Rom am Rhein

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Autor: unbekannt
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Titel: Rom am Rhein
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aus: Die Gartenlaube, Heft 2, 5, 9
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Kurzbeschreibung: Ultramontanismus und Köln am Rhein
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[23]
Rom am Rhein.[1]
I.
Zwei Erzbischöfe von Köln. – Die gemischten Ehen. – Die katholischen Festtage. – Wallfahrtsunfug. – Reliquienbestreichung. – Die geweihten Hubertusbrödchen. – Der Confessionsstreit unter der Erde.


Es ist eine betrübende Erscheinung, daß in unserer Zeit, wo so viele Kräfte sich regen, Licht und Aufklärung zu verbreiten, Vaterlandsliebe zu nähren und vaterländische Institutionen zu gründen, – eine Strömung zur Verdumpfung und zur Geistesknechtschaft zu drängen und Saat und Vaterland unter eine andere Macht zu knechten sucht. Wir meinen die ultramontane. Fern sei es von uns polemisch gegen die katholische Kirche aufzutreten, insofern sie Gott giebt, was Gottes; und dem Kaiser, was des Kaisers ist. Aber man kann ein redlicher Katholik sein, ohne ultramontan zu sein. Ultramontan ist in unserem Sinne der, welcher sein Vaterland in Rom hat, welcher alle vaterländischen und staatlichen Interessen unter den Einfluß und die Herrschaft der durch den Papst repräsentirten römischen Kirche und ihrer Interessen stellen will. – Gewiß sind nicht Alle, die sich von jener Strömung fortreißen lassen, sich dieser Tendenz bewußt, aber die Leiter erkennen sie und haben sie als ihren consequent zu verfolgenden Grundsatz aufgestellt. Es ist die mittelalterliche Lehre, daß alle Fürsten ihre Throne nur von dem Statthalter Christi auf Erden zu Lehn tragen, welche nach den sanfteren Jahrhunderten, die jene finsteren Zeiten verdrängten, wiederum zur Geltung gebracht werden soll. Daß aber ein solches Princip mit jeder nationalen Gesinnung und Staatsform, zumal einer solchen mit protestantischer Spitze, durchaus unverträglich ist, liegt offen zu Tage. Preußen, das der Erfüllung seiner Mission, Deutschland zur Einheit und zur freiheitlichen Entwickelung zu führen, jetzt so nahe gerückt ist, hat auch den Uebergriffen Roms gegenüber das entscheidende Wort zu sprechen.

Der Wiederhersteller der katholischen Kirche in Frankreich, der erste Napoleon, hatte weise vorgesehen, daß eine gänzliche Trennung der Kirche vom Staate die nothwendigen Bedingungen des letzteren gefährden könne. In seiner mit dem Papste im Jahre 1802 geschlossenen Convention und in den dieselbe begleitenden organischen Artikeln hatte er deshalb dem Staate einen wesentlichen Einfluß zur Verhütung eines mißbräuchlichen Umsichgreifens der Kirche gesichert. Diese Convention galt auch in der von Frankreich eroberten Rheinprovinz, nach deren Abtretung an Preußen aber trat dem römischen Stuhle gegenüber eine mildere, nachgiebigere Praxis ein.

Bis in das zweite Jahrzehnt nach der Besitznahme der wiedereroberten Provinzen wurde der Friede zwischen Staat und Kirche nicht wesentlich gestört. Auf dem erzbischöflichen Stuhle zu Köln saß ein Mann von milder Gesinnung und staatsmännischer Bildung, der Graf Spiegel zum Desenberg. Dieser trug wesentlich zur Erhaltung des Friedens bei, und insbesondere gelang es durch seine Beihülfe eine Divergenz zu beseitigen, welche in Betreff der gemischten Ehen entstanden war. In den alten Provinzen bestanden gesetzliche Vorschriften über die confessionelle Erziehung der Kinder aus solchen Ehen, welche auch auf die neuen Provinzen gesetzlich ausgedehnt wurden. Nach und nach fing die katholische Geistlichkeit an, strengere Saiten aufzuziehen und namentlich von den Brautleuten als Bedingung der Eheschließung das Versprechen der katholischen Confession der in der Ehe zu erzielenden Kinder zu fordern. Dieser Conflict führte zu Verhandlungen mit dem Papste und in deren Folge zum Erlasse eines päpstlichen Breve, worin zwar von einer ernstlichen Abmahnung und Belehrung des katholischen Theiles über ein solches „Verbrechen“ gegen die Kirche, wenn Katholiken, wie es in der beigefügten Instruction des Cardinals Albani heißt, „schändlich von unsinniger Liebe wahnsinnig [24] gemacht“ (turpiter insano amore dementati) Ehen mit Nichtkatholiken einzugehen wünschen, nicht aber von der Forderung des erwähnten Versprechens die Rede war. In weiterer Ausführung dieser Principien wurde nun mit dem Metropolitan, Grafen Spiegel, eine Einigung geschlossen, wodurch eine milde Praxis eingeführt und von dem beregten Versprechen ganz Abstand genommen wurde, wogegen der Staat mit zu großem Eifer seine Bereitwilligkeit erklärte, diesem immerhin zweifelhaften und durch Bedrängung der Gewissen innerhalb und außerhalb der Beichtstühle leicht zu umgehenden Compromisse das einzige gesetzliche Mittel gegen jede anmaßliche Prätension der Kirche in Beziehung auf die Schließung der Ehe und die Gründung der Familie als der wesentlichsten Grundlage des Staates, die Civil-Ehe, zu opfern.

Zu dieser Convention erklärten denn auch die dem Erzbischofe von Köln untergeordneten Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier unumwunden ihren Beitritt, und hiernach wurde denn in allen Diöcesen bis zu dem im Juli 1835 erfolgten Tode des Grafen Spiegel und noch ein Jahr weiter verfahren.

Auf dem erzbischöflichen Stuhle zu Köln folgte diesem der bisherige Weihbischof zu Münster, der Freiherr Clemens August Droste zu Vischering. Auf ihn hatte besonders der in sich verzweigte katholische rheinisch-westphälische Adel die Aufmerksamkeit gelenkt, welcher, so wie früher die Domcapitel mit seinen jüngeren Söhnen besetzt wurden, nun auch die bischöflichen Pfründen für sich in Anspruch zu nehmen wünschte. Umsonst erhoben sich von mehreren Seiten, namentlich von der des trefflichen Oberpräsidenten von Westphalen, Freiherrn Vincke, Stimmen der Warnung gegen diesen Mann, welcher während seiner früheren Verwaltung als Capitular-Verweser zu Münster mit den Staatsbehörden vielfach in Conflict gerathen und dessen Starrsinn in Münster notorisch war.

Der damalige Kronprinz, später als Friedrich Wilhelm der Vierte König, der Aristokratie gewogen und von dem Satze ausgehend, daß die Gottesfurcht zu allen Dingen nütze sei, übernahm die Verantwortung, und man suchte nur noch von dem Candidaten selbst eine Erklärung zu erhalten: ob er im Geiste des Friedens wirken und insbesondre die in Folge des päpstlichen Breve am 19. Juni 1834 geschlossene Uebereinkunft mit den vier Bischöfen aufrecht erhalten werde. Er erwiderte darauf unter Betheuerungen seiner Friedensliebe, „daß er sich wohl hüten werde, jene gemäß dem Breve vom Papste Pius dem Achten über die gemischten Ehen getroffene und in den vier Sprengeln zur Vollziehung gekommene Vereinbarung nicht aufrecht zu halten, oder gar, wenn solches thunlich wäre, anzugreifen und umzustoßen, und daß er dieselbe nach dem Geiste der Liebe, der Friedfertigkeit anwenden werde“. – So wurde er denn dem Domcapitel vorgeschlagen und gewählt.

Allein schon nach Jahresfrist zeigten sich die übeln Folgen dieser Wahl. Der Ernannte gerieth in mannigfache Conflicte mit der Staatsregierung, schrieb in Widerspruch mit vorerwähnter Erklärung und unter der Angabe, die Convention nicht gekannt zu haben, den Pfarrern vor, die kirchliche Trauung nur dann zu gewähren, wenn sich das Brautpaar zur Erziehung sämmtlicher Kinder im katholischen Glauben durch ein ausdrückliches Versprechen zuvor verpflichtet haben würde.

