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dienet, die ersten Begriffe der äusseren Gegenstände einzudrücken; sondern auch in der innern Handlung diese zu wiederholen, zu verbinden: kurz, zu denken, unentbehrlich ist[1]. Nach dem Maasse, als sein Körper sich ausbildet, bekommen die Fähigkeiten seiner denkenden Natur, auch die gehörigen Grade der Vollkommenheit, und erlangen allererst ein gesetztes und männliches Vermögen, wenn die Fasern seiner Werkzeuge die Festigkeit und Dauerhaftigkeit überkommen haben, welche die Vollendung ihrer Ausbildung ist. Diejenigen Fähigkeiten entwickeln sich bey ihm früh genug, durch welche er der Nothdurft, die die Abhängigkeit von den äusserlichen Dingen ihm zuziehet, genug thun kan. Bey einigen Menschen bleibt es bey diesem Grade der Auswickelung. Das Vermögen, abgezogene Begriffe zu verbinden, und durch eine freye Anwendung der Einsichten, über den Hang der Leidenschaften zu herrschen, findet sich spät ein, bey einigen niemals in ihrem ganzen Leben; bey allen aber ist es schwach: es dienet den unteren Kräften, über die es doch herrschen solte, und in deren Regierung der Vorzug seiner


  1. Es ist aus den Gründen der Psychologie ausgemacht, daß, vermöge der jetzigen Verfassung, darinn die Schöpfung Seele und Leib von einander abhängig gemachet hat, die erstere nicht allein alle Begriffe des Universi durch des letztern Gemeinschaft und Einfluß überkommen muß; sondern auch die Ausübung seiner Denkungskraft selber auf dessen Verfassung ankommt, und von dessen Beyhülfe die nöthige Fähigkeit dazu entlehnet.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig 1755, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Naturgeschichte_und_Theorie_des_Himmels.djvu/245&oldid=- (Version vom 31.7.2018)