Seite:Adler - Die berühmten Frauen der französischen Revolution - 004.jpg

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und liess ihn unbehelligt durch. Mit der gleichen Frage verblüffte Latude noch weitere drei Wachen, die ihn alle unbehelligt durchliessen; als er die vierte passiert hatte, befand er sich ausserhalb der Gefängnismauern. Aber nicht lange, denn er wurde ausgeforscht und wieder eingebracht.

Die zweite Flucht gelang ihm, indem er aus seiner reichhaltigen Garderobe und seinem Wäschevorrat sechs Monate hindurch Strickleitern knüpfte, und dann durch den Schornstein seiner Zelle, über die Dächer und Türme der Bastille, mit tausend Lebensgefahren den Erdboden ausserhalb der Gefängnismauern erreichte! Aber wie immer nach allen Fluchtversuchen erwies er sich unvorsichtig und man fand ihn wieder.

Die Verfolger Latudes beschuldigten ihn eines gemeinen Diebstahls, sie taten es aber erst, als er nach einer missglückten Flucht wieder in Gewahrsam sass und keine Mittel hatte, sich zu verteidigen. Bei dieser neuen Niedertracht unterlag er unter der Schwere seiner Ketten. Er hatte alles ertragen, die Schrecken des Hungers, die Unbilden der Witterung in strengster Winterkälte, alle Entbehrungen mitsammen, aber die Gemeinheit, jene entsetzliche Tortur der unterdrückten Unschuld – nein, er konnte nicht stillschweigend ihr Opfer werden. Er wandte sich um Hilfe und Unterstützung an seine Eltern und Verwandten, damit sie ihm dazu verhelfen sollten, seine Unschuld zu erweisen, aber sie antworteten ihm, dass er durch seinen Betrug selbst alle Bande freventlich zerrissen hätte, die ihn bis dahin mit seiner Familie verknüpft hätten, dass sie ihn von nun an nicht mehr kennten. Er verfiel in völlige Verlassenheit, er verlor allen Mut, alle Hoffnung und für lange sogar die Empfindung seiner Existenz. Er nahm in den verschiedenen Gefängnissen erborgte Namen an, um den seinen nicht zu beflecken.

Der Präsident v. Gourgue visitierte von Zeit zu Zeit die Gefängnisse und kam auch in die Bastille, in die Zelle Latudes. Er liess sich alles genau erzählen, er sagte dann