Allen desfälligen Vorstellungen war er unzugänglich und die Aufforderung, sein Amt niederzulegen, wenn er die Bedingung, unter der es ihm übertragen worden, nicht erfüllen könne, weil er deren Umfang nicht gekannt habe, lehnte er ab. So wurde ihm von Staatswegen die Ausübung seines Amtes untersagt, und er, um ihm dieselbe unmöglich zu machen, am 20. November 1837 auf die Festung Minden abgeführt. Hätte man ihn noch einige Zeit gewähren lassen, so würde er sich durch sein tactloses Benehmen, seine oft bis an das Lächerliche streifenden Lebensgewohnheiten, die Schroffheit, womit er gegen die Regierung und seine eigenen Standesgenossen, insbesondere gegen sein eignes Domcapitel auftrat, mit welchem er sich gänzlich überworfen hatte, – bald selbst den Katholiken gegenüber unmöglich gemacht haben. Die ihm angethane Gewalt aber setzte ihm die Märtyrerkrone auf. Gegen diese Gewalt erhob sich von allen Seiten Opposition. Man erblickte darin eine Verletzung der Gesetze über persönliche Freiheit, die von katholischer Seite um so erheblicher erachtet wurde, als sie einen der ersten Würdenträger der Kirche betraf, und doppelt fühlte sich der katholische rheinisch-westphälische Adel gekränkt, weil der Erzbischof sein Standesgenosse war. Von diesem Ereignisse aus trat ein Wendepunkt ein, mit welchem sich die ultramontane Strömung stärker ergoß.

Erst nach langen Verhandlungen wurde der Streit unter Friedrich Wilhelm dem Vierten vermittelt, indem die Verwaltung der Erzdiöcese dem von dem Könige von Baiern empfohlenen Bischöfe von Speier Johannes v. Geissel mit der Aussicht auf die definitive Nachfolge anvertraut wurde.

Aber zu einem völligen Frieden zwischen Staat und Kirche kam es auch unter diesem nicht, vielmehr brachten vielfache Reibungen ein peinliches Verhältniß hervor, und die Staatsregierung fand um so mehr Widerstand, als sie diejenigen, welche sich auf ihre Seite gestellt hatten, insbesondere das kölnische Domcapitel, der römischen Curie gegenüber schutzlos gelassen hatte und meist durch fortgesetzte Nachgiebigkeit zu fortgesetztem Widerstande reizte.

Namentlich ist seitdem die Forderung des Versprechens bei gemischten Ehen, welche den Hauptgegenstand des Streites bildete, viel schroffer geworden und wird fast überall als Bedingung der Trauung von katholischer Seite gestellt, und da die evangelische Kirche ihrerseits zur Abwehr für die Trauung die Nichtleistung jenes Versprechens als Bedingung stellt, so trennt eine eherne confessionelle Mauer die, welche die Liebe vereint und welche Vaterland, Bildung, Sitte und alle übrigen Beziehungen des Lebens gemeinsam haben. Einer oder der andere Theil muß nachgeben und auf die Weihe seiner Kirche verzichten, und der katholische Theil ist dann der Ausschließung, der Verweigerung der Absolution gewiß. So wurde einem seit mehreren Jahren in kinderloser und wenig Aussicht zu Kindern bietender gemischter Ehe lebenden Katholiken die Absolution von seinem Pfarrer verweigert, weil dieser nachträglich erfahren hatte, daß jener bei Eingehung der Ehe in die evangelische Erziehung der zu erzeugenden Kinder gewilligt habe.

Ja, wenn auch das Versprechen förmlichst gegeben wird, beschränkt sich in der Regel die Thätigkeit des Geistlichen auf die sogenannte passive Assistenz, d. h. er nimmt ohne Einsegnung die Erklärung der Brautleute vor Zeugen in der Sacristei entgegen, daß sie sich zu Eheleuten nehmen. –

In anderen Punkten wurde von der katholischen Kirche ein Maß äußerer Berechtigung in Anspruch genommen und zugegeben, welches über die Grenzen der Gleichberechtigung anderer Confessionen hinausgeht.

Unter der französischen Regierung war im Einverständniß mit dieser durch ein Indult des Cardinals Caprara vom 9. April 1802 die Zahl der außer den Sonntagen zu feiernden Festtage mit weiser Beschränkung auf vier festgesetzt worden. Durch Nachgiebigkeit der preußischen Regierung ist im Laufe der Zeit diese Zahl wieder auf sechszehn angewachsen, die allgemein gefeiert werden; darunter sind fünf Marientage. Es leuchtet ein, daß eine solche Vermehrung der arbeitslosen Zeit in Verbindung mit den vielen Kirchweihfesten, deren jedes mindestens zwei Wochentage nach dem Sonntage in Anspruch nimmt, sehr nachtheilig für den Gewerbfleiß sein muß, besonders wenn man hinzunimmt, daß nach einem außer dem Gottesdienste in Vergnügungen zugebrachten Tage die Arbeit am folgenden nicht sonderlich schmeckt und dem Sonn- und Feiertage oft der mißbräuchliche blaue Montag folgt. Dabei ist die Geistlichkeit so sehr auf die volle Geltung der Feiertage bedacht, daß beispielsweise in der Diöcese Köln der am 25. März anstehende Tag der Verkündigung Mariä, wenn er in die Charwoche, von Palmsonntag bis Ostersonnabend fällt, am nächsten Montage nach den Ostertagen gefeiert wird. Und da wird er dann auch mit staatlicher Zulassung von Behörden und Privaten kirchlich und bürgerlich begangen. –

Die Wallfahrten von Ort zu Ort wurden unter der französischen Regierung nicht geduldet, sondern, weil sie Müßiggang und Sittenlosigkeit beförderten, verboten und die Polizei angewiesen, von den Theilnehmern Pässe zu erfordern. Auch der Erzbischof Graf Spiegel mahnte in einem Erlasse vom 12. Mai 1826 dringend davon ab, „weil dabei nebst der Versäumniß der häuslichen Pflichten die rohesten Ausschweifungen vorfielen und dadurch die schrecklichen Folgen des verderblichsten Aergernisses entständen.“ Nach diesem Prälaten haben sie sich aber ungestört breit und sogar die Rechte des öffentlichen Gottesdienstes geltend gemacht. So wurde beispielsweise ein protestantischer Gutsbesitzer, welcher Sonntags auf freiem Felde zu [25] seiner Kirche im Schritte durch eine seinen Weg kreuzende Wallfahrt fuhr, wegen Störung des öffentlichen Gottesdienstes denuncirt. Nach altberühmten Wallfahrtsorten, z. B. nach Kevelaer, ziehen von weit entlegenen Orten Wallfahrten von tausend Personen beiderlei Geschlechts und nehmen ihr Nachtquartier in Dörfern, wo nur wenige Wirthshäuser Raum für ihre Aufnahme bieten und Scheunen und Heuspeicher dabei zu Hülfe genommen werden müssen. Zu welchem Unfug dieses Gelegenheit giebt, bedarf keiner Erörterung und schwerlich wird dagegen die geistliche Begleitung schützen können. Es ist bekannt, welchen enormen Umfang im Jahre 1844 die Wallfahrten nach dem fernen Trier zur Verehrung des sogenannten heiligen Rockes erreichten, welche Völkermassen zu den periodischen Ausstellungen der großen und kleinen Heiligthümer im Münster zu Aachen wallfahren und wie noch im Jahre 1865 Hunderttausende von allen Seiten zur Jubel-Ausstellung der Reliquien der Heiligen drei Könige nach Köln pilgerten. Bei solchen Gelegenheiten werden dann Rosenkränze, Heiligenbilder, Gypsfiguren, Druckschriften von den bei den Reliquien dienenden Priestern an diese angestrichen, damit man eine geweihte Erinnerung mit nach Hause nehme, und es wird glaubhaft erzählt, daß die fromme Einfalt öfters draußen in den Verkaufsbuden statt des Lebens der Heiligen drei Könige die daneben liegende Lebensbeschreibung eines berüchtigten Mörders kaufte und anstreichen ließ. Welcher abergläubische Unfug überhaupt mit diesen Dingen getrieben wird, ist unbegreiflich und es dürfte fabelhaft klingen, wenn es nicht wahr wäre, daß Bettelmönche gesegnetes Kraut gegen die Behexung des Viehes verabreichen und daß am St. Hubertustage geweihte Brödchen verkauft werden, welche die Kraft haben sollen, selbst schon Gebissene vor der Hundswuth zu bewahren, ja daß an dem nämlichen Tage sogar in einer Sacristei die Hunde, welche doch der Glaube nicht selig machen kann, mit dem Schlüssel des heiligen Hubertus auf die Stirn gebrannt werden, um vor Tollwuth geschützt zu sein. Und man erzählt sich im Volke die schaurige Geschichte daß ein Mann, welcher aus Versehen statt des geweihten ein ungeweihtes Brödchen aß, sofort von der Hundswuth befallen worden sei.

