Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Giessmannsdorf

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Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Giessmannsdorf
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 52–54
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Giessmannsdorf
Giessmannsdorf


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Giessmannsdorf.


Giessmannsdorf, ein stattlicher Ort mit einem schönen Schlosse, liegt am Ufer der Neisse, eine Stunde von Zittau, eine Viertelstunde von Hirschfelde und eine halbe Stunde von Reibersdorf in höchst angenehmer Gegend auf einer Anhöhe die herrliche Aussichten auf die Lausitzer Gebirge und eine Unzahl Ortschaften bietet. Das Dorf besteht aus achtundfunfzig Häusern mit fast dreihundert Einwohnern, darunter funfzehn Gärtner und neunzehn Häusler befindlich sind. Die Hauptnahrungszweige der Bewohner Giessmannsdorfs sind Ackerbau, Viehzucht und Leinweberei.

Das Rittergut Giessmannsdorf ist ein uraltes Stammhaus der Familie von Kyaw, deren Ahnherrn König Wenzeslaus im Jahre 1303 mit aus Polen nach Zittau gebracht und ihm Giessmannsdorf und Friedersdorf geschenkt haben soll. Ob die ersten Besitzer des Gutes schon Vasallen [53] der Herrschaft Seidenberg gewesen sind, lässt sich nicht erweisen, in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts aber waren sie es, wie die vorhandenen Lehnsbriefe und die Landesverweisung eines Seidenbergischen Unterthanen es bestätigen. Obergerichtliche Handlungen standen erstlich dem Amte zu Seidenberg, später dem der Böhmischen Herrschaft Friedland zu und von der Zeit an wo die Standesherrschaft Seidenberg durch die Sächsische Regierung sequestrirt wurde, fanden dieselben in Reibersdorf statt, doch blieb Seidenberg immer der Ort wo die gesprochenen Urtheile zur Vollstreckung kamen. Ein Besitzer Giessmannsdorfs, Johann Wilhelm von Kyaw, hatte bereits im Jahre 1701 bei der verwittweten Obersthofmeisterin von Einsiedel auf Reibersdorf um die Befreiung von der Vasallenschaft nachgesucht, jedoch ohne Erfolg; erst 1750 gelang es dem damaligen Herrn auf Giessmannsdorf, Johann Ernst von Kyaw, den Reichsgrafen und Hofmarschall von Einsiedel gegen eine Zahlung von 8000 Thalern dahin zu bringen, dass er ihn mit seinen Gütern Oberullersdorf, Sommerau, Giessmannsdorf und dem Giessmanndorf’schen Antheil von Friedersdorf von der Lehnsverbindung mit Seidenberg frei und ledig sprach. Nach dieser Trennung trugen die vier Güter in hochnothpeinlichen Angelegenheiten gleiche Lasten und der Ort wo die Urtheile vollstreckt wurden war Oberullersdorf.

