Schwäb. Gmünd und seine Umgebung

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Autor: Bernhard Kaißer
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Titel: Schwäb. Gmünd und seine Umgebung
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aus: Blätter des Schwäbischen Albvereins, 19. Jg., Nr. 10, 1907, Sp. 265-276
Herausgeber: Prof. Nägele
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1907
Verlag: Verlag des Schwäbischen Albvereins
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
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[265-266]
Schwäb. Gmünd und seine Umgebung.
Von Prof. B. Kaißer. Mit 14 Bildern.

Elf volle Jahre liegen zwischen der letzten Herbstversammlung des Schwäb. Albvereins in hiesiger Stadt und der, welche sich im Oktober d. J. in derselben Stadt wiederholen soll. Und warum auch hätte die Vereinsleitung bei der Umschau nach einem passenden Versammlungsort ihre Blicke nicht wieder nach dem alten Gamundia lenken sollen? Ist doch Gmünd - das dürfen wir sagen, ohne uns eines übertriebenen Lokalpatriotismus schuldig zu machen - eine Stadt, die sich ebenso durch ihre landschaftlichen Reize und Schönheiten, wie durch bedeutende geschichtliche Erinnerungen auszeichnet und einen Reichtum an Sehenswürdigkeiten aller Art, an Kirchen- und stattlichen Profangebäuden der alten und neuen Zeit, an Lehr- und Wohltätigkeitsanstalten, an Kunst- und Altertumssammlungen aufweist, wie kaum eine andere Provinzialstadt unseres lieben Schwabenlandes, - eine Stadt, die der Sache des Schwäb. Albvereins mit großer Liebe ergeben ist und äußerst verständnisreiche und rührige Führer in ihren Mauern birgt, wovon die große Zahl von Mitgliedern der Ortsgruppe beredtes Zeugnis ablegt, - eine Stadt endlich, in der sich deren Besucher vor 11 Jahren so wohl und heimisch fühlten, daß sie baldiges Wiedersehen in sichere Aussicht stellten. Nun soll die freundliche Zusage sich erfüllen.

Gar viele von jenen Hunderten, die an den damaligen Beratungen teilgenommen und nach getaner Arbeit mit den Freunden sich des Daseins freuten, werden wiederkommen, um [267-268] die alten Erinnerungen aufzufrischen, und sie werden ebensoviele andere mit sich bringen, die indessen sich dem Vereine angeschlossen und die Stadt Gmünd noch nie oder seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Sie alle werden überrascht sein von den vielen Veränderungen, die sich in dieser verhältnismäßig kurzer Spanne Zeit in der Stadt und an ihr zu ihren Gunsten vollzogen haben. Noch liegt ja freilich „die Perle des Remstals“, wie damals, gar lieblich eingebettet in das ziemlich geweitete Wiesental zu Füßen der drei Kaiserberge der schwäbischen Alb, umkränzt von anmutigen Höhenzügen, von deren sorglich angepflanzten Gehängen die zahlreichen schmucken Landhäuser mit ihren Anlagen zum Tale niedergrüßen; aber die Stadt selbst finden die Besucher in einem durchweg neuen Gewande, bedeutend verschönert und vergrößert durch herrliche Neubauten und Verbesserung des Alten. Neue Stadtteile tun sich vor ihren Augen auf, neue Straßen sind entstanden und der Stadtgarten - früher Mayersche und Haubersche Garten - ist in einen prächtigen Park umgewandelt, an dem sich eine Großstadt nicht zu schämen brauchte, und die Zahl ihrer Einwohner ist nach der neuesten Zählung von 15000 auf 20500 gestiegen.

Schenken wir in nachstehendem der Stadt und ihrer Umgebung einige Aufmerksamkeit. Die wenigen Zeilen, mit welchen wir unsere lieben Gäste erfreuen und zugleich herzlich willkommen heißen möchten, seien ihnen in alter Liebe und Hochschätzung gewidmet.

