Schrift und Schrifttum:18

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Besigheim vom 17. März 1522 die gleichzeitige Ueberschrift des vorausgehenden Registers nennen: register des sal- und legerbuch zu Besigheim. In den Berichten der Beamten, denen die Erneuerung der 20er Jahre übertragen war, und die unter dem Titel Spannbücher mit einzelnen jüngeren Stücken vereinigt sind, findet sich diese Bezeichnung hin und wieder. Man kann aus allen diesen Stellen nur den Schluß ziehen, daß sie längst zum anerkannten und gangbaren Sprachschatz der Kanzlei und ihrer untergeordneten Beamten gehörte. In den Erneuerungen von 1520–29 findet sie gelegentlich Verwendung bei Hinweisen auf „das alte Lagerbuch“, während auf das jeweils neu angefertigte Buch als „Erneuerung“ hingewiesen wird. Später haben die Keller gerne auf die Rückentitel ihrer Erneuerungen Lagerbuch geschrieben. Man erkennt, daß sich im Lauf der Jahrhunderte in seiner Verwendung kaum etwas geändert hat. Es ist offenbar als die handlichere Bezeichnung dem schwerfälligen „Erneuerung“ vorgezogen worden, obgleich man dieses in den Ausfertigungen selbst festhielt, weil es der Rechtsprechung bekannt war.

Ueber die Verbreitung des Wortes außerhalb des Herzogtums Württemberg ist heute wohl noch nicht entgültig zu sprechen; man hat vielleicht bis jetzt zu wenig darauf geachtet. Aus Pforzheim ist es im 16. Jahrhundert belegt; aus Horb 1693 ein Legerbuch der Mittleren Sammlung der Schwestern St. Francisci Ordens. Sicher ist, daß es im 18. Jahrhundert da und dort auch in benachbarten Verwaltungen, möglicherweise unter unmittelbarem Einfluß von Württemberg zu finden ist. Von 1730 liegt z. B. ein „Saal- oder Lägerbuch“ der Domkapitlisch augsburgischen Aemter Gmünd und Lorch, von 1791 ein Lagerbuch über Fridingen vor. Bemerkenswert ist auch, daß in Heidenheim, wo unter bairischem Einfluß die Amtsbezeichnung Kastner (st. Keller) sich erhält, 1607 ein „Söld-, Saal- und Lagerbuch“ angelegt wird. Noch früher ist in einer Erneuerung der Speth v. Zwiefalten ein Eintrag von ca. 1580, der den Ausdruck gebraucht. Ursprünglich scheint es auf Altwürttemberg bebschränkt

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gewesen zu sein. Vielleicht hatten ähnlich auch andere Herrschaften ihre besonderen Bezeichnungen. So nennt sich beispielsweise das Salbuch der Herrschaft Cadolzburg von 1464 (Monumenta Boica N. F. Bd. II, Teil 1, S. 13) lantpuch, was in dieser Bedeutung die Lexika nicht kennen. Auch der Name Berain im Elsaß, Schweiz und alemannischen Baden dürfte hierher gehören.

Die Frage nach der sprachlichen Deutung des Ausdrucks Lagerbuch ist bis jetzt noch nicht befriedigend gelöst. Um hier die Antwort zu finden, ist es nötig, die Aufgabe zu erkennen, die den Rodeln, den Urbaren und den Lagerbüchern von allem Anfang an gestellt war. Wir beginnen zunächst damit, auszuschließen, was sie nicht sind.

Sie dienen nicht zur unmittelbaren Verwendung bei Einzug und Verrechnung der Gefälle und Gülten. Dafür hat man außer den Kerbhölzern und Rechnungsbüchern besondere Listen und Verzeichnisse, die Haisch-, auch Zinsbücher genannt werden und dauernd auf dem laufenden gehalten, erneuert, ergänzt und verbessert werden müssen, weil die Namen der Zinspflichtigen häufig wechseln. Die Lagerbücher dagegen werden nur in größeren Zwischenräumen erneuert, oft erst nach 80 oder 100 Jahren. Als nach den Zerstörungen des dreißigjährigen Kriegs die verlassenen Lehengüter nur langsam wieder besiedelt werden konnten, wurden die Beamten angewiesen, bei der Erneuerung für die unbesetzten Grundstücke einfach den Eintrag des alten Lagerbuchs in das neue herüberzunehmen. Wichtiger als die Nennung des lebenden Zinsers erschien der Nachweis des Grundstücks und des davon zu entrichtenden Zinses. Wenn ein neuer Beständer sich einfand, genügte es, daß der Keller den neuen Namen in seinen Einzugslisten nachtrug. Zuweilen sind solche Einträge auch in den Lagerbüchern selbst gemacht worden; sie ändern nichts am Grundcharakter des Lagerbuchs.

Auch mit der Aufbewahrung und Verwaltung der Naturalgefälle hat das Lagerbuch nichts zu schaffen. Getreide wird im „Kasten“, der Wein im „Keller“ verwahrt (vgl. die Ordnung von 1422/3, Württ. Vierteljahreshefte

Gebhard Mehring: Schrift und Schrifttum
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