Seegrasernte bei St. Malo

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Autor: unbekannt
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Titel: Seegrasernte bei St. Malo
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 161, 163
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[161]

Seegrasernte bei St. Malo.
Originalzeichnung von Arthur Calame.

[163] Seegrasernte bei St. Malo. (Mit Illustration S. 161.) Das Meer birgt in seinen Tiefen Gärten von bezaubernder Schönheit. Taucher berichteten uns von deren unbeschreiblicher Pracht, und Forscher stiegen, gelockt von diesen Märchenberichten, in die Tiefe hinab und brachten uns Kunde von der unterseeischen Welt. Sie sagten uns aber, daß die prachtvollen Gärten Werke der Korallenthierchen seien, und sie stellten fest, daß das Meer wohl Pflanzen beherberge, aber keine Blumen trage. Die anmuthige Flora meidet das düstere Reich des Poseidon. Nur Pflanzen niedrigster Gattung gedeihen in der Salzfluth; es sind die Algen, die „blatt- und blüthenlosen Aschenbrödel“ unter den Kindern des Lichtes. Von den höheren Arten haben sich nur etwa zwanzig mit dem rauhen Element zu vortragen gewußt; es sind harte und rauhe Gewächse, die man „Seegräser“ genannt, weil sie unsern Gräsern ähnlich sehen. Und wie unsere Gräser wuchern sie gesellig neben einander, bedecken an den Küsten weithin den Boden des Meeres und bilden Meereswiesen, welche für die Bewohner der Salzfluth willkommene Schlupfwinkel abgeben. – Sie locken aber auch den Menschen. Der Küstenbewohner weiß die Meereswiesen eben so gut auszunutzen wie der Landmann die blumengestickten Wiesen des Festlandes. Er erntet das gemeine Seegras (Zostera marina, Wasserriemen) und weiß es nützlich zu verwenden: er verschickt es landeinwärts, wo es als Matratzenpolster oder Packmaterial verbraucht wird, oder er baut mit dem „Wier", wie der Holländer es nennt, feste Deiche, die das Land vor dem feindlichen Meer schützen. Er erntet auch die Algen und verwendet sie bald als Nahrungs-, bald als Heilmittel, kocht aus ihnen schmackhafte Suppen oder bereitet das Carrageen oder Irländische Moos; ja diese Meerespflanzen bilden sogar die Grundlage nicht unbedeutender Industrien. Agar-Agar, jene leimartige Gelatine der Chinesen, wird aus verschiedenen Algenarten hergestellt, und aus Algen werden gleichfalls die heilkräftigen Jodsalze gewonnen.

Nirgends aber wird die Seegrasernte mit solchem Nachdruck betrieben wie in jenen Gegenden Frankreichs, in welche uns die stimmungsvolle Illustration Arthur Calame’s versetzt. In vielen Baien der Normandie und Bretagne sind nach Schleiden’s Angabe gegen 30 000 Menschen mit Einsammeln der Tange beschäftigt, und alte Bräuche, die sich in der Bretagne bis jetzt erhalten haben, regeln die Ausbeutung der Meereswiesen. Der erste Tag für das Schneiden des „Goëmon“ (Tang) im Herbst heißt „der Tag der Armen“; vom frühen Morgen an ist der Priester am Strande, und wenn etwa ein Reicher sich blicken läßt, so weist er ihn mit den Worten zurück: „Lasset die Armen ihr täglich Brot sammeln.“ – Düstere Herbststimmung liegt auf dem Strandbild von St. Malo, welches uns Calame vorführt; öde erscheint die Landschaft; aber die zerklüfteten Felsen am linken Rande des Bildes erinnern uns daran, daß die Bucht von St. Malo malerischer Reize nicht entbehrt. Ja, im Sommer pflegt an diesem Strande fröhliches Badeleben zu herrschen und man weilt gern in dem Städtchen, in dessen Mauern die Wiege Chateaubriand’s stand, und läßt sich mitten in die Bucht auf das Felseneiland Ile du Grand Bey hinausrudern, zu dem stillen Grabe des Sängers der Atala.

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