Um einen allgemeinen Ueberblick und Gesamteindruck über Stadt und Umgebung zu gewinnen, ersteigen wir am besten einen der Hügel, welche die Stadt umlagern - sagen wir den Lindenfirst. Von hier aus haben wir die ansehnliche Stadt mit ihren herrlichen Kirchen- und Profangebäuden und ihren zahlreichen Türmen stattlich ausgebreitet zu unseren Füßen und sehen wie aus der Vogelschau hinab auf ihre freien Plätze, vor allem auf den schönen, großen Marktplatz; hinab zu den reichbeschatteten Promenaden, welche die Stadt umziehen; überblicken die neuentstandenen Stadtteile im Süden und Westen mit ihren Prachtbauten, wie das Realgymnasium, das Königl. Schullehrerseminar, St. Ludwig und viele andere; verfolgen den mit einem Walde von Obstbäumen bedeckten Abfall des Straßdorfer- und Siechenbergs, aus grünem Teppich zahlreiche schmucke Landhäuser auftauchen; schauen hinein in das liebliche Bettringer Tälchen mit den tiefeingeschnittenen Rinnen des Bettringer- und Josephsbach und deren mit Obstbäumen bewaldeten Gehänge; hinüber zur Bettringer Höhe, die sich in ihrem Ausläufer, dem mit herrlichen Linden bedeckten Zeiselberg, weit zum Tale gegen die Stadt vorschiebt; hinauf ins breite üppige Remstal gegen Hussenhofen, hinweg über die Vorstadt „unterm Buch“, und talabwärts zu der häuserreichen Lorcher Straße mit ihren Gartenanlagen, und hinüber zu dem bedeutsamen Hügel, der einst ein römisches Kastell auf seinem Rücken getragen, dem jetzigen Schierenhof.

Von den Befestigungen der ehemaligen Reichsstadt mit Graben und Mauern sind nur mehr kleine, kaum bemerkbare Ueberreste vorhanden, wogegen eine Anzahl fester und wohlerhaltener Türme stolz über die Stadt sich erheben als beredte Zeugen für die Bedeutung dieses Platzes schon im frühen Mittelalter. Da ist es vor allem der massige, 30 m hohe, gegen die Stadt offene Königsturm, der von seiner stolzen Höhe die ganze Stadt beherrscht und über sie dahin schaut und seinem Namen Ehre macht. Die ehemalige Stadtmauer mit Graben auf der Ostseite der Stadt ist längst verschwunden, nicht aber ihre Bollwerke: der feste Rinderbacher Torturm mit seinen Wundmalen, die ihm die feindlichen Kugeln bei der Belagerung der Stadt im Schmalkaldischen Kriege durch die Sachsen (1546) geschlagen, der sog. Wasserturm und der Schmidtorturm; sie stehen noch gut erhalten an ihrem Platze und werden, so hoffen wir, denselben auch noch recht lange behaupten. Der interessanteste und schönste Turm in seinem Aufbau ist - den Johannisturm ausgenommen - der fünfknöpfige, auch Knöpflesturm genannt, den Fuß in einer hübschen Lindengruppe mit Anlagen, an seinen drei äußersten westlichen Ecken erheben sich drei erkerartige Türmchen, die in Knöpfen endigen, und die mit den zwei Giebelspitzen ihm den Namen gegeben haben.

Erheben wir nun den Blick über die Stadt hinweg nach dem uns gegenüberliegenden Nordostabfall der Alb, so haben wir ein großartiges Landschaftsbild vor uns. Denn nicht überall zeigt sich die Alb so abwechslungsreich über dem ihr vorgelagerten, mit Ortschaften und Gehöften wie übersäten Flächengürtel (Straßdorf, Metlangen, Reitbrechts, Lenglingen, Ziegerhof, Maitis), und selten liegen hohe Albberge und liebliche Täler so nahe beieinander wie gerade hier, „und wenn noch“, meint Prof. Bürklen bei seiner Schilderung dieser Albpartie in Nr 10 der Bl. d. AV. Jahrg. 1896, „ein Neckar oder Rhein durch das Tal zöge, so könnte sich die Landschaft mit den schönsten Gegenden Deutschlands messen.“