Freilich ist das Alles für die Kirche, wie für die Gastwirthe sehr lucrativ, denn kein Pilger verläßt den Ort seiner Wallfahrt, ohne sein Opfer, bestehe es nun aus Gold, Silber oder Kupfer, oder in riesigen Kerzen, in Armen, Beinen und anderen Gliedern von Wachs, welche dem Gliede, wofür man Heilung sucht, entsprechen, darzubringen. Wenn auch ein Einblick in die Totalität dieser Opfer nicht gestattet ist, so genügt doch ein Blick in die jedesmal aufgestellten Kasten oder Schüsseln, um sich von der Erheblichkeit ihres Inhalts zu überzeugen. Daraus dürfte es sich dann erklären lassen, wenn beispielsweise zu Kevelaer eine gewaltige Kirche gebaut wurde, über deren anderweitige Baumittel nichts bekannt ist, oder wenn das Domcapitel zu Trier nach und nach die berühmtesten Weinberge an der Saar und Mosel ankauft. –

Ein fernerer Punkt betrifft den Streit der Confessionen unter der Erde. Das französische Gesetz vom 23. Prairial des Jahres XII (12. Juni 1804) legte die Begräbnißplätze in die Hand der Civil-Gemeinde und das Nämliche geschah im Großherzogthum Berg durch das Verwaltungs-Decret vom 13. October 1807. Wenn auch in jenem Gesetze eine Scheidung der Begräbnißplätze nach den Confessionen vorgesehen war, so ist doch in jener Zeit der Duldung bei der Anlage der Kirchhöfe fast nirgends danach verfahren, so daß noch jetzt namentlich in den größeren Städten der Rheinprovinz Katholiken und Protestanten auf demselben Beerdigungsplatze friedlich neben einander beigesetzt werden. Ueberdem wurde jene Scheidung durch eine Cabinets-Ordre vom 27. August 1820 „im Geiste echt christlicher Duldung“ außer Kraft gesetzt. Ein Dogma von der geweihten Erde des ganzen Kirchhofs existirt durchaus nicht und wird noch jetzt von der Geistlichkeit, wenigstens für die eben bezeichneten größeren Städte und Bischofssitze, nicht in Anspruch genommen. Dagegen ist die durch die angeführte Cabinets-Ordre verordnete Einsegnung des ganzen Kirchhofes gestattet und eben so keinem Priester die Einweihung jedes einzelnen Grabes verwehrt.

In neuerer Zeit nun hat die katholische Geistlichkeit den Anspruch auf Trennung nach den Confessionen erhoben. Zuerst geschah dies in der Diöcese Trier, wo es dann unter dem Oberpräsidenten v. Kleist-Retzow zu einer schwachen Vereinbarung kam, wonach auf dem Lande in einer Ecke des gemeinsamen bürgerlichen Begräbnißplatzes nach Verhältniß der protestantischen Bevölkerung ein Platz für diese abgesteckt und ummauert wurde. Da das Verhältniß der in dem früheren katholischen Lande verstreut lebenden Protestanten meist nur ein sehr geringes ist, so beschränkt sich dieser abgesonderte Platz oft auf ein paar Hundert Quadratfuß, wo denn die Protestanten, wie die im Mittelalter an die Kirchhofmauer verbannten Verbrecher und Selbstmörder, ruhen dürfen. Ja der Fanatismus ist, wo diese Einrichtung noch nicht bestand, bis zu gewaltsamer Widersetzlichkeit gegen die Beerdigung eines Protestanten auf dem gemeinsamen Begräbnißplatze, und wenn die letztere unter dem Schutze der Gensdarmerie und des Militairs dennoch geschah, bis zu wiederholter nächtlicher Ausgrabung des Sarges ausgeschritten.

Auch in der Erzdiöcese Köln weigerte sich der interimistische Erzbisthums-Verweser, irgend einen neuen Begräbnißplatz weihen zu lassen, wenn er nicht ausschließlich für Katholiken bestimmt werde. An einem Orte kam es denn auch mit ihm zu einer ähnlichen Vereinbarung wie die in der Diöcese Trier erwähnte, aber die evangelische Geistlichkeit protestirte dagegen als entwürdigend. Eine Entscheidung ist deshalb noch nicht ergangen, nach den Präcedenzfällen hat indessen die evangelische Kirche wenig Schutz zu erwarten.

So wird denn auch, wie oben bei der Ehe, hier noch im Grabe eine Mauer aufgerichtet zwischen Menschen eines Vaterlandes, eines Stammes, einer im Leben verträglichen Gesittung und Gesinnung, und der ärgerliche Streit der Confessionen wird noch bis unter die Erde fortgesetzt.

[71]
II.
Die Bischofswahl. – Papst und Staat. – Klöster und Orden. – Die Väter Jesu. – Die Erbschleicherei der Klöster. – Werbungen für das Kloster. – Klosterpensionate. – Menschenraub der Klöster. – Kirchliche Brüderschaften, Sodalitäten und Congregationen. – Denunciationssystem in den geistlichen Seminarien. – Katholische Gesellenvereine. – Katholische Clubs. – Die katholischen Vereine und ihre Generalversammlung in Trier. – Protest gegen den Schulzwang. – Die freie deutsche katholische Universität. – Der Bonifaciusverein.


Ein Hauptgegenstand des Conflicts zwischen Staat und Kirche betrifft die Differenzen über die Bischofswahl.

Einer Kirche gegenüber, welche grundsätzlich ihrem obersten Träger die geistliche und weltliche Herrschaft über die ganze Erde vindicirt, so daß er Könige ein- und absetzen, Völker ihres Eides entbinden kann, – welche Jahrhunderte hindurch bestandene Thatsachen, wie den westphälischen Frieden, nur so lange factisch bestehen läßt, bis sich Gelegenheit und Macht ergiebt, den anfänglich erhobenen schlummernden Protest zu wecken und sie umzustürzen, einer solchen Kirche gegenüber kann auch der Kampf der weltlichen Herrschaft nur schlummern und es bedarf fortwährender Compromisse.

Insbesondere wird ein protestantischer Fürst bei der tiefen, immerfort bestehenden Wechselwirkung zwischen Staat und Kirche vorzusehen haben, daß dem von ihm regierten Staate ein Einfluß gesichert bleibe. Um so nöthiger ist dieses in Preußen, nachdem durch den Art. 15 der Verfassung der römisch-katholischen Kirche die selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zugesichert ist. Hiernach ist solcher Einfluß hauptsächlich zu suchen in der vertragsmäßig festgestellten Einwirkung auf die Anstellung der Bischöfe, in deren Hand unter päpstlicher Oberhoheit die gesammte Leitung der kirchlichen Angelegenheiten im Staate, namentlich die Ernennung sämmtlicher Curat-Geistlichen ruht. In welche böse Conflicte ein widerwilliger Bischof den Staat bringen kann, haben wir oben an dem Beispiele des Erzbischofs Clemens August gesehen.

Als im Jahre 1839 der bischöfliche Stuhl zu Trier in Folge seiner Erledigung wieder besetzt werden sollte, hatte die Staatsregierung mit unbegreiflicher Sorglosigkeit es versäumt, eine bestimmte Person für den Bischofssitz zu bezeichnen. Es waren in den Vorverhandlungen mehrere Namen im Allgemeinen genannt worden, welche gleich annehmbar erscheinen mochten. Die feierliche Wahl fiel aber auf den Pfarrer Arnoldi, von welchem der Staatscommissär in den Vorbesprechungen wenig oder gar nichts gehört zu haben vermeinte, um sich auch für diesen die Ermächtigung zu erbitten. Letztere wurde daher versagt und die Publication im Dome unterblieb. Das Capitel bestand auf seiner Wahl und Rom, wohin die Angelegenheit gebracht wurde, entschied, nachdem die Staatsregierung, sich auf ein für sie schwaches Compromiß einlassend, erklärt hatte, sich der Wahl nicht widersetzen zu wollen, weil sie dieselbe nur grundsätzlich in Ermangelung einer vorgängigen Einigung nicht anerkannt habe: daß die Wahl erneuert werden solle. So wurde nun unter Bestellung eines andern Staatscommissärs der p. Arnoldi gewählt und bestätigt und die Regierung hatte zwar in der Form gesiegt, in der Sache aber eine Niederlage erlitten.

