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Crostau.


Crostau liegt zwei und eine halbe Stunde von Budissin und funfzehn Minuten von Schirgiswalde am rechten Ufer der Spree und wird in Ober- und Niedercrostau eingetheilt, bildet jedoch nur eine Gemeinde. Die Einwohnerschaft, aus etwa vierhundert Köpfen bestehend, wohnt in zweiundneunzig Feuerstätten, nämlich einem Grossbauergute, zwei Halbhüfnergütern, vier Grossgärtnernahrungen, zwei Halbgrossgärtnernahrungen, elf Kleingartennahrungen, zwei Halbkleingartennahrungen und siebzig Häusern, und beschäftigt sich mit Leinwandbleichen, Spinnerei, Weberei und Landbau, namentlich aber wegen der sehr günstigen Lage Crostaus mit Obstbaumzucht. In guten Jahren werden hier tausende von Scheffeln trefflicher Aepfel und Birnen erbaut und da diese Früchte grösstentheils von sehr veredelten Bäumen gewonnen sind, ist die Baumzucht sehr lohnend. – Im Jahre 1666 bestand Crostau aus nur sechsundzwanzig Feuerstätten, seit jener Zeit aber hat der Ort an Wohlstand und Anbau sich ungemein gehoben. – Reizend ist dabei die Gegend, welche Crostau umgiebt. Von dem nahen Callenberge überblickt man den ganzen Landstrich vor und weit hinter Budissin, welche Stadt so vollständig übersehen werden kann, dass man sogar einen Blick auf deren Marktplatz geniesst. In westlicher Richtung sieht man Wilthen mit seinen fruchtbaren Fluren und den reizenden Hochwald bei Neukirch. Südlich umschliesst ein herrliches Thal den böhmischen Flecken Schirgiswalde und weiter hinaus Sohland an der Spree. Oestlich zeigt sich Crostau und dahinter erhebt sein ehrwürdiges Haupt der Beiersdorfer Berg, während seitwärts Cunnewalde und die Bergkette vom Thronberge bis Lawalde erscheint. Inmitten dieser unbeschreiblich schönen Landschaft thürmt sich der alte, heilige Zschernebog mit seinen halbverwitterten tausendjährigen Opfersteinen empor. Köstliche Aussichten gewährt auch der Kälberstein, auf dem man mittelst eines guten Fernglases nicht nur die ganze Stadt Bautzen übersehen kann, sondern auch weithin bis in die Gegend von Berlin zu schauen vermag, und ebenso besuchenswerth ist der zu Crostau gehörige Pickauer Berg, von wo man nicht nur ein überraschendes Panorama der südlichen und östlichen Umgegend bis Herrnhut, sondern auch die Tafelfichte, den Jeschken, die Lausche und eine grosse Anzahl Böhmischer Berge vor sich hat.

Ueber die Entstehung Crostaus erzählt die Volkssage von einem Raubschlosse, das in grauer Vorzeit auf einem Hügel in Niedercrostau gestanden habe und der Schrecken des ganzen Gaues gewesen sei. Die Raubritter auf der Burg Crostau standen mit den Schnapphähnen des kaum eine Viertelstunde entlegenen Schlosses Kirschau in naher Verbindung und plagten mit deren Hülfe das Land auf die gräulichste Art. Noch jetzt zeigen einige Ruinen des Raubnestes Kirschau von dessen vormaliger Festigkeit, denn man konnte nur auf einem höchst gefährlichen Wege in dessen Mauern gelangen, so dass es durch seine Lage auf einem steilen Hügel, sowie durch schroffe Felsen, zu einer Zeit, wo die Artillerie noch sehr unausgebildet war, einem starken
Lausitzer Kreis, 10tes Heft, oder 48stes Heft der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Poenicke: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1859, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)