Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Nieder-Gersdorf

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Autor: M. G.
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Titel: Gersdorf oder Niedergersdorf
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 173–174
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Nieder Gersdorf
Nieder Gersdorf


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Gersdorf oder Niedergersdorf.


In dem herrlichen Thale, welches der Haselbach, auch die kleine Pulsnitz genannt, durchläuft, liegt das eine Stunde von Camenz in gleicher Weise von Elstra und Pulsnitz entfernte Gersdorf, welches aus Obergersdorf dem Rittergute Rehnsdorf und Niedergersdorf besteht.

Unsre Beschreibung gilt für dieses Mal vorzugsweise dem Rittergute Niedergersdorf. Die Zeit der Gründung des Ortes, welcher seinen Namen von dem Markgrafen Gero[WS 1] erhalten haben soll, ist nicht ganz genau zu bestimmen. Unstreitig fällt sie nach dem Jahre 936.

In grauerer Vorzeit haben wir die Benennung des nahen heiligen Berges zu suchen, von welchem her verfallene unterirdische Gänge nach der hiesigen Pfarre führen sollen und mit welchem auch der, nur noch dem Namen nach bekannte, früher über die Gebirge gelaufene gepflasterte Fusssteig, die Mönchsmauer genannt, in Verbindung gestanden haben mag.

Dieser Fusspfad soll für den Bischof Benno,[WS 2] der in Bischheim, welches mit Gersdorf zusammenhängt, ein Lustschloss hatte, angelegt worden sein. Mehrere Sagen haben sich unter dem Volke von „dem heiligen Berge“[WS 3] und „der Mönchsmauer“[WS 4] erhalten, worunter folgende nicht unerwähnt zu lassen ist: Bischof Gero soll auf dem nahen heiligen Berge eine Kapelle gegründet gehabt haben zu Ehren der heiligen Walpurgis, einer Schwestertochter des bekannten grossen Heidenbekehrers Bonifacius,[WS 5] die, nachdem sie belehrend herumgezogen war, nach ihrem im Jahre 778 erfolgten Tode dadurch geehrt wurde, dass man auf vielen Bergen, wo sie gelehrt hatte, [174] Standbilder oder Bethäuser errichtete. Durch brennende Reisbündel gab man in der Walpurgisnacht vom heiligen Berge aus Feuer auf Gespenster und Hexen und daher stammt denn auch die bis auf die neueste Zeit gekommene Feier der Walpurgisnacht, wo man allenthalben auf Bergen und Höhen brennende Reisbündel und Fackeln bis hieher flattern sah. Die Wallfahrten zum heiligen Berge und zur dasigen Kapelle wurde von Jahr zu Jahr bedeutender, was denn den Bau einer neuen Kapelle am Fusse des Berges nothwendig machte.

Das in dieser Kapelle eingekommene Almosen sicherte ein mit dem Camenzer Rathe 1489 geschlossener Vergleich dem Pfarrer zu. Nur das Einkommen während der drei Pfingstfeiertage, so wie das zu Walpurgis und zu Margarethen Abends hatte der Pfarrer mit der Kapelle zu deren Instand- und Unterhaltung zu theilen. Wer an diesen Tagen von der ersten bis zweiten Messe hier andächtig beichtete und reichliches Almosen opferte, dem verhiess ein Ablassbrief des Cardinals Roverius für jeden dieser Tage einen 100tägigen Ablass. Der Bischof, welcher 1490 diesen Ablass bestätigte, confirmirte zugleich einen der Kapelle durch 10 Mark jährlich von der Camenzer Schneiderinnung procurirten Zins. Im Jahre 1508 wurde dieser Kapelle die Wiese am Gehege bei Gelenau geschenkt. Mit bischöflicher Erlaubniss brach der Camenzer Rath 1542 das baufällig gewordene Bethaus ab. Rücksichtlich auf den nach und nach verkauften heiligen Berg, welcher ehedem Eigenthum der Kirche zu Gersdorf gewesen sein soll, bezieht dieselbe gegenwärtig noch einen kleinen Erbzins.

Von den früheren Schlössern in Gersdorf ist keine Spur mehr vorhanden.

Die Rittergutsgebäude in Niedergersdorf, wie wir solche in der Abbildung erblicken, sind seit noch nicht so gar langer Zeit neu erbaut und gewähren einen herrlichen Anblick.

Das Rittergut selbst ist nicht so stark wie das von Ober-Gersdorf mit Rehnsdorf, doch sind die Erträgnisse der Oeconomie deshalb nicht gering.

