 10) sicher, ihr Inhalt aber unbekannt, denn die, von Gaius mitgeteilte Strafdrohung (vinctus verberatus igni necari iubetur) ist nach der Form der Äußerung die zur Zeit des Gaius geltende Drohung; der Tatbestand: qui aedes acervumve frumenti iuxta domum positum combusserit spricht in seinem zweiten Teile für die Entstehung in sehr früher Zeit, als die Aufspeicherung von Getreide unmittelbar neben dem Wohnhause noch gebräuchlich war.

Am Ende der Republik wurde die Brandstiftung teils als Tötungsdelikt durch die Lex Cornelia de sicariis et veneficis (Dig. XLVIII 8, 1 pr.) teils als crimen vis durch verschiedene Gesetze (Lex Plotia, Lex Pompeia, Lex Iulia Augusti Dig. XLVIII 6, 5. Cod. VIII 4, 2. 4. 5. IX 12, 6. 8) bedroht. Nach der Lex Cornelia wurde gestraft, wer innerhalb Roms und im Umkreis von 1000 Schritten (passus = 5 Fuß) vorsätzlich Brandstiftung begangen hatte, ohne daß jedoch, wie bei den übrigen Tatbeständen des nämlichen Gesetzes die Richtung des Willens auf die Tötung durch die Worte: hominis occidendi oder necandi causa ausdrückliche Erwähnung fand; Coll. I 3 und XII 5, 1. Die vorsätzliche Brandstiftung ist also um ihrer selbst willen und als Gefährdung von Menschenleben, nicht bloß als Tötungsmittel berücksichtigt; als Motive werden besonders hervorgehoben: inimicitiae und praedae causa Coll. XII 2. 6. Paull. rec. sent. V 20, 2. Dig. XLVIII 19, 28, 12. Ebenso bezeichnete die Lex Cornelia den Gegenstand nicht; da sie jedes mortis causam praebere treffen wollte (Dig. XLVIII 8, 15. Coll. I 2 und VIII 4. Paull. rec. sent. V 23, 1), traf sie jeden Fall, in welchem die Brandstiftung als Tötungsmittel in Betracht kam, wenn auch der Gegenstand kein Haus, Hütte oder dgl. war; die Lex Cornelia bedrohte den Versuch gleich der Vollendung, denn in lege Cornelia dolus pro facto accipitur Dig. XLVIII 8, 7 und 14). Als Strafe war summum supplicium angedroht: Paull. rec. sent. V 3, 6. Dig. [1245] XLVIII 8, 16. XLVIII 19, 28, 12. Summa supplicia sunt crux, crematio, decollatio; Paull. rec. sent. V 17, 3. Es wurde jedoch in der Praxis unterschieden, ob die Tat in Rom oder außerhalb Roms geschehen war, ob der Täter zu den humiliores oder zu den honestiores gehörte; die Tat in Rom wurde mit dem Tode bestraft; sonst wurden humiliores wilden Tieren vorgeworfen oder zur Zwangsarbeit, honestiores aber zur Deportation oder zur relegatio in insulam verurteilt; Paull. rec. sent. V 20, 2. Coll. XII 5. Dig. XLVII 9, 12, 1. XLVIII 8, 3, 5 und 16. Die Praxis wandte die Lex Cornelia auch auf andere Städte als Rom, sowie auf die vorsätzliche Brandstiftung an der Wein- und Olivenernte an, Paull. rec. sent. V 20, 5. Coll. XII 3, 2.

Unter dem Einfluß der Bürgerkriege hatte mit andern Gewalttätigkeiten auch die Brandstiftung zugenommen, was für die Zeit des Augustus Dig. I 15, 1–3 pr. bezeugt. Die Gesetzgebung über das crimen vis wandte sich gegen diejenigen, qui coetu, concursu, turba, seditione incendium fecerint. Augustus rechnete die Brandstiftung zur vis privata, welche mit der Einziehung des dritten Teiles des Vermögens und mit der Unfähigkeit zu Ehrenämtern bestraft wurde, Dig. XLVIII 7, 1. Paull. rec. sent. V 26, 3 erwähnt als Strafe gegen humiliores die Verurteilung zur Zwangsarbeit in Bergwerken, gegen honestiores die Relegation.

Bei fahrlässiger Brandstiftung konnte ursprünglich nur aus der Lex Aquilia geklagt werden; nach Einführung der extraordinaria cognitio wurden bei grober Fahrlässigkeit leichte Strafen verhängt; Dig. I 15, 3. 4. Dig. XLVII 9, 11. XLVIII 19, 28, 12. Infolge des in diesem Verfahren waltenden freien Ermessens kam es auch vor, daß das nämliche Delikt in verschiedenen Provinzen des Reiches verschieden strenge Strafen erfuhr, Dig. XLVIII 19, 16, 9. Für die Aburteilung der in der Stadt begangenen Brandstiftung war bei vorsätzlicher Begehung der Praefectus urbi, sonst der Praefectus vigilum zuständig, Dig. I 15, 4.

Literatur: Bruns Fontes. Binding Lehrbuch d. gemeinen deutschen Strafrechts. Besonderer Teil II 1, 10. Mommsen R. Strafr. 646. 837. Rein Kriminalrecht d. Römer 765ff. C. G. Wächter De crimine incendii 1833.