Reichs-Hofrats-Ordnung

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Textdaten
Autor: Ferdinand III.
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Titel: Reichs-Hof-Raths-Ordnung. — — 1654, März 16.
Untertitel:
aus: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit / bearb. von Karl Zeumer, Seite 446 ff.
Herausgeber: Karl Zeumer
Auflage: Zweite vermehrte Auflage
Entstehungsdatum: 16. März 1654
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: Digitalisat des Deutschen Rechtswörterbuches
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Nr. 199. (172). Reichs-Hofrats-Ordnung (Auszug). — 1654, März 16.

NS. d. RA. IV, Zugabe S. 44—75. Die Grundlage bilden z. T. die Reichs-Hofrats-Ordnungen Ferdinands I. v. 1559, Apr. 3, Rudolfs II. (undatiert) und Matthias’ v. 1617, Juli 3. bei Joh. Chr. von Uffenbach, Tractatus de consilio caesareo-imperiali aulico (Vom Kays. Reichs-Hoff-Rath), Wien 1683, Mantissa I, S. 5—40.


Reichs-Hof-Raths-Ordnung.
Tit. I.

Wir Ferdinand der Dritte, von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kayser —.

§ 1. Unser Kayserlicher Reichs-Hof-Rath[1], dessen obristes Haupt und Richter allein Wir und ein jeder Römischer Kayser selbst ist, solle hinfüro jederzeit mit einem verständigen und, wie zu Führung eines solchen Amts vonnothen, wol-qualificirten Präsidenten, der ein Reichs-Fürst, Graff oder Herren-Stands seye, mit genugsamer Anzahl Reichs-Hof-Räthen, gleichfalls von Fürsten, Grafen oder Herren, Rittermäßigen, graduirten oder sonsten gelehrten, wolerfahrnen, ansehentlichen, frommen und geschickten Personen, so im Reich Deutscher Nation gebohrn, erzogen, und auch der Teutschen Sprach wolerfahren[2], gutes Namens und Herkommens, bevorab auch darinnen begüttert, in [444] den Rechten und Reichs-Sachen wolgeübt. Und die gerichtliche Processen zu referiren tauglich und geschickt seyn, damit männiglich schleunige und unpartheyische Justitia administrirt, besetzt werden.

§ 2. Und dieweil die allzugrosse Menge der Räthe nur zu mehrer Verlängerung der Raths-Geschafften gereicht, also haben Wir Uns allergnädigst resolvirt, daß hinfüro jetztermeldtes Unsers Reichs-Hof-Raths Mittel über achtzehen Personen, mit eingeschlossen des Reichs-Hof-Raths-Präsidenten (ausser des Reichs-Vice-Cantzlers) sich nicht erstrecken soll; gestaltsam Wir auch keinen neuen Rath annehmen oder resolviren wollen, biß ein ordentliche Vacanz von obgemeldten achtzehen Personen sich ereignen wird.

Wir wollen auch unter diesen achtzehen Personen sechs vom Herrn-, Ritter- und Gelehrten-Stand der Augspurgischeu Confession Verwandte und der Reichs-Sachen erfahrne Männer aus denen Reichs-Craisen, darinn entweder die Augspurgische Confessions-Verwandte allein, oder zugleich die Catholische Religion im Schwang gehet, annehmen, damit auf begebenden Fall die Gleichheit der Richter von beeder Religion Assessorn observirt werden möge; thun auch hiemit befehlen, daß nicht allein bey dem Cammer-Gericht, sondern auch bey Unserem Kayserl. Reichs-Hof-Rath so wol geistliche als auch weltliche Sachen, so zwischen den Catholischen und Augspurgischeu Confeßions-Verwandten schweben, oder auch wann Catholische wider Catholische streiten, und der tertius Interveniens ein Augspurgischer Confeßions-Verwandter ist, und hinwiederum, wann der Streit zwischen der Augspurgischen Confession zugethanen Ständen wäre, und der tertius Interveniens ein Catholischer seyn würde, mit Zuziehung beederseits Assessorn in gleicher Anzahl erörtert und entschieden werden. Und eben diese Gleichheit der Assessorn soll auch observirt werden, so offt ein Augspurgischer Confeßions-Verwandter unmittelbarer Stand oder ein unmittelbarer Catholischer von einem mittelbaren Augspurgischen Confeßions-Stand für Gericht besprochen wird.

