Schlachtfeld bei Hastings

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Autor: Heinrich Heine
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Titel: Schlachtfeld bei Hastings
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aus: Romanzero, Hamburg, Hoffmann und Campe, 1851. Seiten 21–27.
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Entstehungsdatum: vor 1851
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Hoffmann und Campe
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Scans auf Commons
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[21]

 Schlachtfeld bei Hastings.[1]

Der Abt von Waltham seufzte tief,
Als er die Kunde vernommen,
Daß König Harold elendiglich
Bei Hastings umgekommen.

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Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,

Die schickt’ er aus als Boten,
Sie sollten suchen die Leiche Harold’s
Bei Hastings unter den Todten.

Die Mönche gingen traurig fort

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Und kehrten traurig zurücke:

„Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,
Wir sind verlassen vom Glücke.

„Gefallen ist der bessre Mann,
Es siegte der Bankert, der schlechte,

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Gewappnete Diebe vertheilen das Land

Und machen den Freiling zum Knechte.

[22]
„Der lausigste Lump aus der Normandie

Wird Lord auf der Insel der Britten;
Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam

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Mit goldnen Sporen geritten.


„Weh’ dem, der jetzt ein Sachse ist!
Ihr Sachsenheilige droben
Im Himmelreich, nehmt euch in Acht,
Ihr seid der Schmach nicht enthoben.

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„Jetzt wissen wir, was bedeutet hat

Der große Komet, der heuer
Blutroth am nächtlichen Himmel ritt
Auf einem Besen von Feuer.

„Bei Hastings in Erfüllung ging

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Des Unsterns böses Zeichen,

Wir waren auf dem Schlachtfeld dort
Und suchten unter den Leichen.

„Wir suchten hin, wir suchten her,
Bis alle Hoffnung verschwunden –

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Den Leichnam des todten Königs Harold,

Wir haben ihn nicht gefunden.“

[23]
Asgod und Ailrik sprachen also;

Der Abt rang jammernd die Hände,
Versank in tiefe Nachdenklichkeit

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Und sprach mit Seufzen am Ende:


„Zu Grendelfield am Bardenstein,
Just in des Waldes Mitte,
Da wohnet Edith Schwanenhals
In einer dürft’gen Hütte.

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„Man hieß sie Edith Schwanenhals,

Weil wie der Hals der Schwäne
Ihr Nacken war; der König Harold,
Er liebte die junge Schöne.

„Er hat sie geliebt, geküßt und geherzt,

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Und endlich verlassen, vergessen.

Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr’
Verflossen unterdessen.

„Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib
Und laßt sie mit euch gehen

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Zurück nach Hastings, der Blick des Weib’s

Wird dort den König erspähen.

[24]
„Nach Waltham-Abtei hierher alsdann

Sollt ihr die Leiche bringen,
Damit wir christlich bestatten den Leib

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Und für die Seele singen.“


Um Mitternacht gelangten schon
Die Boten zur Hütte im Walde:
„Erwache, Edith Schwanenhals,
Und folge uns alsbalde.

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„Der Herzog der Normannen hat

Den Sieg davon getragen,
Und auf dem Feld bei Hastings liegt
Der König Harold erschlagen.

„Komm’ mit nach Hastings, wir suchen dort

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Den Leichnam unter den Todten,

Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,
Wie uns der Abt geboten.“

Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,
Sie schürzte sich geschwinde

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Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar,

Das flatterte wild im Winde.

[25]
Es folgte baarfuß das arme Weib

Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.
Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon

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Zu Hastings die kreidige Klippe.


Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt
Als wie ein weißes Lailich,
Zerfloß allmählig; es flatterten auf
Die Dohlen und krächzten abscheulich.

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Viel tausend Leichen lagen dort

Erbärmlich auf blutiger Erde,
Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,
Daneben die Aeser der Pferde.

Es wadete Edith Schwanenhals

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Im Blute mit nackten Füßen;

Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug’
Die forschenden Blicke schießen.

Sie suchte hin, sie suchte her,
Oft mußte sie mühsam verscheuchen

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Die fraßbegierige Rabenschaar;

Die Mönche hinter ihr keuchen.

[26]
Sie suchte schon den ganzen Tag,

Es ward schon Abend – plötzlich
Bricht aus der Brust des armen Weib’s

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Ein geller Schrei, entsetzlich.


Gefunden hat Edith Schwanenhals
Des todten Königs Leiche.
Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,
Sie küßte das Antlitz, das bleiche.

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Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,

Sie hielt ihn fest umschlossen;
Sie küßte auf des Königs Brust
Die Wunde blutumflossen.

Auf seiner Schulter erblickt sie auch –

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Und sie bedeckt sie mit Küssen –

Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,
Die sie einst hinein gebissen.

Die Mönche konnten mittlerweil’,
Baumstämme zusammenfugen;

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Das war die Bahre, worauf sie alsdann

Den todten König trugen.

[27]
Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,

Daß man ihn dort begrübe;
Es folgte Edith Schwanenhals

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Der Leiche ihrer Liebe.


Sie sang die Todtenlitanei’n
In kindisch frommer Weise;
Das klang so schauerlich in der Nacht –
Die Mönche beteten leise. –

Anmerkungen (Wikisource)