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 Nachtbilder.

 I.
Ich wandre durch die stille Nacht,
Da schleicht der Mond so heimlich sacht
Oft aus der dunklen Wolkenhülle,
Und hin und her im Thal

5
Erwacht die Nachtigall,

Dann wieder alles grau und stille.

O wunderbarer Nachtgesang:
Von fern im Land der Ströme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Bäumen –

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Wirr’st die Gedanken mir.

Mein irres Singen hier
Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.

 II.
Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,
Er reitet vorüber an manchem Schloß:

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Schlaf’ droben, mein Kind, bis der Tag erscheint,

Die finstre Nacht ist des Menschen Feind!

Er reitet vorüber an einem Teich,
Da stehet ein schönes Mädchen bleich
Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind,

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Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind!


Er reitet vorüber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß,
Taucht wieder unter dann mit Gesaus,
Und stille wird’s über dem kühlen Haus.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/256&oldid=- (Version vom 31.7.2018)