§ 3. Alle diese achtzehen Personen sollen dem Reichs-Hof-Rath stets beywohnen, darinnen ohne Unterscheid des Stands gebührlich referieren und Unserem Kayserl. Hof je und allezeit, welcher Orten derselbig gehalten wird, nachfolgen. —

Tit. II.

§ 1. In Unserem Reichs-Hof-Rath sollen alle und jede Sachen, das Heilige Römische Reich, desselben Hochheit, Recht, Herrlichkeit, Gerechtigkeit, Pfandschafft, Lösung, Regalien, hohe und niedere Lehen, Privilegien, Indult, Confirmation und anders, wie solches Namen haben mag, und in Summa, was nach der unfehlbaren Justitien dirigirt und decidirt werden solle, insonderheit alle und jede Parthey-Sachen, die Rechts, Gewohnheit, Connexität und Consequenz halber für Unser Kayserl. Gericht gehören, oder von den ersten Instantien durch Mittel der Appellationen, Supplicationen, Dictionis nullitatis, Implorationis Officii oder in andere alleweeg sich dahin wenden, fundirt und gehörig seyn, die sollen allda angenommen, gerechtfertiget, darüber erkennet und die Nothdurfft ausgefertiget werden.

§ 2. Wir befehlen auch hiemit Unserem Reichs-Hof-Raths-Präsidenten und Räthen ernstlich und wollen, daß sie in Erkennung der Citationen, Rescripten, Mandaten und andern Processen nicht bloß allein Unser Kayserl. Hochheit, sondern auch Unsere und des Heiligen Reichs Churfürsten, Fürsten, Grafen, Herren, Stände, Gefreyter Reichs-Ritterschafft, Reichs-Städten und anderer mittel- und unmittelbahren Unterthanen Privilegia der ersten Instanz, Jura Austregarum, Privilegia de non appellando und der Summa, unter welcher man nicht appelliren und die Sach an höhere Gericht bringen kan, aller Gebühr nach sorgsamlich in acht nehmen und den Reichs-Ständen unberührt verbleiben lassen, darwider auch durch Mandata, Commissiones, Advocationes oder auf einige andere Weiß niemand beunruhigen oder beschwehren, sondern in Erkantniß der Proceß, auch Annehmung der Appellation sich den gemeinen Rechten, Reichs-Abschieden und wolverordneten Satzungen, ohne Verletzung der Ständ Privilegien, gemäß verhalten; und da etwa in Unserem Reichs-Hof-Rath Sachen fürkämen, darinnen die Unterthanen wider ihre ordentliche Obrigkeiten sich beschweren, soll es mit denselbigen also gehalten werden, wie es im Reichs-Abschied de Anno 1594. §. „Wann[3] aber von gemeiner Interlocutori etc. et seq.“ versehen, nemlich wann aus den narratis aupplicationis vel appellationis erscheinen würde, daß die Obrigkeit tanquam pars und als ein Widersacher, nicht aber als ein Richter gehandelt, alsdann die Sachen an die Richter erster Instanz gewiesen, wann aber die Obrigkeit als Iudex iure et vi suae potestatis et Iurisdictionis für sich selbst oder auf eines anderen Anhalten ihren Untertanen oder einem anderen ausser Gerichts mit beschwerlichen Bescheiden, Gebott und Verbott oder Geld-Straffen gravirt und darvon appellirt worden, solche Appellationes angenommen werden sollen.

