Seite:Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III.djvu/21

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besass, dabei sich aber später einer so übertriebenen Verschwendung ergab, dass er oft in grosse Geldverlegenheiten gerieth, die nur durch Verpfändung der Güter beseitigt werden konnten. Bei Wenzels Tode befanden sich die meisten seiner Besitzungen in den Händen der Gläubiger, doch liessen die nachfolgenden Herren von Bieberstein es sich angelegen sein, durch gute Verwaltung und Sparsamkeit die verpfändeten Güter wiederum an die Familie zu bringen. Der letzte Herr von Bieberstein auf Seidenberg und Reibersdorf war Christoph, der zur protestantischen Lehre übertrat, und am 15. December 1551 zu Friedland an der Pest, oder wie auch behauptet wird, an ihm beigebrachten Gifte, verschied.

Christoph von Bieberstein hinterliess keine Erben, die andern Linien seines Stammes aber wurden von der Belehnung ausgeschlossen, unter dem Vorgeben, dass sie früher die Mitlehnschaft über die Christoph’schen Güter gebührend nachzusuchen unterlassen hätten. Darauf erklärte Kaiser Ferdinand I. sämmtliche Besitzungen des verstorbenen Christophs von Bieberstein als ein der Krone verfallenes Lehn und stellte sie bis 1555 unter Sequestration, wo der Freiherr von Räder aus der Bieberstein’schen Verlassenschaft die Herrschaften Seidenberg, Friedland und Reichenberg an sich brachte. Nach seinem Tode, der 1564 erfolgte, wurden die Güter von den vier Söhnen des Verstorbenen gemeinschaftlich verwaltet, doch starben die drei älteren Brüder in einem Zeitraume von kaum zwanzig Jahren, so dass um das Jahr 1586 der Jüngste, Melchior von Räder, sich im ungetheilten Besitze der väterlichen Güter befand. Dieser Melchior von Räder war seiner Zeit ein hochberühmter und allgemein geehrter und bewunderter Herr. Nachdem er auf mehreren Universitäten, zuletzt in Pavia, sich einen grossen Schatz von Kenntnissen angeeignet, unternahm er eine Reise durch mehrere Staaten Europas, und war am 22. August 1572 zu Paris Zeuge der furchtbaren Bluthochzeit, wobei er nur durch ein Wunder dem Tode entging. Nach der Heimath zurückgekehrt, vertauschte Melchior von Räder die Feder mit dem Schwerte und zog gegen den damals so gefürchteten Feind der Christenheit, welcher den von Blut gerötheten Halbmond siegreich über das Banner des Kreuzes erhob. Hier zeigte sich der junge Edelmann als kühner, umsichtiger Krieger, und erndete Ruhm und Ehre. Im Jahre 1577 kämpfte er gegen die Franzosen, später gegen die Moscowiter, und erhielt bei der Erstürmung Pleskows eine schwere Wunde, die ihn auf längere Zeit vom Schauplatze des Kriegs fern hielt; kaum aber fühlte er sich wieder hinreichend genesen, so kehrte der ritterliche Mann zu seinen Kampfgenossen zurück und bald blitzte sein gewaltiges Schwert wieder über den Häuptern der Moslems. Zu den bedeutendsten Kriegsthaten Melchiors von Räder gehört ein kühner Angriff auf 6000 Türken, den er an der Spitze von nur 300 gepanzerten Reitern unternahm. Mit unwiderstehlicher Gewalt durchbrachen seine Kürassreiter die dichte Masse der Feinde, Alles vor sich niederwerfend, was ihnen Widerstand leistete. Nach langem blutigen Kampfe stoben die Türken auseinander und suchten ihr Heil in der Flucht; mit heissen Dankesthränen aber begrüssten mehrere Tausende gefangener Christen, darunter dreitausend Kinder, die heldenmüthigen Eisenmänner, deren gewaltige Schwerter sie von dem schrecklichen Loose der Sclaverei gerettet. Für diese Ritterthat ernannte Kaiser Rudolph II. den tapfern Räder zum Feldmarschall, und bald nach seiner Erhebung brachte der kühne Feldherr mit nur 5000 Mann einem Corps von 18000 Türken bei Sissak eine so furchtbare Niederlage bei, dass nur Wenige aus der Schlacht entrinnen konnten, um ihren Glaubensgenossen von dem Schicksale der Gefallenen Kunde zu bringen. Als Commandant von Grosswardein vertheidigte Melchior von Räder im Jahre 1598 diese Festung mit nur 2000 Mann Besatzungstruppen gegen ein gewaltiges Türkenheer fünf Wochen lang so energisch, dass nach zwölf wüthenden Stürmen die Belagerer, ohne Hoffnung auf Eroberung des mit übermenschlicher Tapferkeit beschützten Platzes abzogen und 12000 Leichen vor der Stadt zurückliessen.