Wie Perlen an der Schnur reihen sich die zahlreichen einzelnen Berge und Höhenpunkte vom Braunenberg bei Aalen bis zum Hohenstaufen aneinander, und diesem zur Rechten ziehen sich noch in blauer Ferne die sanften Linien der vielgestaltigen Mauer unserer Alb bis gegen den Breitenstein, die Teck und den Neuffen hin. Links gegen Osten entdeckt ein scharfes Auge den erzreichen „Braunen“ bei Aalen; er gehört dem Härdtsfeld jenseits des Kochers an; diesseits desselben beginnt das Aalbuch mit dem langgestreckten Höhenzug, Langert genannt, dann folgen andere, teils unbedeutendere Anhöhen. Aus allen aber ragt der herrliche Rosenstein heraus, reich an Sagen, interessanten Felsgruppen und Höhlen. Nach dem Rosenstein folgt der langgestreckte Scheuelberg bei Bargau; der Bernhardus mit seiner im Hochwald versteckten Kapelle, der kühn zum Waldstetter Tal vorspringende [269-270] Hornberg und das ihm sich anschließende Kalte Feld. Gleichsam losgelöst von der Albhochebene ragen gleich Hochwächtern der Landschaft die sog. drei Kaiserberge empor und schieben sich mit dem oft kaum einige Meter breiten Aasrücken tief zwischen das Rems- und Filstal hinein; uns unmittelbar gegenüber liegen der kahle Stuifen und der schmucke zweikuppige Rechberg mit seiner Schloßruine und der weithin sichtbaren schönen Wallfahrtskirche, und nach rechts grüßt über dunkle Tannenwälder gar freundlich der Hohenstaufen herüber. Von ihm aus erscheint dem Hohenstaufensänger Knapp

„Morgenwärts knieend, wie ein beladenes Kamel
Der massige Rechberg,
Den stillen Tempel mit wehenden Linden
Auf dem geduldigen Rücken.
Er diente den Fürsten treu,
Blieb im Riesenschritt der Jahrhunderte
Hinter dem sprühenden Streitroß
Der Staufer zurück
Und wird niedriger bleiben als dieser Berg,
Des Kaiserhand ihm
Mild aufgeladen Vasallenlast
Und mit klingender Leier ihm
Auf dem Nacken gesessen.“

Das eben geschilderte Landschaftsbild hat das durch seine zeichnerischen Beiträge in diese Blätter rühmlich bekannte Mitglied der hiesigen Ortsgruppe, E. Werner, der Nr 10 des Jahrg. 1906 einverleibt, auf das wir unsere freundlichen Leser verweisen möchten.

*     *     *

Und nun lasset uns nach diesem herrlichen Naturgenuß niedersteigen zum Tale, um uns auch an den Sehenswürdigkeiten der Stadt und ihrer Kunstschätze zu erfreuen.

Da aber aus Anlaß der letzten Herbstversammlung in hiesiger Stadt i. J. 1896 von kundiger Hand in genanntem Jahrgang des Vereinsblattes in Wort und Bild in hervorragender Weise den Kirchen- und Kapellen, sowie den Stadttürmen große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, möchten wir diesesmal unter Verweisung auf jene Darstellung unser Augenmerk mehr Gegenständen zuwenden, die daselbst nicht behandelt, oder auch solchen, die indessen neu in die Erscheinung getreten sind - nämlich der Profanbauwerken alter und neuer Zeit, und den Zwecken, welchen sie dienen. Wir folgen dabei dem „Führer von Schwäbisch Gmünd“ des Vereins für Fremdenverkehr und dem vom Verfasser dieses in wiederholter Auflage geschriebenen „Führer für Gmünd und seine Umgebung.“ Die hervorragendsten Bauwerke nicht kirchlicher Art verteilen sich auf die Zeit vom 15. bis zum gegenwärtigen Jahrhundert und unterscheiden sich 1. in alte und 2. in neuere und neueste Bauwerke.

1. Alte Bauwerke.

Der Hospital zum Hl. Geist liegt an der Unterseite des Marktplatzes. Seine Gründung fällt in das 11. oder 12. Jahrhundert, und schon i. J. 1281 nimmt Kaiser Rudolf das „Heiliggeistspital“ mit seinen bedeutenden Besitzungen in besonderen Schutz.

Das jetzige dreistockige moderne Spitalgebäude wurde 1840, an Stelle des alten Gebäudes gesetzt und enthält die Räumlichkeiten für Kranke und gebrechliche Leute, sowie vortrefflich eingerichtete Operationszimmer und eine Hauskapelle. Sehr sehenswert ist die unlängst neuhergerichtete Portalhalle mit hervorragenden Meisterwerken des Prof. Widemann von hier in Berlin, nämlich zwei lebensgroßen Figuren, „Wahrheit und Gnade“ symbolisierend, und ein Bronzerelief von demselben Künstler, die „Barmherzigkeit“ darstellend; sodann zwei große Wandgemälde von Maler Moritz Röbbecke in Berlin, darstellend die Inschutznahme des Spitals durch Kaiser Rudolf, und Christus, wie er Kranke heilt. Von künstlerischem Werte ist sodann auch das die Halle abschließende schmiedeiserne Gitter mit seinem Blatt- und Rankenwerk und Blumenschmuck aus der Werkstätte von Markus in Berlin-Schöneberg. Es lohnt sich, auch noch dem gärtnerisch angelegten Spitalhof einen kurzen Besuch zu machen und die mittelalterlichen Bauten von dort aus auf sich wirken zu lassen. An das Spitalgebäude lehnt sich ostwärts ein prächtiger stilgerecht verbesserter Holzbau an, das Amthaus aus dem Jahr 1495, im Inneren die „Uhrstube“ aus dem 16. Jahrhundert mit schön eingelegten altertümlichen Türen.