Einer der ältesten bekannten Besitzer Giessmannsdorfs ist Heinrich von Kyaw, der auch Hirschfelde, Oderwitz, Reibersdorf und Markersdorf besass und von 1395 bis 1460 lebte. Ihm folgte Adam von Kyaw auf Hirschfelde, Reichenau, Rosenthal und Giessmannsdorf, der 1488 mit Tode abging und zum Nachfolger Joachim von Kyaw hatte, dem auch Friedersdorf, Rosenthal und Seitgendorf gehörte. Wilrich von Kyaw erhielt die väterlichen Güter 1583, starb aber schon am 18. November 1599 und wurde wegen der furchtbaren Pest, die damals in der Gegend herrschte, nicht in die Kirche des inficirten Ortes Friedersdorf, wo die Seuche in kurzer Zeit hundertneunzig Menschen tödtete, sondern nach Türchau beerdigt. Giessmannsdorf blieb von der Seuche verschont und weil Friedersdorf von den Nachbarorten gänzlich abgeschlossen war, musste der Pfarrer zu Türchau in einem Saale des Giessmannsdorfer Schlosses den Gottesdienst verrichten. Nach Wilrichs von Kyaw Tode kam Giessmannsdorf an dessen unmündige Söhne Wilrich, Ernst und Joachim, die bis 1608 unter Vormundschaft ihrer Mutter, Joachims von Kyaw, Christophs von Kyaw, Melchiors von Wunss und Hansens von Nostiz standen, alsdann die Güter einige Jahre gemeinschaftlich besassen und sie endlich dem ältesten Bruder Wilrich überliessen, dem 1615 für das Gut 10050 Thaler geboten wurden. Wilrich verschied am 18. Februar 1633 und Friedersdorf mit Giessmannsdorf wurden Eigenthum seiner beiden Söhne Joachim Ernst und Georg Adam von Kyaw, die beide Güter gemeinschaftlich bis 1638 verwalteten, wo am 1. März der jüngere Bruder starb. Joachim Ernst hatte 1658 die Absicht, Giessmannsdorf an Otto von Rumburg zu verkaufen, der Handel zerschlug sich aber und im Jahre 1667 verpachtete er Giessmannsdorf mit einem Antheile von Friedersdorf an seinen ältesten Sohn Johann Wilhelm, den anderen Theil von Friedersdorf aber an den zweiten Sohn Joachim Ernst. Joachim Ernst, der Vater, starb am 31. Juli 1670. Am 17. April 1668 gab der damalige Standesherr von Seidenberg seine Einwilligung zu der getroffenen brüderlichen Theilung, wodurch der Grund zu einer neuen Linie, Kyaw-Friedersdorf, gelegt wurde. Nach des Vaters Tode trat Johann Wilhelm von Kyaw, königlich Dänischer Rittmeister, als völliger Erbe in die Güter ein, unter dessen Herrschaft durch Verwahrlosung des Brauers Mehlreis eine Feuersbrunst auskam die ausser dem Schlosse und den Hofgebäuden auch vierzehn Häuser des Dorfes verzehrte. Bei diesem Unglücksfalle gingen die meisten auf den Ort bezüglichen Urkunden verloren, auch verbrannte dabei die zweijährige Tochter des Rittergutsbesitzers, Helene Adelgunde, deren Ueberreste man erst am nächsten Tage aus dem Schutte hervorzog. Das Feuer griff mit solcher Schnelligkeit um sich, dass die nachmalige Oberstin von Kanitz, des Rittmeisters Schwester, nichts retten konnte als – zwei Heerpauken ihres Bruders – welche sie später der neuerbauten Kirche zu Hennersdorf schenkte. Für die verunglückten Unterthanen setzte man den 2. Mai in Zittau und nachher auch an anderen Orten Becken vor den Kirchthüren aus, den Sonntag Jubilate aber feierte man bis zum Jahre 1745 als Brandfest. Von den älteren Hofgebäuden blieb nichts übrig als das 1680 erbaute hohe Rondel. Der Rittmeister Johann Wilhelm von Kyaw baute das noch jetzt stehende Schloss, nicht weit von der Stätte auf der das alte stand, und liess über dem Eingange die Inschrift anbringen: „Dieses Haus ward von Grund aus nebst der Hofrehte erbauet 1694 von Tit. Herrn Johann Wilhelm von Kyaw, Herrn über Giessmannsdorf und Friedersdorf, Rittmeister. Nachdem er 1682 Sonntag Jubilate durch eine entstandene Feuersbrunst im Mälzhause jämmerlich abgebrannt und alle das Seine nebst einem Töchterlein verloren“. Das neue schöne, fünf Etagen hohe Schloss enthielt zwei Gefängnisse, von denen eines der Storch genannt wurde. –

