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W. Wernigh, Ingenieur: Ideen zur Ausführung der Touage auf der obern Donau, In: Deutsche Bauzeitung Band 19, S. 248–251

Um die Abnutzung der Trommelrillen bei der Drahtseilschiffahrt auf ein bestimmtes noch zulässiges Maaß zu beschränken, habe ich die Trommeln mit Bandeisen belegt, welche öfters erneuert werden. Dieses Verfahren hat sich mehre Betriebsjahre hindurch vollständig bewährt.

Die Bandeisen waren 25 mm breit und hatten eine Dicke von 6 bis 7 mm. Dieselben wurden in 6 Segmenten mit kurz umgebogenen Enden durch kleine Nieten von 6 mm Stärke befestigt und waren nur selten auszuwechseln. Eine Erneuerung der Trommeln wegen abgenutzter Trommelrillen war daher nicht erforderlich. Die Befestigung der Bandeisen mit 6 mm Nieten genügte vollständig, da die Reibung zwischen Trommel und Bandeisen ziemlich gleich der zwischen Bandeisen und Drahtseil ist, so dass diese Befestigung nur das Herunterfallen des Bandeisens von den Trommeln zu verhüten hat.

In Bezug auf dieses Verfahren bemerkte der Königl. Oderstrombau-Direktor Hr. Bader, in einem Gutachten über die Einrichtung der Tauerei auf der Oder, vom 20. Januar 1882: „Bei Kettenschiffen kann selbstverständlich eine solche einfache und leichte Ausfütterung der Trommelrillen nicht angebracht werden, weil die Abnutzung durch die schwere Kette und deren sägeartige Wirkung bei dem unvermeidlichen Rucken und Gleiten der Kette sehr bedeutend sein würde und die stärksten Bandagen abgerissen werden müssten.“

Und der General-Direktor der „Kette“ Dresden, Hr. Вellingrath äußerte sich seiner Zeit in Erörterungen über die für die Oder in Frage kommenden Systeme der Ketten- und Seilschiffe dahin: Werden die Bandagen warm aufgezogen, so muss dies mit Gewährung eines außerordentlich großen Schwindmaaßes geschehen, weil sonst die Bandage zum Rutschen kommt. Daraus folgt, dass die Bandagen ziemlich stark sein müssen, um die große Spannung zu ertragen. Bei Bandagen von 90 mm Breite und 25 mm Dicke durch Nieten befestigt, sprangen nach einigem Gebrauch jedoch die Gusstahl-Nieten von 25 bis 40 mm Durchmesser oder es wurden die Nietlöcher erweitert. So stark ist die Wirkung der Friktion auf die Bandage. Die Erscheinung ist wesentlich mit dadurch zu erklären, dass die Bandage unter dem unaufhörlich auf ihr lastenden Drucke eine größere Länge erhält, also gewissermaaßen länger gewalzt wird.

Wenn nun auch nach meiner Ansicht der Grund des Reißens der Nieten der Bandagen lediglich in der enormen Kettenspannung der zweiten Umwicklung der Trommeln, welche durch Abnutzung der Rillen entsteht, liegt, so wird es dennoch schwierig sein, ein Mittel zu finden, um bei den Kettenschiffen eine ähnliche Konstruktion zu ermöglichen, wie die beschriebene, in der Praxis sich so vorzüglich bewährte.

Seilbrüche werden, wie schon bemerkt, dadurch vollständig vermieden, wenn das Seil nicht schon anderweitig beschädigt worden ist. Doch sind diese Fälle selten, da das Seil meist im Fahrwasser liegt, wo nicht geankert werden darf.

Wie sehr die Kette selbst bei geringerer Strömung, als die Donau hat, durch Abnutzung der Kettenglieder und durch die Streckung bei abnormer Spannung, verursacht durch die Abnutzung der Trommel-Rillen, leidet[WS 1], zeigt der Geschäftsbericht der Kettenschleppschiffahrt der Ober-Elbe zu Dresden 1873. Es heißt darin:

„Für die Abschreibungen haben die bisherigen Grundsätze Anwendung gefunden und bemerken wir zu der vorgenommenen Auswechselung der Schleppkette, dass die alte Kette von 44 Meilen sich im Laufe der Jahre um ca. 1 Meile gelängt hat.“

Die Längung dieser Kette beträgt also incl. Abnutzung der Glieder 2,27 %, d. h. pro m 22 mm.