Wie läßt es sich nun mit der Treue gegen die von Niebuhr geleiteten Verhandlungen zwischen dem Staate und der römischen Curie vereinigen, wenn im Jahre 1865 nach dem Tode des Cardinal-Erzbischofes v. Geissel das Domcapitel zu Köln auf dem sogenannten Listenverfahren bestand, wonach das Capitel in einer Vorwahl eine Candidatenliste aufstellen und der Regierung zur Genehmigung vorlegen sollte, so daß die Krone auf ein bloßes Negiren beschränkt bleibt; wenn es behauptete, auf der nach eigenem Belieben aufgestellten Liste müßten mindestens drei Namen zurückbleiben, welche der Regierung vielleicht am mindesten schlimm dünkten; wenn es auf die Liste, selbst der Bulle de salute animarum zuwider, Nichtpreußen wie den eifrigen Jesuitenfreund, den Bischof v. Ketteler zu Mainz, brachte; wenn es zwei- und dreimal die gestrichenen Namen reproducirte; wenn es sich deshalb sogar an den in München accreditirten päpstlichen Nuntius wandte; wenn seine Vertheidiger sich auf die jenen positiven Zugeständnissen gegenüber unzutreffende Analogie des positiv anders geregelten Verfahrens in der oberrheinischen Kirchenprovinz und im Königreiche Hannover beriefen; wenn sie endlich, wie es in den Kölnischen Blättern geschah, die Beurtheilung, ob der Vorgeschlagene dem Könige genehm sein müsse, lediglich dem Domcapitel vindicirten?

Ja, was soll man dazu sagen, wenn im Widerspruch mit den nach dem Breve vom 16. Juli 1821 vorher gewechselten Noten und gemachten Zugeständnissen der Cardinal Lambruschini im Namen des Papstes in einem Schreiben vom 15. März 1837 dreien Domherren zu Trier mittheilt, sie hätten nach dem Sinn jenes Breve sich durch öffentliche Nachrichten, durch Privat- oder vorsichtig und klug beim königl. Ministerium angestellte Erkundigungen oder durch Handlungen der Regierung selbst zu vergewissern, ob die Person dem Könige genehm sei, – und wenn Papst Gregor [72] der Sechzehnte in einem an die Capitel zu Gnesen und Posen gerichteten Breve vom 10. April 1844 sagt: die Capitel hätten in Preußen zu wählen, und zwar nicht aus der Zahl derjenigen, welche die königliche Regierung zu wählen gestatte, sondern aus den Geistlichen, welche sie als dem Könige nicht weniger genehm erachten, sei es wegen des Charakters und der Verhältnisse dieser Personen, sei es wegen vorangegangener Handlungen der Regierung, sei es durch Anwendung anderer Mittel, welche zur Erlangung dieser Einsicht geeignet seien.

Also nicht einmal das Listenverfahren! Ist das Treue?

Das Alles ist in langwierigen ärgerlichen Verhandlungen geschehen und dem Staate ist es schließlich nicht gelungen, den Candidaten, auf welchen er den meisten Werth legte und dem kein canonisches Hinderniß entgegenstand, den Prinzen Hohenlohe, auf den erzbischöflichen Stuhl zu bringen, vielmehr ist es endlich wieder zu einem für den Staat schwachen Compromisse gekommen und der Streit schließlich dadurch entschieden, daß der Papst, unter Verschweigung der mit dem Könige getroffenen Einigung, kraft apostolischer Autorität und Gewalt, den zwei Mal auf die durch das Capitel präsentirte Liste gebrachten Bischof Melchers von Osnabrück auch einen Nichtpreußen, zum Erzbischof von Köln ernannt hat. Gebe Gott, daß diese Ernennung zum Frieden zwischen Staat und Kirche führe!

Aber in dem päpstlichen Ernennungs-Breve vom 21. December 1865 spendet der Papst dem Domcapitel das höchste Lob über die Sorgfalt und den Eifer, womit dasselbe (im offenen Widerspruche mit den der Bulle de salute animarum vorhergegangenen Verhandlungen) die Freiheit der Capitelswahl zu schützen und zu vertheidigen nicht abgelassen und womit es sich deshalb sowohl an den Cardinal Antonelli als an den Nuntius zu München gewandt habe. Er erklärt, daß er dieses Recht nicht nur von Allen in Zukunft unverletzt bewahrt wissen, sondern auch mit dem Könige von Preußen neue Vereinbarungen vornehmen wolle, damit das Capitel um so leichter und sicherer ein so bedeutendes Recht ausüben könne. – Ist das Treue gegen die vertragsmäßig festgestellten Bestimmungen? Und welche Antwort wird man an maßgebender Stelle in Preußen darauf geben?

Die vertragsmäßig festgestellte Mitwirkung des Staates bei Besetzung der Bischofsstühle ist, nachdem durch den Artikel 15 der Verfassung das bisherige Band zwischen Staat und Kirche, der landesherrliche Einfluß auf die Kirchenverwaltung in Personen und Sachen zerrissen ist, die einzige Bürgschaft dafür, daß die Kirche sich nicht anmaße, dem Staate über den Kopf zu wachsen, daß vielmehr Beide Hand in Hand dem Ziele entgegengehen, welches ihre eigentliche Aufgabe ist, der Veredlung der Menschheit.

Der stärkste endlich und der gefährlichste Hebel des Ultramontanismus liegt in den Klöstern und Orden, insbesondere dem Jesuitenorden. Diese Institute des Mittelalters, in welchem sie manches, jedoch vielfach überschätztes Gute geleistet, hatten aufgehört zu sein, in Frankreich in Folge der Revolution, in Deutschland durch den Reichsdeputationshauptschluß, abgesehen von dem schon früher aufgehobenen Jesuitenorden, worauf wir zurückkommen werden. – Mit guten Gründen hat man ihnen das Recht zu sein abgesprochen, und wenn es auch für diese Blätter zu weit führen wurde, die Rechtsgeschichte ihrer Aufhebung und ihrer Unterdrückung für die Zukunft auszuführen, so wollen wir doch hier kurz bemerken, daß in Frankreich eine während der ersten Republik abgeschlossene Convention mit dem Papste, welche die Errichtung von Kathedral-Capiteln und Seminarien freistellte, verfügte: Les autres établissements ecclésiastiques sont suprimés. Frauenklöster wurden später ausgenommen. – Auf der rechten Rheinseite bestimmte aber Paragraph 42 des Reichs-Deputations-Hauptschlusses, daß zwar Frauenklöster nur im Einverständnisse mit dem Diöcesan-Bischofe zu säcularisiren seien, daß aber die Mannsklöster, deren Güter durch Paragraph 35 säcularisirt worden waren, der Verfügung der Landesherren unterworfen würden und daß beiderlei Gattungen nur mit deren Einwilligung Novizen aufnehmen dürften. Dieser Bestimmung wurde Folge gegeben.

Gesetzlich ist daran nie etwas geändert und vergebens beruft man sich auf die stillschweigende Aufhebung durch den Artikel 15 der preußischen Verfassung, welcher der Kirche die Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbstständig überläßt, denn die Klöster sind nicht die Kirche, sind kein integrirender Theil derselben, – vergebens auf den Artikel 13, welcher bestimmt, daß geistliche Gesellschaften Corporationsrechte nur durch besondere Gesetze erlangen können, woraus man deduciren will, daß die Grenze der rechtlichen Existenz nur in dem Mangel der Corporationsrechte zu finden sei, welche man nicht in Anspruch nimmt, sondern durch scheinbare Uebertragung des Eigenthums auf Privatnamen zu umgehen sucht, – denn jene Bestimmung enthält keineswegs die Aufhebung der früheren gesetzlichen Verbote; – vergebens endlich auf das durch Artikel 30 gestattete Vereinsrecht, denn der Begriff, den dieser Artikel mit einem Vereine verbindet, ist von Grund aus verschieden von dem eines Klosters und Ordens, welche, durch kirchliche Autorität geregelt, zu dauernden Zwecken und mittelst ewigen Gelübdes die ganze Persönlichkeit ihrer Angehörigen absorbiren, und durch ihre Verbindung mit meist sogar im Auslande liegenden Mutter- und Schwesteranstalten, oft unter einem ausländischen General stehend, gegen das Verbot des Paragraph 8 lit. 6 des Gesetzes vom 11. März 1850 verstoßen, wonach Vereine nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung treten dürfen.