Niedergersdorf, Obergersdorf mit dem Dominio Rehnsdorf gehörten bis zum Jahre 1741 zusammen und hatten bis zu dieser Zeit immer einen und denselben Besitzer. So weit die sicheren Nachrichten reichen, so besassen von 1540–1578 die Gebrüder Wolf und Hans von Ponikau die ganze Besitzung Gersdorf und waren gemeinschaftliche Herren auf Rehnsdorf, Ober- und Niedergersdorf, während die Güter vorher zu den Ländereien der Herren von Camenz gehört haben mögen. Von 1578–1591 standen Ober- und Niedergersdorf unter Vormundschaft zweier Beamteten in dem Markgrafenthum Oberlausitz. Im Jahre 1591 gelangte in den Besitz der combinirten Güter Hans Wolf von Ponickau, Sohn des obigen Hans von Ponikau, von welchem solche wieder in die Hände des Sohnes des Ersteren und des Enkels des Letzteren, des Hans Fabian von Ponikau übergingen.

Dann überkam die ganze Besitzung im Jahre 1632 Caspar von Ponikau, Hans Fabians von Ponikau zweiter Sohn zweiter Ehe, dem 1642 Elias von Ponikau folgte. Mit dem Jahre 1663 finden wir nicht mehr das bei der Beschreibung von Obergersdorf ausführlicher zu erwähnende Geschlecht derer von Ponikau, vielmehr wird in diesem Jahre Wolf Caspar Theler Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn auf Ober- und Niedergersdorf, welchem im Jahre 1684 Wolf Heinrich Theler succedirte. Von diesem kamen die beiden Güter im Jahre 1730 an den letzten Theler, an Heinrich Ferdinand Theler, welcher im Jahre 1741 mit Tode abging und in der Kirche zu Gersdorf neben der Kanzel begraben liegt. Mit ihm ist die berühmte und hochgeachtete Familie Theler ausgestorben und noch vor seinem Tode hat dieser Heinrich Ferdinand Theler das Rittergut Niedergersdorf an den General Schieblig verkauft und in schneller Reihenfolge folgten nun mehrere Besitzer. Denn der General Schieblig verkaufte es anderweit an den Kaufmann Kind in Pulsnitz, dieser an einen von Uechtritz, dieser an den Baron Falkenstein. Von dem Baron Falkenstein kaufte es Christian Gottlieb Kuring und von Letzterem Wilhelm Rietschel. Jetzt ist Carl Serre Besitzer von Niedergersdorf.

Die Hauptbeschäftigung der Ortsbewohner ist Ackerbau, Leinweberei und Bandmacherei. Die Fluren des Ortes grenzen mit denen der Nachbardörfer Hennersdorf, Weissbach, Niedersteina, Röhrsdorf und Bischheim, an welches letztere Gersdorf mit seinem unteren Ende so hart sich anschliesst, dass dem Unkundigen beide Orte als nur einer erscheinen müssen.

Niedergersdorf mit Obergersdorf hat nur eine Kirche und eine Schule. In die erstere ist noch Röhrsdorf und Weissbach eingepfarrt. Der Kirchsteig von Weissbach heisst eigentlich der Marktsteig, der einer alten Sage nach, auf diesem schmalen Fusswege, welchen die Besitzer zweier Bauergüter seit Jahrhunderten haben dulden müssen, das Volk in grossen Schaaren zu den früher in Gersdorf abgehaltenen Jahrmarkte geströmt sein soll. Später ist dieser Fusssteig als Kirchweg von Weissbach beibehalten worden.

Ueber Pfarre und Schule steht dem Besitzer des Rittergutes Obergersdorf das Collaturrecht zu. Die weitere Beschreibung über Kirche und Schule wird seiner Zeit bei Obergersdorf mit berücksichtigt werden.

Geschichtlich merkwürdig ist noch vom ganzen Orte Gersdorf, dass solcher im Hussitenkriege fast gänzlich zerstört worden ist und der Schauplatz der grössten Schandthaten war.

Im Norden des Dorfes, auf dem nahen Waldberge finden wir den Burgstall d. h. die Burgstelle, eine sorbische Schanze, die dem Namen nach in weiter Umgegend bekannt ist.

Der ganze Ort Gersdorf hat 171 bewohnte Gebäude mit 903 Einwohnern, worunter viele noch einen nährenden Erwerbszweig durch die Granitsteinbrüche finden.

Gersdorf, Niedergersdorf wie Obergersdorf gehören jetzt zum Gerichtsamte Camenz und zur Amtshauptmannschaft Bautzen.


M. G.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. w:Gero (Ostmark), um 900–965: seit 937 erster und einziger Markgraf der Sächsischen Ostmark
  2. w:Benno von Meißen, um 1010–1106
  3. siehe: Friedrich Bernhard Störzner: Der Heilige Berg bei Bischheim
  4. siehe: Friedrich Bernhard Störzner: Die Mönchsmauer
  5. w:Bonifatius