Ferner meldet der Geschäftsbericht der früheren vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschiffahrts-Compagnie vom J. 1880:

„Der starke Verschleiß der Kette legt uns die Verpflichtung auf, die bislang jährlich mit 7 % vom Anschaffungswerth bemessene Abschreibung zu erhöhen und wir haben für das abgelaufene Jahr 12½ % von dem Neuanschaffungswerthe der Ketten in den Erneuerungsfond gelegt.“

Ein weiterer Uebelstand, bemerkt Hr. Marchetti, welcher sich bei der Kettenschiffahrt der Donau auf der Strecke Pressburg Wien zeigte, ist die Verschiebung deг Kette. Im abgelaufenen Betriebsjahre betrug dieselbe ca. 27 km, etwa die Hälfte der ganzen Betriebsstrecke. Da, wie es sich heraus gestellt hat, die Kettenschiffe bei der starken Strömung die Thalfahrt nur mit größter Gefahr für Schiffe und Mannschaft bewerkstelligen können, so wurde die Kette nur zum Schleppen bergauf benutzt. Hierdurch allein ist die allmähliche Verschiebung zu erklären. Man sieht daraus, dass die bedeutende Stärke und das große Gewicht der Kette in diesem Falle nicht ausreicht, wenn dieselbe nicht durch die Thalfahrt wieder in das richtige Fahrwasser gelegt werden kann.

Die ferneren Uebelstände, welche Hr. Marchetti beleuchtet, sind die durch die starken Geschiebe verursachten Verkiesungen und Versandungen der Kette.

Diese haben zur Folge, dass die Kette jetzt jeden Winter aus der Donau heraus genommen werden muss. Wenn der richtige Moment verpasst wird, nach einem Hochwasser, so ist dieselbe nicht mehr zu heben, sondern muss auf dem Flussgrunde liegen bleiben.

Der Geschäftsbericht der vereinigten Hamburg-Magdeburger Schleppschiffahrts - Kompagnie vom Betriebsjahr 1879 bemerkt über das Verhalten der Kette auf der untern Elbe noch, dass man in Folge starker Versandungen einige große Maschinenbrüche zu beklagen hatte.

Zur Frage schließlich, in welcher Weise ein möglichst ungestörter Touage-Betrieb auf der Donau gerade wegen der bezeichneten sehr ungünstigen Verhältnisse zu bewerkstelligen sein würde, unterbreite ich folgendes: Da nachgewiesen ist, dass die Beschädigung der Kette durch die Ueberanstrengung derselben zwischen den Trommeln geschieht, welche entweder sofort oder auch beim spätern Betriebe zu Kettenbrüchen führt, und dass ein öfteres Ausfüttern der Trommelrillen nicht möglich ist, auch anderweite praktische Mittel zur Kraftübertragung bei Benutzung einer Kette vorläufig nicht vorhanden sind, so muss die Verwendung derselben hier ausgeschlossen werden. Da ferner trotz der großen Schwere der Kette eine Verschiebung derselben auf dem Flussbette nicht vermieden werden konnte, so ermöglichen allein kleine Schleppzüge mit Verwendung des Drahtseils und häufige Thalfahrten, um letzteres in das richtige Fahrwasser zu verlegen, auf der obern Donau den Touagebetrieb.

Wenn kleine Schleppzüge befördert werden, so braucht das erforderliche Seil nur eine geringe Stärke zu erhalten und macht alsdann die Hebung desselben aus den Versandungen nur geringe oder keine Schwierigkeit. Im Nothfalle kann auch das Seil auf einzelnen Strecken, wo die Bewegung der Geschiebe sehr bedeutend ist, bei Einstellung des Betriebes aus dem Flussbette heraus genommen werden.