Das Kornhaus stammt nach der an der nordwestlichen Ecke angebrachten Jahreszahl aus dem Jahre 1507. Es liegt an der durch die Altstadt führenden Hauptstraße. Im unteren Stock befinden sich das Eichamt und eine mechanische Werkstätte. Der schöne und reiche Holzbau aus mächtigen Eichenbalken ist ein Meisterwerk alter Bauweise. Ihm ganz ähnlich nach Bauart ist das sog. Werkhaus in der Sebaldstraße.

Die sog. Schmalzgrube bei der Franziskanerkirche ist eines der interessantesten Gebäude der Stadt, von welchem der Chronist schreibt: „Im Jahre 1308 ist das Steinhaus beim Königsbronner Hof, so vorhin Kaiser Barbarossas Tag gewesen, erneuert worden mit einem Wappenschild und Jahrszahl.“ Der Oberbau war aus Holz und brannte am Aschermittwoch des Jahres 1558 ab, wurde jedoch, wie die Inschrift über dem mit dem städtischen Wappen geschmückten Haupteingang besagt, massiv wieder aufgebaut. Die in sorgfältiger Rustika hergestellten Gewölbe des Erdgeschosses sind natürlich noch die ursprünglichen und dienten wohl als Gefängnisse. Darauf deuten die an den Wänden der Gewölbe eingegrabenen Inschriften, Kreuze, Kelche usw. Unter anderem ist zu lesen: „Morgen werde ich hingerichtet wegen Hexerei. Hans Rathgeb, 14. Febr. 1541.“ Später dienten diese Räume zur Aufbewahrung von allerlei Viktualien, daher der Name des Gebäudes.

Früher war das Anwesen von einer Mauer umgeben und diente zur Abhaltung des „Schwörtags“ und sonstiger Gemeindeversammlungen. Im oberen Stock befand sich zu diesem Zweck ein großer, durch das ganze Gebäude sich hinziehender, von 5 prächtigen Eichensäulen gestützter Bürgersaal. Gegenwärtig ist in demselben ein jüdischer Betsaal und eine Frauenarbeitsschule untergebracht.

Zu den alten Bauwerken, wenn auch viel jünger als die bisher genannten, rechnen wir noch die vielen in der alten Reichsstadt zerstreut liegenden schönen und reichverzierten Rokokohäuser aus der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie sind großenteils von dem Baumeister Keller aus Dinkelsbühl erbaut.

Diese alten Patrizierhäuser zeichnen sich nicht nur durch die Solidität und architektonisch schöne Anlage aus, sondern ganz besonders durch die kunstvoll gearbeiteten Eisengitter vor den Fenstern [271-272] des Erdgeschosses, durch Wasserspeier an den Dachrinnen und Windfahnen und durch die prächtigen, mit Wappen versehenen Portale. Von den vielen greifen wir das Rathaus heraus.

Das ehemalige Rathaus stand mitten auf dem oberen Marktplatz da, wo gegenwärtig sich der Kandelaber befindet, und war von dem Baumeister Peter Prim i. J. 1523 aus Eichenholz erbaut worden.

Das jetzige Rathaus, in den Jahren 1783-1785 erbaut, ist neuerdings bedeutend erweitert und umgebaut worden und kann sich nun in seinem neuen Gewande sehen lassen. Sehenswert ist der neue vornehm ausgestattete Sitzungssaal.

Zu diesen höchst geschmackvoll gebauten Rokokohäusern der Altstadt, die bis heute auffallend in ihrer Umgebung stehen, gehören nebst dem Rathaus das nebenanstehende ehemals Salzfaktor Mayersche Haus, das Mohrsche Haus, das jetzige Postgebäude am Markt, das sog. Kapitelshaus am Kirchplatz, das Hofrat Schabelsche Haus in der Schmidgasse, das Taubstummeninstitut u. a.