Fast fünfzig Jahre nach der durch die französische Regierung standhaft gehandhabten Untersagung der Klöster und Orden hatte die katholische Kirche ohne solche in den Rheinlanden bestanden und gewirkt, da fingen sie an sich einzunisten und brachten es in kurzer Zeit zu einer Schrecken erregenden Verbreitung. Franciscaner, Capuziner, Dominicaner, Redemptoristen und Jesuiten, mit ihrem Anhange, den Schulbrüdern (frères ignorantins) und Schulschwestern, welchen beiden unter Zulassung des Staates öffentlicher Unterricht anvertraut wird, grauen Schwestern, Ursulinerinnen, Schwestern vom Herzen Jesu, Franciscanerinnen, Clarissen, Carmelitessen u. s. w. haben sich in Stadt und Land angesiedelt und theilweise gewaltige Gebäude gegründet. So ragen, um nur ein Beispiel anzuführen, in und um Münster ihre Paläste in die Höhe, deren Kosten man auf Millionen veranschlagen kann. Woher das Geld? Sie wollen alle existiren und da werden denn die Herzen mit der Furcht vor dem höllischen Feuer weich gemacht, daß sie unter Lebenden und von Todeswegen ihre Gaben spenden. Uns ist ein Fall vorgekommen, daß ein armes Mädchen, welches ihren wohlhabenden Oheim zu Tode gepflegt hatte, durch dessen Testament ein Vermögen von vierzehntausend Thalern erbte. Ihr Vater lebte als dürftiger Ackersmann mit vielen unversorgten Kindern. Aber es wurde dafür gesorgt, daß zu solchen weltlichen Zwecken nichts vergeudet würde. Bald nachher ging sie als Novize in ein Kloster und schenkte diesem die Hälfte ihres Vermögens; um sie jedem verwandtschaftlichen Einflusse zu entziehen, wurde sie dann in ein Schwesterkloster nach Paris spedirt, und nach Jahresfrist war auch die andere Hälfte ihres Vermögens weg. Solcher Fälle könnten wir noch manche anführen, während die meisten sich der Oeffentlichkeit entziehen, mit dem Schenkgeber eingesargt werden und nur in ihren Wirkungen, in den großartigen Klostergebäuden, deren Kosten bezahlt sind – wovon? weiß man sonst nicht –, an das Licht treten.

Nur in einzelnen Fällen, wie in dem berüchtigten de Buck’schen Processe in Belgien, wo ein junger Mensch planmäßig von den Jesuiten corrumpirt, ruinirt und criminell verfolgt wurde, um ihm die Gunst seines reichen Oheims zu entziehen und dessen großes Vermögen, mittelst eines untergeschobenen Testamentserben, dem Orden zuzuwenden, treten sie an das Tageslicht.

In und außer dem Beichtstuhl wird in solcher Weise gewirkt, und die weiblichen Orden, welche sich dem Unterrichte widmen, wissen sich und ihren Verbündeten zu helfen, indem sie die Töchter wohlhabender Eltern von der Herrlichkeit des Klosterlebens zu durchdringen und sie für sich zu gewinnen wissen. Freilich wird den Eltern vorhergesagt: man wolle die Neigung zum Klosterleben nicht in den Kindern wecken, wenn aber der Beruf im Innern entstehe, so dürfe man ihm nicht widerstreben. Da giebt es denn aber tausend Mittel, die Entstehung dieses Berufes zu befördern.

Einem wohlhabenden Manne, der uns bitter seinen Schmerz klagte, hatte man das auch vorhergesagt, als er seine Tochter einem klösterlichen Pensionat anvertraute. Als sie aber ins Vaterhaus zurückkehrte, bestürmte sie ihn mit Bitten um die Erlaubniß, den Schleier zu nehmen. – Das widerstrebte ihm und er weigerte sich standhaft. Da, an dem Tage, wo sie mit dem einundzwanzigsten Jahre die Großjährigkeit erreicht hatte, verschwand sie und schrieb ihrem Vater: er möge nicht um sie sorgen, sie fühle [73] sich unaussprechlich glücklich. Umsonst verfolgte der Vater ihre Spur; um sie seinen Nachforschungen zu entziehen, wurde sie von einem Schwesterkloster in das andere gebracht. Endlich wurde ihr Aufenthalt ermittelt und die Bestürmungen erneuerten sich, da sie wirklich kindlich an dem Vater hing. Um zu sehen, worauf es abgesehen sei, erklärte er zuletzt der Oberin: er wolle einwilligen, wenn auf alles Vermögen der Tochter verzichtet werde. Da hieß es aber: von Vermögen sei ja keine Rede, das wolle man Gott und der Zukunft überlassen. Hinterher fand sich versteckt in dem Zimmer des Mädchens eine Correspondenz mit einem Ordensgeistlichen, welche ihr immer heimlich durch dritte Hand zugesteckt war und worin er ihr wiederholt sagte: sie möge ihren Vater um die Einwilligung bitten, wenn er aber durchaus nicht wolle, so möge sie warten, bis sie mit einundzwanzig Jahren ihre eigene Herrin würde. – Durch ihn und seine Helfershelfer war sie aus dem väterlichen Hause in’s Kloster befördert worden.

Der wohlfeile Preis dieser Pensionate ist eine Lockspeise für die Eltern. Das benachbarte Belgien hat eine Menge Kloster-Pensionate für Jünglinge und Jungfrauen, wo Kost und Unterricht nur 300 Francs = 80 Thlr. kosten. Es wäre nicht möglich beides davon zu bestreiten, wenn es nicht andere Hülfsmittel gäbe. Freilich wird da nicht viel gelernt, aber die jungen Herzen werden für die Kirche bearbeitet und die Goldfische bleiben im Netze. –

Alle diese Orden arbeiten den Männer-Orden, insbesondere den Dominicanern, Redemptoristen und Jesuiten, worunter sie ihre Beichtväter haben und unter deren Leitung sie ihre geistlichen Exercitien machen, in die Hand. – Dazu wirken auch die zahlreichen kirchlichen Brüderschaften, Sodalitäten und Congregationen, die sich tief in das Volk, in die geistlichen und Lehrer-Seminare und in die Schulen erstrecken, wo, wie wir es an verschiedenen Orten erlebt haben, Denunciationssysteme gegen Lehrer und Schüler organisirt werden. Dazu wirken ferner die zahlreichen katholischen Gesellen-Vereine, die zwar das Gute haben, daß ihre Mitglieder durch Zusammenkünfte und Lustfahrten mit Gesang, Declamation und dramatischen Aufführungen von manchem Schlimmeren abgehalten werden, deren hierarchische Gliederung in der Leitung und Oberleitung durch Geistliche bis zum Erzbischofe hinauf aber andeutet, daß ihr Hauptzweck auf die Kirche berechnet ist, in deren Dienste sie denn auch zu Demonstrationen, Aufzügen, Processionen und bei politischen Wahlen verwendet werden. –

Ebenso wird die confessionelle Trennung in das gesellige Leben der mittleren und höheren Stände hinein getragen. Da giebt es in größeren Städten, beispielsweise in Aachen und Köln, geschlossene katholische Clubs, worin nur Katholiken aufgenommen werden. Wenn auch darin nicht katholisch Billard gespielt und katholischer Wein getrunken wird, so werden doch die Besucher dieser Clubs vor dem Gifte unrömischer Bücher und Journale bewahrt und ihnen nur gut katholische Zeitschriften, wie das Mainzer Journal, welches sich zur Devise das Calumniare audacter (nur keck verleumdet) genommen zu haben scheint, in die Hände gegeben, dieselben vor dem Umgange mit Protestanten behütet und bei städtischen und politischen Wahlen auf die compacte Masse der Mitglieder gewirkt.

In gleicher Weise wirken die durch ganz Deutschland verbreiteten katholischen Vereine. Diese hielten im September 1865 ihre General-Versammlung in Trier, die stärkste bisherige kirchliche Wander-Versammlung. Sie zählte 1364 Mitglieder, einschließlich 240 aus Trier selbst. Es wurde der heilige Rock zu Trier als das Symbol der katholischen Einheit dargestellt, gegen die schlechte Presse geeifert und die Einsetzung eines Preß-Bureau in Antrag gestellt, die Encyclica als eine große That des Papstes Pius des Neunten, besonders den gottlosen modernen Wissenschaften gegenüber, gepriesen. Der Pater Theodosius wurde als ausgezeichneter katholischer Volkswirth gerühmt und Görres als der größte Deutsche gefeiert, dem man in Coblenz ein Denkmal errichten müsse. Auch gegen die unmittelbaren Sphären des Staates wurde zu Felde gezogen. Für die Gefangenenhäuser wollte man geistliche Ordensbrüder als Gefängnißwärter. Namentlich galt der Angriff den staatlichen Schulen, bei denen doch die confessionellen Verhältnisse durch confessionelle Seminaristen, Lehrer und Schulpfleger so viel als möglich berücksichtigt werden. Das Unterrichts-Monopol des Staats, heißt es, sei ein Product des absolutistischen Polizeistaats und unverträglich mit den Rechten und der Selbständigkeit der Kirche. Man raube durch den Schulzwang die Kinder ihren Eltern, um sie dem Glauben zu entfremden. Der Schulzwang führe zur Afterweisheit und befördere den Zwiespalt zwischen Gebildeten und Ungebildeten! Der Staat handle wie Pilatus, indem er sich zur religiösen Wahrheit in der Schule gleichgültig stelle, und die Eltern, welche ihre Kinder in unchristliche Schulen schickten, wie der umgekehrte Mortara, welcher sein Kind, das er in den besten Händen wußte, zurück haben wollte, während sie ihre Kinder theilnahmlos dem Moloch hingäben. Die Eltern sollten daher ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, sondern sich ruhig (von den Gerichten) wegen Schulversäumniß strafen lassen. Beharrten sie dabei, so würde das Strafen bald aufhören. Schließlich wurde gegen den Schulzwang feierlichst Protest erhoben und die Verwendung der katholischen Fonds und der Steuern der Katholiken zur Bezahlung nichtkatholischer Lehrer und Professoren und zur Verbreitung nichtkatholischer Lehren für eine schwere Rechtsverletzung erklärt, gegen welche und gegen den Staatsschulzwang man die Hülfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen habe.