Eine erhebliche Verminderung der Kosten der Schleppkraft, bei kleinen Schleppzügen, würde durch die Verwendung der natürlichen Schleppkraft d. h. der lebendigen Kraft des Wassers zumal auf der obern Donau durch die von mir konstruirte „Wasserlokomotive“ (D. R.-P. No. 23212), welche in No. 58 dieser Zeitung pro 1884 näher beschrieben ist, erreicht werden können. Wenn die Wasserlokomotive mit 3 paar kleinen Schaufelrädern, die auf einem gemeinschaftlichen Rahmen gelagert sind, eingerichtet wird, so können für den Preis eines Kettendampfers von 87200 M 4 Stück derselben angeschafft werden. Die Schiffszüge reduziren sich alsdann auf etwa den 4. Theil der von den Kettenschiffen beförderten Fahrzeuge. Die Bedienungsmannschaft der 4 Wasserlokomotiven würde ungefähr derjenigen eines Kettenschiffes gleich kommen.

Diese Schleppzüge erfordern nur ein dünnes Kabel; ein Drahtseil von 22 mm Durchmesser genügt vollständig. Ein solches Kabel kann, einzelne Stellen ausgenommen, welche der Versandung und Verkiesung besonders ausgesetzt sind, über Winter liegen bleiben, da dasselbe leicht wieder zu heben ist.

Der Tarif dieses Schleppbetriebes wird ein sehr geringer sein können, indem die Amortisation für Dampfmaschine und Kessel wegfällt und die Kosten für Kohlen erspart werden.

Für die Erhaltung des Seiles in dem richtigen Fahrwasser und zur Ausgleichung der durch die Bergfahrt entstandenen Verschiebung desselben sind auf der gesammten Betriebsstrecke nur einige kleine Drahtseildampfer nach meinem System D. R.-P. No. 22 378, erforderlich. Dieselben bewerkstelligen die Thalfahrt und können gleichzeitig als Schleppschiffe zu Berg verwendet werden. Das Kabel ist über die Mitte des Schiffes geführt und besitzt daher ein solcher Tauer die für Richtiglegung des Seils erforderliche Steuerfähigkeit. Die Kraftübertragung wird durch ein Trommelpaar und durch 3 fache Umwicklung des Seils bewerkstelligt. An beiden Enden sind einfache Zu- und Abführungs-Apparate mit Verwendung einer „Seilscheibe mit wellenförmiger Rille, D. R.-P. No. 5361“ symmetrisch angebracht.

Bei felsigem Untergrund und Klippen kann stellenweise stärkeres Stahldraht-Kabel verwendet werden. Der gleichzeitigen Verwendung eines solchen starken Seiles steht bei der Wasser-Lokomotive und auch bei meinem Tauer nichts im Wege.

Bei dieser Einrichtung beträgt das Anlage-Kapital für das Drahtseil nur ⅕ desjenigen der Kette. Außerdem gewährt das Seil eine bedeutend größere Sicherheit des Betriebes bei der starken Strömung und die Reparaturkosten der Wasser-Lokomotive und Seildampfer sind unverhältnissmäßig geringer, als bei den Kettenschiffen.

Es ist sonach meine Ueberzeugung, dass durch geeignete Verwendung des Drahtseiles in der dargelegten Weise und mit den bezeichneten Hülfsmitteln eine betriebsfähige und wirtschaftlich rentable Touage auf der oberen Donau sehr wohl zur Ausführung gebracht werden kann.

Berlin, April 1885

W. Wernigh, Ingenieur.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eidet
Empfohlene Zitierweise:
W. Wernigh, Ingenieur: Ideen zur Ausführung der Touage auf der obern Donau, In: Deutsche Bauzeitung Band 19, S. 248–251. Carl Beelitz, Berlin 1885, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1885_Ideen_zur_Ausf%C3%BChrung_der_Touage_auf_der_obern_Donau.pdf/3&oldid=- (Version vom 15.8.2018)