An Brunnen aus noch früherer Zeit bezeichnen wir den sog. Röhrbrunnen auf dem Marktplatz und den Brunnen vor der Stadtpfarrkirche. Die Brunnensäule des ersteren krönt ein Doppelbild der Muttergottes mit dem göttlichen Kinde. Am eisernen Brunnenkasten sind Wappen angesehener Adelsgeschlechter angebracht. Die steinerne Brunnensäule des Brunnens vor dem Chor der Stadtpfarrkirche ist reich mit sirenenartigem Schmuck geziert und gehört der Renaissancezeit an. Ihr korinthisches Kapitell trägt einen Löwen, das württembergische und Gmünder Wappen haltend. Die Rückseite zeigt die Jahreszahl 1604. Auch die eisernen Träger der Brunnenröhren sind gut im Stil gehalten, und den Brunnenkasten zieren in Eisenguß Familienwappen. -

2. Neuere und neueste Bauwerke.

Zu den neueren und neuesten hervorragenden öffentlichen Bauten der Stadt zählen das katholische und evangelische Schulhaus, das Blindenasyl, das Gewerbemuseum, die Präparandenanstalt, das neue Volksbad, das Königl. kathol. Schullehrerseminar und das Realgymnasium, St. Ludwig und St. Loreto, sowie eine große Zahl von Privat- und Fabrikgebäuden, besonders auf dem neuen westlichen Stadtteil Schwörzer.

Des Raumes wegen können nur nur einige wenige herausgreifen: das Gewerbemuseum befindet sich in dem mit dem Spital mittels einer Durchfahrt für die Straße vom unteren Marktplatz zum Bahnhof verbundenen prächtigen Neubau über dem ehemaligen Waisenhaus; es wurde i. J. 1876 gegründet und ist eine Privatvereinigung zum Zwecke der Förderung der Gmünder Hauptindustrie, unterstützt durch jährliche Beiträge vom Staate, von der Stadt und der Amtskorporation. Dieses gemeinnützige Institut enthält eine Sammlung von gegen 3000 kunstindustriellen plastischen Vorbildern älterer und neuerer Zeit in Edel- und Unedelmetall-Industrie und eine Bibliothek von 1500 Werken künstlerischen, wissenschaftlichen und technologischen Inhalts, beide zum Studium der Industriellen und Arbeiter dienend.

Angeschlossen an dieses Institut und unter derselben Verwaltung stehend befindet sich die Julius Erhardsche Gmünder Altertumssammlung.

Da das städtische Archiv im alten Rathaus durch Feuer zerstört wurde, wobei die alten Urkunden mit zugrunde gingen, ist es ein um so schätzenswerteres Verdienst des verstorbenen Kommerzienrat J. Erhard, der alles, was sich an Kunstgegenständen, Inschriften, Gegenständen des Gebrauchs, alten Stichen und Zeichnungen u.s.w., soweit dieselben auf die Vergangenheit Gmünds Bezug hatten, aus Privathänden gesammelt, vereinigt und der Stadt Gmünd zum Geschenk gemacht hat. Diese einzig in ihrer Art dastehende großartige Sammlung befindet sich im Hause der „Fortbildungsschule“ am unteren Marktplatz, und kein Besucher Gmünds sollte versäumen diesen hochinteressanten Sammlungen einen Besuch abzustatten.

Aus Anlaß der Herbstversammlung des Albvereins ist im gleichen Anwesen (Waisenhaus) auch eine große Sammlung von hübschen Aquarellbildern (Landschaftsbildern aus Gmünd u. Umgebung), gefertigt von Fabrikant Hermann Bauer, Vorstand des Gewerbemuseums, zur Besichtigung ausgestellt. Sehr besuchenswert ist auch das Naturalienkabinett, Ausstellungslokal des Vereins für Naturkunde in Gmünd, das ebenfalls im Waisenhaus sich befindet.

Die städtische Badeanstalt Volksbad. Eine Zierde der Stadt ist die i. J. 1902 vollendete städtische Badeanstalt. Sie liegt im sog. Schulviertel und präsentiert sich als ein stattlicher, massiv aus Hausteinen im altdeutschen Stil erstellter, im Innern und Aeußern ziemlich luxuriös ausgestatteter Prachtbau. Dafür beanspruchte er aber auch einen Kostenaufwand von 360 000 Mk.