Der Rittmeister von Kyaw starb am 10. Januar 1709 und nach testamentarischer Verordnung erhielt die Güter seine Wittwe Johanne Sophie geborne von Ziegler und Klipphausen mit der Bedingung, dass bei der Mündigkeitserklärung ihrer zwei Söhne Rudolph Wilhelm und Johann Ernst diese um die Güter losen sollten. Im Jahre 1719 erreichte der jüngere Bruder sein einundzwanzigstes Jahr; die Mutter, welche für den jährlichen Pacht tausend Thaler gezahlt, Tratlau nebst dem Kirchlehn zu Nida und einen Theil von Reutnitz gekauft hatte, war jedoch schon 1717 mit Tode abgegangen, worauf der ältere Bruder die Vormundschaft des jüngeren übernahm, 1718 mit ihm auf Reisen ging und 1719 zurückkehrte. In diesem Jahre geschah die Theilung der Güter, wobei Tratlau Reutnitz und Nida an Rudolph Wilhelm, Giessmannsdorf und Friedersdorf aber an Johann Ernst von Kyaw gelangten, welcher Letztere am 24. März 1751 mit Tode abging und eine einzige Tochter Friederike Wilhelmine Charlotte hinterliess, die sich 1768 mit ihrem Vetter Ernst August Rudolph von Kyaw vermählte. Dieser Herr verkaufte Giessmannsdorf 1790 an den Amtshauptmann von Eicke für 77500 Thaler und dieser veräusserte das Gut wiederum an den Kaufmann Grusche aus Reichenau, welcher es kein volles Jahr besass, sondern dem Standesherrn auf Reibersdorf[WS 1] Georg Grafen von Einsiedel überliess. Im Jahre 1832 verkaufte [54] der Graf das Gut an die Herren Gottfried Bischof und Sohn in Reichenau für 55000 Thaler nach deren Tode es dem einzigen Sohne des Letzteren, dem jetzigen Besitzer, Herrn Johann Gottfried Bischof als Erbgut zufiel. – Zu dem Rittergute Giessmannsdorf nebst Antheil von Friedersdorf gehören 600 Scheffel Areal mit 6220 Einheiten, nämlich 420 Scheffel pfluggängiges Land, 90 Scheffel gute Neissenwiesen und 90 Scheffel Waldung und Teiche, auch befindet sich hier ein Braunkohlenwerk von ca. 400 Scheffeln Fläche, eine Kalkbrennerei, Ziegelbrennerei und Brauerei. Das lebende Inventarium besteht aus 14 Pferden, 6 Zugochsen, 30 Kühen, 30 Stücken Zugvieh und 400 Schafen. – In einem Zimmer des Schlosses befindet sich ein altes, schönes wohlerhaltenes Deckengemälde.

Giessmannsdorf ist in die Kirche zu Friedersdorf eingepfarrt, welche auf einer Anhöhe liegt und weithin sichtbar ist. In frühester Zeit stand hier eine Kapelle in welcher Geistliche aus dem nahen Zittau die gottesdienstlichen Verrichtungen besorgten, bis die Kirche 1507 ihren eigenen Pfarrherrn erhielt, der Paul Knoloch hiess. Als im Jahre 1645 schwedische Einquartirung in Friedersdorf lag, entstand durch Fahrlässigkeit der Soldaten eine Feuersbrunst welche auch die Kirche sammt der Pfarre und Schule in Asche legte, doch konnte im nächsten Jahre in dem hergestellten Gotteshause bereits wieder Gottesdienst gehalten werden. Am 2. Juni 1809 traf den Thurm der Kirche ein Wetterschlag, in Folge dessen eine bedeutende Reparatur vorgenommen werden musste, und 1835 fand eine Erweiterung der Kirche statt, indem auf höhere Anordnung die kleine Nachbargemeinde Zittel hier eingepfarrt wurde. – Das Collaturrecht über Kirche und Schule zu Friedersdorf steht dem Standesherrn auf Reibersdorf zu.

Im Jahre 1695 wurde hier eine Türkin getauft. Dieselbe hatte Herr Piltzer, des Kammerprokurators Hartranft Stiefsohn, ein Bautzener, als Beute aus Ofen in Ungarn mitgebracht und dem Rittmeister von Kyaw auf Giessmannsdorf geschenkt. Sie war die Frau eines Janitscharen, Namens Hassan, und gebar bald nach ihrer Ankunft in Giessmannsdorf einen jungen Türken, der in der Taufe den Namen Christian Gottlob Türke empfing, siebzehn Pathen hatte und am 7. Februar 1690 auf dem Giessmannsdorfer Schlosse starb. Am 5. Mai 1691 gebar die Türkin eine uneheliche Tochter, die ebenfalls die Taufe erhielt und allgemein Türkenrosine genannt wurde, 1761 starb und eine zahlreiche Nachkommenschaft hinterliess. Ihre Mutter empfing die Taufe erst am 22. Juni 1695 und wurde Christine Hassanin genannt, das ganze Dorf aber hiess sie nur die Türkenchristel. Sie hatte dreizehn adelige Taufzeugen, weil ihr Tauftag auf den Jahrestag der Vermählung des Rittmeisters fiel. Die Türkenchristel starb als Christin und brave Hausfrau am 14. Juli 1720.

O. M.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Reibers-bersdorf