§ 8. So wollen wir auch, daß Unser Reichs-Hof-Rath sonsten und in denen Fällen, darinnen Wir und Unsere Vorfahren am Reich Unserm Cammer-Gericht concurrentem Iurisdictionem zu mehrer Befürderung der Partheyen und Unserer Übertragung mitgetheilt haben, demselben seinen stracken Lauff lassen und per avocationem causarum nicht verhindern, wann nemlich solche Sachen allbereit daselbst durch ausgewürckt- und insinuirte Citation anhängig gemacht worden, darauf dann Unsere Reichs-Hof-Räthe ein sonderes Aufmercken haben, auch, so viel müglich, desselben Unsers Kayserl. Cammer-Gerichts Ordnung und in allen Sachen gewöhnlichen Proceß, Termin und Solennitäten [445] gebrauchen und observiren, insonderheit aber in allen Processen keine Substantialia auslassen, jedoch auch allen Überfluß und Verzüchlichkeit abschneiden, die gegebene terminos ohne erhebliche Ursachen nicht erstrecken, und in alle Weeg, so viel die Substanz eines gerichtlichen Proceß anlangt, sonderlich darinn unwiederbringliches Präjudiz zu befahren, von der Ordnung, wie sie im Kayserl. Cammer-Gericht eingeführt und verbessert werden möchte, in substantialibus requisitis processus nicht abweichen sollen.

§ 10. Dieweil auch vor Alters herkommen, daß von Unserm Hof-Marschalcken und desselben Erkantnussen die Supplicationes und Revisiones an Unsern Reichs-Hof-Rath gangen, soll es dabey nochmaln, wie es vor Alters herkommen, verbleiben, jedoch die Haußgesessene Handels-Leut und Juden in der Juden-Stadt zu Wien davon ausgenommen.


Tit. V.

§ 18. Wo aber die Stimmen in ziemlicher Anzahl zertheilt und Unser Präsident vermercken würde, daß beeder Theil Meynung mit stattlichen, grundfesten Ursachen bestärcket, oder da in Unserm Reichs-Hof-Rath Sachen vorkommen werden, darinnen Unsere Reichs-Hof-Räth sich nicht vergleichen möchten, dahero wegen ihrer Hochwichtigkeit deren Erledigung bey Uns vonnöthen[4], so solle Unser Reichs-Hof-Raths-Präsident ausserhalb Unserm Vorwissen nichts endliches schliessen, sondern, nachdem selbige Sach zuvorderist am fleißigsten erwogen, beyder Theil schriftliche Meynungen kürtzlich dem Secretario in die Feder und zum Protocoll gegeben werden, und alsdann dem Referenten ein schrifftliches Gutachten mit allen umständlichen und wichtigen Bedencken aufzusetzen, dem Correferenten aber andern Theils Meynung gleichfalls in ein anders Gutachten zu bringen, anordnen.

§ 19. Was auch einmal in gemeldtem Unserm Reichs-Hof-Rath in contradictorio iudicio cum causae cognitione und mit Unserm Vorwissen ordentlicher Weise gehandelt und beschlossen ist, darbey soll es allerdings verbleiben und von niemand anders von neuem in Cognition gezogen noch dessen Execution gehindert werden.

§ 20. Und demnach es sich dann zum öfftern in dergleichen zerspalteten zweyer Theil Meynungen begiebt, daß in Formir- und schriftlicher Begreiffung des facti mit seinen Umständen die Räthe sich nicht vergleichen können, so solle Unser Präsident allen sorgfältigen Fleiß, damit der Referent und Correferent in selbigen sich vereinigen, anwenden und auf sothanen verglichenen Fall alsobald im Rath das beschriebene factum ablesen lassen, dafern aber der Referent und Correferent in facto sich nicht vergleichen, solle in gesamten Reichs-Hof-Rath ex actis die facti species genommen und die Relation, wie oben angedeut, mit Gutachten an Uns gebracht werden[5]: so wollen Wir darauf Unserm Reichs-Hof-Raths-Präsidenten, und wie Wir es nach Gelegenheit der Sachen vonnöthen befunden, auch den Referenten und Correferenten neben etlichen derjenigen Reichs-Hof-Räthen, so der unverglichenen Meynungen absonderlich beweglichen Bedenckens gewesen, vor Uns erfordern, der Sachen Nothdurfft und Umstände anhören, dieselbe folgends erledigen oder nach Unserm Willen und Gefallen in andere Weeg der Gebühr nach zu geschehen befehlen.