Daß eine solche directe Aufforderung zum Ungehorsam und zum Widerstande gegen die staatlichen Gesetze, wobei man einerseits den Gerichten trotzen, andererseits ihre Hülfe in Anspruch [74] nehmen soll, nur darauf berechnet ist, den Volksunterricht den Jesuiten und anderen Ordensbrüdern in die Hände zu spielen und das Volk zu einer für den ultramontanen Obscurantismus förderlichen Verdummung zu führen, bedarf keines Beweises. Daran schloß sich ferner ein Bericht über die Bemühungen zur Gründung einer freien deutschen katholischen Universität, wofür Sammelvereine in allen deutschen Diöcesen errichtet seien und wofür sich ein Frauenverein unter dem Protectorate einer österreichischen Erzherzogin gebildet habe.

Auch ein Bericht über den Bonifacius-Verein wurde erstattet, woraus sich ergiebt, daß derselbe seine missionirende Thätigkeit besonders in Norddeutschland, in Schleswig-Holstein, Rügen, Pommern, in den Diöcesen Köln und Paderborn ausübt und im Jahre 1864 bei 60,000 Thlr. Einnahme 212 Missionsstellen, und zwar zur Hälfte geistliche und zur anderen Hälfte Lehrstellen, unterhalten hat.

Der Nimbus der Heiligkeit, womit sich die Männerorden zu umgeben wissen, zieht viele Personen, namentlich Frauen, von ihrer in dem Pfarr-Amte geordneten Seelsorge ab und jenen zu, und da wird denn jedes Mittel benutzt, die Gemüther zu erforschen und durch Einwirkung auf den beschränkten Verstand möglichen Schaden von der Kirche abzuwenden. So examinirte ein Ordens-Geistlicher eine bei einer protestantischen Familie in Dienst stehende katholische Magd: ob im Hause auch von religiösen Dingen mit ihr gesprochen werde? Anfänglich verneinte sie dieses, doch schließlich da fiel ihr ein, daß vor einiger Zeit der dreizehnjährige Sohn ihrer Herrschaft ihre Behauptung, daß die heiligen drei Könige katholisch gewesen, bestritten habe. Sie theilte es mit – der gelehrte Herr schüttelte den Kopf und meinte: wenn dergleichen Dinge öfters vorkämen, dann thäte sie doch besser, den Dienst zu kündigen. – So wird das Mißtrauen auch in das Innere der Familie gesäet und auch hier eine confessionelle Scheidewand gezogen.

[135]
III.
Die Jesuiten. – Der schwarze Papst. – Jesuiten-Etablissements am Rhein. – Die Jesuiten als Kaufleute und Bankiers. – Ihr Weltbürgerthum und blinder Gehorsam. – Die Jesuitenmissionen. – Pater Klinkowström und die Bibel. – Die Jesuiten in kurzen Röcken. – Der rheinisch-westphälische Adel und seine nahe Verwandtschaft mit den Jesuiten. – Die Priester vor und in dem letzten Kriege.


Was wir über die Wirksamkeit der geistlichen Orden sagten, findet vorzugsweise seine Anwendung auf den Orden der Jesuiten.

Es kann nicht unsere Absicht sein, hier eine Geschichte dieses weltbekannten Ordens und seiner Tendenzen, seiner Aufhebung durch Papst Clemens den Vierzehnten im Jahre 1773 und seiner Wiederherstellung durch Pius den Siebenten 1814 zu schreiben. Wir wollen nur kurz andeuten, daß derselbe, von eben so befähigten wie fanatisch erregten Männern gegründet, seine ganze Kraft, nachdem das erste Ziel auf das gelobte Land gescheitert war, gegen die gleichzeitige Reformation richtete, als eine stets gerüstete Miliz, allezeit zu kämpfen bereit für Gottes Statthalter, den heiligen Vater zu Rom und die alleinseligmachende Kirche, – daß in diesem Sinne der Orden große Macht über alle politischen Ereignisse entfaltete, Kaiser und Könige maßgebend beeinflußte und zuletzt sogar sich als Selbstzweck über die Kirche und diese beherrschend hinstellte, so daß man in Rom dem Jesuiten-General, dem schwarzen Papst, mehr Gewalt zuschreibt, als dem weißen, dem heiligen Vater.

Der Orden ist jetzt, so viel wir wissen, in einundzwanzig Provinzen vertheilt, Davon kommen vier auf Frankreich, fünf auf Deutschland (Holland mit Belgien einbegriffen), zwei auf Spanien, fünf auf Italien, eine auf Mexico und vier auf England, Irland und die Vereinigten Staaten. Es ist indessen schwer für den Uneingeweihten, darüber sowie über die Zahl der Mitglieder und deren Vertheilung in die einzelnen Provinzen Gewißheit zu erlangen. Sehen wir aber auf Preußens westliche Provinzen, so können wir schon ermessen, wie groß die Zunahme und die Verbreitung ist. In Paderborn, in Münster, in Köln, Aachen, Bonn, Coblenz haben sie sich festgesetzt und theilweise große Gebäude und im Widersprüche mit den früher berührten organischen Artikeln, aber unter Connivenz der Staatsregierung große Kirchen für den öffentlichen Gottesdienst erbaut. In der ehemaligen Benedictiner-Abtei Laach am Laacher See bei Andernach haben sie ein Scholastikat errichtet, welches über zweihundert Köpfe und darunter über ein Viertheil Priester zählt. – In dem angrenzenden Mainz hat ihnen sogar ihr zelotischer Beschützer, der Bischof von Ketteler, im Widerspruche mit den auch dort geltenden französischen Gesetzen, wie mit dem Magistrat und den großherzoglich hessischen Ständen, die Pfarrkirche St. Christoph und die dazu gehörige Pfarrerwohnung überwiesen.

Die Personen aber in diesen Anstalten wechseln fortwährend. Bald sind es Franzosen bald Belgier, bald Schweizer, bald Deutsche, und wir wissen nicht, ob bei den noch bestehenden Nationalitäts- und Freizügigkeits-Beschränkungen der Staat irgend eine Controle darüber führt. Von Erwerbung des Bürgerrechts ist keine Rede. Der Wille ihres Ordens-Generals und ihrer Provinzialen ist der Rechtstitel für ihr Eindringen.

Woher sie die Mittel zu solchen großartigen Anlagen und zu ihrer Subsistenz nehmen, haben wir oben schon angedeutet. Freilich besitzt der Orden im Großen und Ganzen großartige Hülfsquellen. Ungeachtet schon Papst Benedict der Vierzehnte allen Geistlichen, womit vorzüglich die Jesuiten gemeint waren, jede Art von Handelsgeschäften verbot, treiben sie den Handel in großem Maße. Es ist bekannt, daß fast der ganze Handel mit Cocosöl aus der Südsee in ihren Händen ist. In Frankreich und Belgien betreiben sie in der Form von Commandit-Gesellschaften Bankgeschäfte. Dabei besteht aber das Princip bei ihnen, daß jede einzelne Anstalt vorzugsweise für sich selbst sorgen muß, und das muß dann erworben werden.