Gleich beim Ueberschreiten des Haupteingangs überrascht das hohe, vornehm ausgestattete Vestibul (Vorhalle) mit den schönen, breiten, zentral angelegten Treppenaufgängen, wodurch der Vorderbau in zwei Hälften geteilt wird. Auf eine eingehendere Beschreibung der inneren Einrichtung dieses Teils der Badeanstalt können wir uns nicht einlassen; ein kurzer Besuch zeigt mehr als alle Einzelschilderung. Nur das wollen wir anführen, daß alles auf das bequemste und modernste eingerichtet ist. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der vorhandenen Badegelegenheiten: Wannenbäder, medizinische, elektrische, kohlensaure Bäder, Fangobäder, Kneippsche Behandlung, Dampf- und Heißluftbäder - genügen bei fachkundiger Behandlung des geschulten Personals allen billigen Ansprüchen von vornehm und gering vollauf. Nur dem prächtigen Schwimmbad im Hinterbau wollen wir einen kurzen Besuch abstatten.

Das Schwimmbassin ist im Licht 18 m lang. 9,5 m breit und 0,9 bis 3 m tief, unter Wasser mit blauen, über Wasser mit weißen Plättchen ausgekleidet. Ueber ihm wölbt sich die 11 m hohe Schwimmhalle mit Stukkaturdecke, zur Nachtzeit mit 4 elektrischen Bogenlampen feenhaft beleuchtet. Ringsum zieht sich für die Zuschauer eine Galerie - dicht besetzt bei besonderen festlichen Veranstaltungen, z.B. beim Schauschwimmen der Gesellschaften Delphin und Neptun.

[273-274] Die Badeanstalt will ihrem Namen „Volksbad“ in Bezug auf ihren Besuch manchmal nicht die erhoffte Ehre machen, und soll man von ihrer Rentabilität ein Liedlein singen, „so schweigt des Sängers Höflichkeit.“ -

Noch erübrigt uns zur Vervollständigung der Orientierung unserer lieben Gäste einiges über Gmünds nächste Umgebung zu bringen. Freilich gebietet der zur Verfügung gestellte Raum, uns auch hier kurz zu fassen. Um so dringender klingt der Ruf: „Kommet und sehet!“

Der Stadtgarten an der Bahnhofstraße. Er ist Eigentum der Stadt und hieß ursprünglich Stählsche Garten, dann je nach dessen Besitzer der Deblersche, Mayersche und Haubers Garten. Derselbe bietet in seinem vorderen Teile mit seinen herrlichen, neuerdings noch verschönerten Anlagen das getreue anmutige Bild eines alten Patriziersitzes. Und in der Tat lebten hier auch einstens die Herren v. Stahl, Edle von Pfeilhalden. Durch ein prächtiges, mit Figuren gekröntes Portal gelangt man auf das im Hintergrund stehende schloßähnliche, sauber renovierte Gebäude mit dem sog. Rokokosaal, das vornehm in seiner symmetrischen Gliederung dasteht und doch behaglich unter seinem Mansardendach steckt. Hinter einem Querbau und dem sog. kleinen Stadtgartensaal auf dem etwas tiefer gelegenen ehemaligen Turnplatz steht die 1899 eingeweihte schöne städtische Festhalle. Das ist der Platz für Abhaltung größerer Festlichkeiten der hiesigen zahlreichen Vereine, für das städtische Theater usw.

Den vorderen Teil des Parkes zieren zwei ganz besondere Bildwerke. Eine alte zierliche Sonnen- und Winduhr und das sog. Geigerbrünnele.