§ 21. Und was Wir Uns dann darauf jedesmals entschließen, das solle durch den Secretarium schriftlich begriffen, Unserm Reichs-Hof-Raths-Präsidenten unverzüglich zugestellt und durch denselbigen Unsern Reichs-Hof-Rath zu dessen Nachrichtung der Inhalt angezeigt, oder durch den Secretarium abgelesen und alsdann solches, gleichwie andere Bescheid, dem Protocoll einverleibt werden.

§ 22. Da über den Verstand der Reichs-Constitutionen und Abschied Zweiffel vorfallen oder in Erkäntnuß über geist- und weltliche Sachen, so zwischen obbesagten Theilen schweben, aus Gleichheit beyderley Religions Assessoren, nachdem selbige in vollem Rath, jedoch von beederseits gleicher Anzahl Richtern erwogen worden, ungleiche Meynungen entstünden, also daß die Catholische auf eine Seiten, die Augspurgische Confeßions-Verwandte auf die andere schlügen, so solle solches auf einen allgemeinen Reichs-Tag verwiesen werden, falls aber zwey oder mehr Catholische mit einem oder andern Augspurgischen Confeßions-verwandten Assessorn eine, und hingegen die übrige in gleicher Anzahl, obschon nicht einer Religion, ein andere Meynung fassen würden, und dannenhero Zwiespalt entstunde, auf diesen Fall solle die Sach der Cammer-Gerichts-Ordnung nach erledigt werden, und fernere Verweisung auf einen Reichs-Tag keine Statt haben, und dieses alles solle in Sachen der Stand (die unmittelbahre freye Ritterschafft mit eingeschlossen), sie seyen Actores oder Rei oder Intervenienten, beobachtet werden. Da aber unter den mittelbahren Ständen entweder der Kläger oder der Beklagte oder ein dritter Intervenient der Augspurgischen Confession zugethan ist, und gleiche Zahl der Richter aus beyderseits Religions Assessoren begehren wird, sollen solche gleiche auch gesetzt werden; da aber die Meynung deren gleich fallen sollte, so solle die Verweisung auf einen Reichs-Tag cessiren, und der Streit der Cammer-Gerichts-Ordnung nach entschieden werden.

Anmerkungen der Vorlage[Bearbeiten]

  1. Diese Bezeichnung findet sich in der RHRO. Ferdinands I. nur einmal statt „Kaiserl. Hof-Rath" (S. 6, Sp. 1, Abs. 2), in der Rudolfs II. mehrmals und in der Kaiser Matthias' meistens.
  2. Die Zusage, daß Reichssachen nur durch einen mit Deutschen besetzten Hofrat erledigt werden sollten, gab Ferdinand I. bereits im Passauer Vertrage von 1552 (oben Nr. 188), § 14, wo es heißt, es sei zu Dank angenommen, „der Kays. Maj. Räthe allhie Vertrösten, nemlich daß der Kays. Mai. Hoffrath, so deß Heil. Reichs und Stände gemeine oder sonderbare Sachen beratschlagen und erledigen, also stattlich mit Deutschen Räthen besetzt, auch die Teutsche Sachen durch Teutsche gehandelt werden, daß darob männiglich ein billiches Genüge tragen“.
  3. § 94, NS. d. RA. III, S. 436.
  4. Hierzu bemerkt J. A. Portner (Anmerkungen zur Reichs-Hofraths-Ordnung, hersgeg. von Cramer 1709, auch in NS. d. RA. unter dem Texte): Nunmehro wird fast nichts, so nur ein wenig in den statum publicum einlauffet — absque voto ad Caesarem resolviret.
  5. Hierzu bemerkt Portner: In solchen Begebenheiten wird gemeiniglich der Schluß dahin gemacht: Referatur S. Caes. Maiestati; vel: Fiat Votum ad Caesarem.