Daß bei dieser Weltstellung eines nach Weltherrschaft strebenden Ordens von Liebe zum Vaterlande, von staatlichen und nationalen Interessen keine Rede sein kann, leuchtet ein. Wer dem Orden angehören will, der muß alle natürlichen und menschlichen Regungen in sich ersticken, der muß Eltern, Geschwister und Freunde aus seinem Herzen reißen, der muß in blindem Gehorsam seinen Obern folgen, denn „wer im Gehorsam lebt“ sagen die Constitutionen des Ordens, „läßt sich von der göttlichen Vorsehung durch seine Obern leiten und regieren, wie wenn er ein Leichnam wäre (perinde ac cadaver) oder ein Stab, welcher dem Träger auf jede beliebige Weise dient.“

Sind nun die Interessen des Staates dem Orden fremd, steht er zufolge der ihm schon im Jahre 1549 durch den Papst Paulus den Dritten ertheilten Privilegien nicht unter der Diöcesangewalt [136] der Landesbischöfe, so darf er auch nicht öffentlich lehren, predigen und nicht in den Organismus der kirchlichen und Unterrichtsanstalten des Staates eingreifen, nicht den Frieden der Confessionen stören, wie solches durch die öffentlich verkündete Lehre eines seiner berühmtesten Kanzelredner unserer Zeit, des päpstlichen Theologen Perrone, geschieht: „Der Protestantismus und seine Verbreiter sind in religiöser Hinsicht das, was in natürlicher Hinsicht die Pest ist.“

Eine hauptsächliche Wirksamkeit suchen und finden die Jesuiten in ihren Missionen. Mit Genehmigung der Bischöfe, von deren Disciplin sie doch durch päpstliche Privilegien eximirt sind, durchziehen ihre begabtesten Redner das Land, um allerwärts ihre einstudirten, anfangs zahmen, später aber polemischen Reden zu halten und dadurch das Volk für ihre Zwecke zu bearbeiten. Da wird denn großes Gepränge gemacht, gepredigt, Beichte gehört, da werden zum Andenken an die Mission in dem und dem Jahre – Steinkreuze auf öffentlichen Plätzen errichtet, vor welchen noch nach Jahren die Gläubigen knieend mit aufgehobenen Händen beten. Selbst in fast durchaus protestantische Gegenden, wie vor einigen Jahren nach Halle (wo ihre Polemik eine entgegengesetzte Polemik weckte), tragen sie den religiösen Hader ihrer exclusiven Lehren und suchen dadurch Terrain zu gewinnen.

Als im Juli 1864 im Dom zu Köln das Jubelfest der vor siebenhundert Jahren erfolgten Einbringung der Reliquien der heiligen drei Könige aus Mailand gefeiert werden sollte, hatte der Erzbischof von Köln mit Umgehung der Diöcesan-Geistlichkeit Jesuiten berufen, um in der Octave jeden Vor- und Nachmittag im Dome zu predigen. Mit Recht wurde es damals in den Zeitungen gerügt, daß durch die Thore des Doms, von denen Friedrich Wilhelm der Vierte am 4. September 1842 an dem Feste der Grundsteinlegung gesagt hatte: „Hier, wo der Grundstein liegt, sollen sich die schönsten Thore der Welt erheben. Nie finde diesen Weg … das Rütteln an dem Frieden der Confessionen,“ die Jesuiten einziehen sollten, welche den Protestantismus als eine Pest bezeichnen.

In solchen Predigten pflegen sie denn auch der historischen Wahrheit geradezu in’s Gesicht zu schlagen. So erzählen die Wiener Blätter von dem als Kanzelredner berühmten Jesuiten Pater Klinkowström, der längere Zeit auch am Rhein missionirend wirkte, er habe in einer zu Wien gehaltenen Bußpredigt die Männer angegriffen, welche in der Wissenschaft Lehren aufstellten, die denen der heiligen Schrift widersprächen, und sich dabei in folgenden Worten auf Galilei bezogen: „Jener verwegene florentinische Professor wagte es, gestützt auf das Resultat seiner Forschungen, die Schrift eines Irrthums zu zeihen; aber die Kirche zog den Verwegenen zur Verantwortung, er mußte widerrufen und die späteren Ergebnisse der Wissenschaft haben bewiesen, daß es kein Irrthum sei, wenn die heilige Schrift den Satz ausgesprochen hat, die Sonne stehe unbeweglich und die Erde drehe sich.“ Und doch heißt es im Buche Josua, Cap. 10, v. 12: Sonne, stehe still zu Gibeon … Da stund die Sonne etc. Hiernach soll ja die Sonne in ihrem Laufe um die Erde gehemmt worden sein, und gerade weil Galilei behauptet hatte, die Erde laufe um die Sonne, wurde er zur Verantwortung gezogen. Das ist denn doch stark!

Die Jesuiten mischen sich allerwärts in die durch die Pfarrgeistlichkeit geordnete Seelsorge und die Bischöfe lassen es ungeachtet der eben erwähnten Exemtion von ihrer Diöcesangewalt, – sei es aus Uebereinstimmung mit ihnen, sei es aus Furcht vor ihren Denunciationen in Rom – nicht nur geschehen, sondern unterstützen und beleben sie noch in ihrer Thätigkeit. –

So ertheilt ihnen der jüngst verstorbene Cardinal-Erzbischof von Köln in einem Hirtenbriefe vom 6. Januar 1864 das höchste Lob, rechtfertigt sie gegen jeglichen Vorwurf und erklärt, daß sie nur den faulen Frieden, den Frieden des sittlichen Todes störten. – So verlangte der verstorbene Bischof Arnoldi zu Trier für sie die dem Staate gehörige und von dem Könige Friedrich Wilhelm dem Vierten zum Simultan-Gottesdienste bestimmte prächtige Kirche zu Laach, indem es seine Absicht sei, seine Diöcesan-Geistlichkeit dort ihre geistlichen Erercitien abhalten zu lassen, – die Erercitien des heiligen Ignatius von Loyola, – wo der Mensch durch wochenlanges Beten und Kasteien, durch phantastische Betrachtungen von Himmel, Hölle und Fegefeuer so von den Glaubenslehren der Jesuiten erfüllt, so morsch und mürbe gemacht wird, daß er einem Leichnam gleich, perinde ac cadaver, unter ihren Händen bleibt.

Vor diesem Schicksal der Trierschen Diöcesangeistlichkeit hat sie vorläufig der abschlägige Bescheid der Regierung gerettet. –

Ein Beispiel, wie die Jesuiten, wenn sie sich stark genug fühlen, ihre Exemtion von der Diöcesangewalt geltend machen, liefert uns Frankreich, wo man sie in der trüben Zeit der Restauration factisch hat erstehen lassen. Im Februar 1864 wollten sie es nicht zugeben, daß ein Abgesandter des Erzbischofs ihre Kirche inspicire, und erklärten das Thor derselben vor ihm verschließen zu wollen. Der Erzbischof soll die Unterstützung des Präfecten angerufen, die Jesuiten aber sich beschwerend an den Papst gewendet haben. Welchen Ausgang dieser Streit gehabt hat, wissen wir nicht.

Es kann nicht fehlen, daß sich die Jesuiten durch alle dergleichen Mittel Partei schaffen, und dazu wirken denn noch, außer den oben berührten mit ihnen zusammenhängenden Sodalitäten und Congregationen, die Affiliationen. Außer den verschiedenen Classen der Mitglieder des Ordens gehören nämlich noch dazu die Affiliirten, Adjuncten oder sogenannte Jesuiten in kurzen Röcken, Laien aus allen Ständen, welche dem Orden Gehorsam geloben und unerkannt für seine Zwecke wirken. Solche Affiliirte sucht sich nun der Orden gern auch unter den höhern einflußreichen Ständen. Es ist behauptet und nicht widersprochen worden, daß der größte Theil des katholischen sogenannten autonomischen Adels in Rheinland-Westphalen dazu gehöre, und die ultramontane Richtung dieses Adels redet dieser Behauptung das Wort. Man erinnert sich, wie die katholische Geistlichkeit und der katholische Adel Belgiens ein Hauptfactor der belgischen Revolution war und mit welcher lebhaften Parteinahme auch der diesseitige katholische Adel ihre Erfolge begleitete. Man erinnert sich ferner des Auftretens des letzteren bei der Ernennung des Erzbischofs Clemens August und bei dem Conflict mit demselben, wie bei der in neuer Zeit mit den drei Grafen Schmiesing-Kerssenbroeck gemachten Demonstration. Man weiß es, wie Brautpaare aus dieser Genossenschaft sich zur Eingehung des Ehestandes durch die Exercitien des heiligen Ignatius vorbereiten. Aber Beweise für jene Behauptung lassen sich nicht wohl beibringen, weil die Thatsachen sich der Oeffentlichkeit entziehen. An Vermuthungen fehlt es indessen nicht.

Als, wenn wir nicht irren im Jahre 1855, beim Zusammentritte des Preußischen Landtags sich die katholische Fraction reconstituirte, leitete der Freiherr v. Walbott-Bassenheim-Bornheim die eingeladene Versammlung mit einer feurigen Lobrede auf die Jesuiten ein und verflocht sie dadurch als maßgebend in die Politik, den Beruf des Landtags. Unglücklicher Weise hatte man aber auch irrthümlich einen Protestanten geladen, welcher, sei es unkundig, sei es nicht, der Einladung gefolgt war. Man kann denken, welchen Schrecken es erregte, als dieser den Irrthum aufklärte und die Sache nun durch ihn bekannt wurde.

Auch bei dem Ankaufe der oben erwähnten Abtei Laach war ein Graf v. Schaesberg neben mehreren Jesuiten der Haupt-Ankäufer. –

Diese Blätter wurden schon vor mehreren Monaten geschrieben. Seitdem hat sich das, was über die politischen Tendenzen des Ultramontanismus darin gesagt wurde, an den jüngsten Ereignissen vollkommen bewährt.