Die Sonnen- und Winduhr ist in ihrem spielerischen und doch geschmackvollen Aufbau ein echtes Stück Rokoko. Sie hat eine geradezu merkwürdige Geschichte. Ausgeführt ist das Monument von dem schon des öfteren genannten Dinkelsbühler Baumeister W. Keller und i. J. 1770 von dem Bürgermeister von Stahl in seinem Garten, dem jetzigen Stadtgarten, auf dem freien Platze vor seiner Wohnung aufgestellt worden. Später kam das Kunstwerk in andere Hände und befand sich zuletzt und noch bis zu Anfang des letzten Jahrzehnts in dem Garten des Oberamtsarztes Romerio und des Oberstabsarzts Sprinkhardt, unbeachtet dem Unwetter und noch mehr dem Mutwillen zerstörungslustiger Knaben ausgesetzt. Es ist das Verdienst des um die Erhaltung von Altertümern Gmünds so sehr verdienten Kommerzienrats J. Erhard dasselbe käuflich erworben zu haben. Er machte es der Stadt mit der Bedingung zum Geschenk, daß es auf Kosten derselben verständnis- und pietätsvoll auf denselben Platz zu stehen komme, wo es ursprünglich gestanden. Da aber indessen auf diesem Platze ein schöner Brunnen mit prächtiger Umgebung erstellt worden war (ist heute nicht mehr vorhanden), so wurde dem Denkmal sein jetziger Platz im Vordergrund des Gartens angewiesen. Damit dasselbe recht zur Geltung komme und besonders durch die Bodenfeuchtigkeit nicht notleide, hat es einen Unterbau aus Granit erhalten. Die hübsche gärtnerische Einfassung erhöht noch dessen Eindruck.

Ein ihm ebenbürtiges „Gegenüber“ hat die Sonnen- und Winduhr in dem voriges Jahr errichteten Geigerbrünnele (s. Bild) erhalten, eine Schöpfung des oben schon genannten Gmünders, Prof. Wilh. Widemann in Berlin. Das schöne Denkmal macht einen äußerst frisch-freundlichen Eindruck und ist eine Zierde des Stadtgartens. Die Idee verdankt das Kunstwerk dem altbekannten Gedichte J. Kerners: „Der Geiger von Gmünd“ und gründet sich auf eine Sage, die sich an die Hergottsruhkapelle hier knüpft. „Einst kam ein armes Geigerlein auch nach Gmünd und spielte da vor einem sog. „Kummernüs-Bild“ so lange, bis ihm die Heilige als Lohn einen ihrer goldenen Schuhe zuwarf.“ Der Stifter des schönen Denkmals - ein hiesiger Bürger - will nicht genannt sein, aber er freut sich über das gelungene Werk und begnügt sich bescheiden mit dem Bewußtsein, seiner Vaterstadt eine Freude bereitet und den Anstoß zu edlen Gedanken und zu künstlerischer Empfindung und Schulung gegeben zu haben.

Der St. Salvator (s. Bild) liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt hart über dem Bahnhof auf einem vorgeschobenen Hügel am Abhange des sog. Neppersteins mit einer weithin sichtbaren berühmten Wallfahrtskirche. Zu ihr hinan führt der schön angelegte Kreuzweg, mit zahlreichen größeren und kleineren Kapellen mit herrlichen schmiedeisernen Abschlußgittern. In ihnen finden Szenen aus dem Leiden des Herrn in Holzskulpturen von oft recht grotesker [275-276] Art ihre Darstellung; darunter bemerkt man aber auch Stationenbilder von großer Schönheit. Die Anlage des Salvators fällt in sehr frühe Zeit; eine Inschriftstafel in der Vorhalle der oberen in den Keuperfelsen gehauenen Kapelle besagt, daß der Steinmetz Caspar Vogt „diße Capel anno 1617-1620 renoviert habe.“ Der Salvator hat von jeher die Aufmerksamkeit nicht nur frommer Wallfahrer, sondern aller Touristen schon wegen der unvergleichlich schönen Fernsicht bei den „3 Kreuzen“ über die im Tale und an den Gehängen ausgebreitete Stadt hinüber zu dem schön gegliederten Nordabfall der Alb und ihren Bergen und in sonderheit auch wegen seines merkwürdigen Aufbaues auf sich gezogen. Englische Altertumsforscher, die dem Salvator nebst anderen hiesigen Sehenswürdigkeiten einen Besuch machten, haben behauptet, daß sie auf ihren Reisen durch ganz Europa nichts Aehnliches gefunden hätten. Es betrifft dieses Urteil weniger die Anlage des Kreuzwegs, so eigentümlich und poesievoll sie auch ist, auch nicht die Kapellen am Wege, sondern die St. Salvatorkirche, bestehend aus zwei übereinanderliegenden in den hier sehr mächtig anstehenden weißen Keupersandsteinfelsen eingehauenen Kapellen und dem in viel späterer Zeit in schlichter Renaissance erbauten achteckigen Glockenturm. Kein Besucher Gmünds sollte versäumen dem St. Salvator einen Besuch abzustatten.