Aber die unsäglichen Beschwerden und Anstrengungen des Kriegslebens und so manche schwere Wunde hatten die Gesundheit des heldenmüthigen Mannes dergestalt untergraben, dass er auf seinen Gütern eine Zeit lang Ruhe und Erholung zu suchen beschloss; vorher aber führte er noch eine wichtige Waffenthat aus, indem er die Festung Papa den Händen der Türken entriss. Krank, fast sterbend schon, trat der Held nunmehr die beabsichtigte Reise nach einem stillen Ruheplatze an, er sollte jedoch die erwünschte Ruhe im Grabe finden. Zu Deutschenbrod angelangt, starb Melchior von Räder, der kühnste und edelste Mann seiner Zeit, am 20. September 1600 im fünfundvierzigsten Lebensjahre. Sein lorbeergeschmückter Sarg wurde in Friedland beigesetzt, wo noch jetzt ein prachtvolles Denkmal an den gewaltigen Türkensieger erinnert.

Des verblichenen Helden Gemahlin, Katharina, geborene Gräfin von Schlick, übernahm wegen der Minderjährigkeit ihres einzigen Sohnes die Verwaltung der weitläufigen Besitzungen, und leitete dieselbe nicht nur mit grosser Umsicht und Geschicklichkeit, sondern zeigte auch einen so kühnen entschlossenen Geist, dass sie allen Anfeindungen mit glücklichem Erfolge zu begegnen verstand. Die benachbarte Stadt Zittau wollte der muthvollen Dame das Recht verbieten, in Reibersdorf Bier brauen zu lassen, indem dadurch eine städtische Gerechtsame verletzt werde; als aber die Frau von Räder das Verbot unberücksichtigt liess, drohten die Zittauer mit gewaffneter Hand nach Reibersdorf zu ziehen und die daselbst befindliche Brauerei zu zerstören. Anstatt, wie die Bürgerschaft gehofft, durch Nachgiebigkeit die Rache der mächtigen Stadt von sich abzulenken, erklärte Katharina dem Zittauer Abgesandten: sie sei die Ehewirthin eines kühnen und ritterlichen Kriegsmannes gewesen, von welchem sie wohl erlernt, wie man sich gegen Gewalt schützen und dem Feinde stattlich entgegen treten könne, ja sie drohte sogar, die Stadt Zittau an allen vier Ecken anzünden zu lassen. Nach langen Streitigkeiten und Reibungen wurde die Brauereiangelegenheit durch einen Vergleich geendigt, der für Frau von Räder keineswegs von Nachtheil war. –

Christoph von Räder, des Feldmarschalls einziger Sohn, trat 1612 in den Besitz der ererbten Güter. Als treuer Freund und Anhänger Churfürst Friedrichs von der Pfalz, mit dem er auf der Universität Heidelberg zugleich studirte, nahm er sich der Sache dieses unglücklichen Fürsten mit edlem Eifer an, und unterstützte dieselbe mit grösster Aufopferung. Nach der Schlacht am weissen Berge bei Prag, wo Friedrich von der Pfalz die Krone Böhmens verlor und als Flüchtling vor Kaiser Ferdinands Rache umherirrte, fiel nebst anderen dem sogenannten Winterkönig ergebenen Herren auch Christoph von Räder in die Reichsacht, wodurch er seine sämmtlichen Güter in der Lausitz