Die ultramontanen Kölner Blätter haben zwar, was Treitschke im letzten Juliheft der Preußischen Jahrbücher behauptet: „daß noch während des Krieges ultramontane Prediger am Rhein von der Kanzel und dem Lehrstuhle herab die Gläubigen und die Kinder ermahnten, für den Sieg Oesterreichs zu beten, sonst werde das Rheinland lutherisch gemacht,“ einfach mit dem Worte „Lüge“ bezeichnet, aber die Sache ist dennoch wahr. Die Kölner Blätter sind selbst noch wegen gehässig zu Gunsten Oesterreichs gegen Preußen aufregender Artikel, welche von einem katholischen Pfarrer auf dem Hundsrück herrühren, mit diesem in gerichtlicher Untersuchung.

Als der Bundesbeschluß vom 14. Juni v. J. bekannt wurde, da entstand eine unverhohlene Freude im ultramontanen Lager am Rhein. Die Sorge der Freunde Preußens über dessen isolirte Stellung gegen Oesterreich und die Mehrzahl der Bundesstaaten hielt gleichen Schritt mit den Hoffnungen der Ultramontanen auf die Demüthigung Preußens unter das katholische Oesterreich. Zu den Landtagswahlen adoptirten sie überall ein ähnliches Programm, [137] wie die bis dahin heftig von ihnen angefeindete Fortschrittspartei, und suchten sich dieser anzuschließen. Wenn diese auf ihre Fahnen schrieb: Keinen Pfennig dieser Regierung oder diesem Systeme! – so lautete die Inschrift Jener: Keinen Pfennig zu diesem Bruderkriege! Offenbar hatte die Bruderliebe daran den geringsten Theil.

Während in Wien der Jesuitenpater Klinkowström von den Kanzeln gegen die „preußischen Teufel“ donnerte, ergriff auch am Rhein fast die ganze katholische Geistlichkeit heftig Partei gegen Preußen und wirkte in diesem Sinne. So beispielsweise ein sonst milder Pfarrer in einer kleinen Stadt am Rhein, welcher, als er um eine Gabe für die Verwundeten angesprochen wurde, erklärte: er gebe nichts für die Preußen. Ueberall hörte man, daß die Geistlichen die zum Heere Berufenen ermahnten, nicht auf die Oesterreicher zu schießen, sondern die Gewehre hoch zu halten oder wegzuwerfen, wenn sie diesen gegenüberständen; und ein Geistlicher, welchem genossener Wein das Herz und den Mund zu sehr geöffnet hatte, entging, nachdem er Aehnliches öffentlich zu mehreren Einberufenen gesagt, mit genauer Noth dem Strafgesetze. Ein Landwehr-Unterofficier erzählte, daß sein Seelsorger ihn in der Beichte, die er vor dem Ausmarsch abgelegt, gefragt habe: was er thun würde, wenn er den Oesterreichern gegenüberstände? und als er darauf erwidert: er werde, getreu seinem Eide, als Soldat seine Schuldigkeit thun, da habe ihn Jener belehrt, das sei ein erzwungener Eid, den er nicht halten dürfe. Ein Anderer erklärte: sein Beichtvater habe ihm die Absolution verweigert, wenn er sich nicht verpflichte, nicht auf die Oesterreicher zu schießen. So versuchte man überall die Treue zu lösen und die Interessen des Staates unter die Tendenzen der römischen Kirche zu knebeln. Ein königlicher Landrath, welcher einer der ersten sogenannten autonomischen Familien des katholischen rheinischen Adels angehört, sagte laut in einer Gesellschaft: er freue sich, nach so vielen traurigen Nachrichten einmal wieder eine freudige bringen zu können – und da brachte er die von der Schlacht bei Custozza!

Solche Züge, die nicht böswillig erfunden, sondern wahrheitsgemäß vorgetragen sind, beweisen, was Preußen von dieser Seite zu erwarten hat; und mit vollem Herzen stimmen wir in die von Heinrich v. Treitschke gehegten Hoffnungen ein. Glaubensfreiheit, aber nicht, wie bisher, Begünstigung einer Partei, deren Parole die Verneinung Preußens ist!




Wir glauben in Vorstehendem unsere Aufgabe: die ultramontanen Strömungen und ihre Gefahr für den Preußischen Staat nachzuweisen, soviel als möglich thatsächlich gelöst zu haben und kommen nun noch zu einigen Schlußbetrachtungen.

Geistliche und weltliche Knechtschaft gehen gewöhnlich Hand in Hand, und darum scheint es erklärlich, wenn der Rundschauer der Kreuzzeitung gesagt haben soll: „Den Liberalen gegenüber sind die Jesuiten unsere Freunde und Brüder.“ – Aber ein gefährliches Experiment ist für einen Staat mit einer überwiegend protestantischen Bevölkerung, mit einem protestantischen Könige an der Spitze, ein Pact mit einer Partei, deren Grundprincip die Negation dieses Staates ist und die fortwährend nicht nach Berlin, sondern über Wien nach Rom blickt. Kurzsichtig müßten wir es daher nennen, wenn es wahr wäre, daß ein hoher Staatsmann geäußert haben solle: „Wir kennen diese – aber wir brauchen sie.“

Wir haben es gesehen, wie die katholische Fraction des Abgeordnetenhauses blos ihren principiellen Vortheil sucht und nur, wo dieser nicht in’s Spiel kommt, zur Regierung hält, wo er aber auch nur entfernt gefährdet werden könnte, ihr gegenübertritt. Wir halten die Bildung dieser Fraction für ein Unglück, weil ihr Princip auf einer ungehörigen Vermischung heterogener Dinge, Politik und Kirche, beruht. Wo die Religionsfreiheit, die Freiheit der katholischen Kirche wirklich bedroht ist – und dazu hat diese bei der Tendenz und den Handlungen der gegenwärtigen Regierung wenig Gefahr – da werden die Verfassungstreuen aller Confessionen entgegentreten. In politischen Fragen aber gehen die Mitglieder der katholischen Fraction von der Rechten zur Linken weit auseinander und vergebens haben sich einige ihrer Führer, im Widerspruch mit ihren früher geäußerten freisinnigen Ansichten, bemüht, sie zusammen zu halten, um sich in rein politischen Fragen der Regierung gefällig zu erweisen und politische und selbst commercielle Bündnisse mit katholischen Staaten zu erzielen. – Wer dem Absolutismus Concessionen macht, um seinerseits größere factische Concessionen für seine Kirche zu erlangen, der taugt nicht zum deutschen, nicht zum preußischen Abgeordneten, der ist ein unzuverlässiger, selbstsüchtiger Freund der jeweiligen Regierung und wird bei sich ergebender Gelegenheit bald von ihr abfallen. Gerechtigkeit gegen Alle, wahres und treues Festhalten an Gesetz und Verfassung, starke Zurückweisung aller darüber hinausgehenden Ansprüche, welche nur dem Einen zu Gute kommen, den Andern aber schädigen, das ist die alleinige dauerhafte Grundlage aller staatlichen Ordnung.

Schwache Nachgiebigkeit aber gegen eine Partei, welche die Kirche über den Staat, den Papst über den König setzt, wie wir sie oben an mehreren Beispielen nachgewiesen haben, kann nur zu immer weiter gehenden ungerechtfertigten Prätensionen und endlich zur Unterordnung des Staates unter die Kirche und im Augenblicke der Gefahr zum Sturze des Staates führen. Es liegt uns ein Hirtenbrief des Erzbischofs von Köln, Johannes von Geissel, welcher dem Könige die Berufung auf den erzbischöflichen Stuhl verdankte, vom 22. März 1848 vor, worin derselbe, damals als Thron und Staat wankten, ungleich seinem Standesgenossen, dem edlen Fürstbischof von Breslau, Melchior von Diepenbrock – kein Wort für den preußischen Staat und seinen König hat, – ein Hirtenbrief, welcher nur die Kirche im Auge hat und übrigens für jede Staatsform, für die Republik wie für die Monarchie paßt.

Der preußische Staat sei also auf seiner Hut, er halte sich fern von dem Liebäugeln mit jener Partei wie von Vertrauensseligkeit gegen sie, er halte sich stark im Rechte und sorge, daß seine Interessen der katholischen Kirche gegenüber mit Treue und Umsicht vertreten werden.

Wir aber wollen, so viel an uns ist, der ultramontanen Strömung widerstreben, und rufen uns die Ultramontanen zu: Hie Rom! so antworten wir ihnen mit dem Rufe: Hie Vaterland!


  1. Mit diesem ersten Artikel eröffnen wir eine Reihe von Aufsätzen über das wichtige Thema, die wir der Feder eines Mannes verdanken, dessen Name weit über die Grenzen Preußens hinaus ein hochgefeierter ist.
    D. Red.