Seite:12 Ausführlicher Bericht.jpg

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Dec. 1706. den Anfang alle Mittwochen in Zion teutsch zu predigen: welches wir bis hieher, GOtt Lob! in reichem Segen continuiret haben: aber doch solcher Gestalt, daß wir unsere Predigten nicht concipiren können, als welches die Umstände unsers Amtes nicht zugeben wollen, sondern nur nach der Beschaffenheit unserer Gaben, und nach der Fülle unsers Hertzens, reden müssen, jedoch so, daß alles vorhero mit hertzlichem Gebet meditiret worden ist. Was anlanget unsere tägliche Betstunde im Hause, so hat sie folgender Gestalt ihren Anfang genommen. So bald als uns GOtt glücklich allhier in Ost-Indien angelangen ließ, und die grosse Wichtigkeit unsers Amtes zu erkennen gab, so fingen wir an dieser wegen, alle Tage eine Betstunde unter uns zu halten; wie wir dann auch solches schon die gantze Reise über auf dem Schiffe gethan hatten[WS 1], uns versichernde, daß das liebe Gebet in unserm schweren Amte das allerkräftigste Mittel seyn würde zur Erlangung unsers Endzwecks.      Als wir denn nun solche Betstunde allhier schon über ein Jahr continuiret hatten, so wurden wir von zwey Gottsfürchtigen Personen ersuchet, daß wir sie mit in unsere Betstunde nehmen möchten. Wir als Priester konten ihnen solches nicht wehren, sondern freueten uns noch vielmehr, daß wir noch solche Liebhaber des Gebets allhier in Ost-Indien antraffen. Diese zwey Personen aber, als sie etwas gutes an ihrer Seelen genossen, zogen sie auch andere mit sich hinzu, so daß wir endlich von sehr vielen Personen starck angelauffen wurden, daß wir ihnen doch vergönnen möchten solcher Seelen-Erbauung mit beyzuwohnen.      Wir sagten ihnen, daß es eine grosse Unhöflichkeit von uns seyn würde, wenn wir als Priester einem sollten das Haus verbieten um nicht das Wort GOttes zu hören, sintemal es ja billig wäre, daß Priester-Häuser rechte Bet-Häuser wären: wir hätten auch nöthig, daß viele mit uns um den glücklichen Lauff des Evangelii bitten; Dahero solte es einem jeden frey stehen solcher Erbauung mit beyzuwohnen, jedoch solcher Gestalt, daß alles ordentlich zuginge, und man nichts anders darunter suchete, als die Erbauung seiner Seelen, und die Beförderung göttlicher Ehre. Hierauf so fingen wir das Neue Testament von vornen an zu erklären, mit Bitte, daß ein jedweder die Bibel oder das Neue Testament mitbringen, und auf jedwedes Wort wohl acht geben sollte: welches auch viele thaten und noch thun.      Es wurde aber diese Betstunde gegen Abend von 5 bis 6 Uhr

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg: Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht. Halle: Verlegung des Wäysenhauses, 1710, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:12_Ausf%C3%BChrlicher_Bericht.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2018)