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Das Knäblein von den Zinnen;

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     Zerschmettert im Fall

     Am felsigen Wall. …
Da fühlt sie das Blut sich gerinnen.

O qualenvoller Augenblick,
O grausenhafte Stunde!

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Wem schlug des Himmels Strafgeschick

Je tiefre Herzenswunde?
     Von Schmerzen durchrast,
     Die Augen verglast,
So starrt sie zum schaurigen Grunde.

85
So starrt die Aermste, sprachberaubt,

Hinunter auf die Klippen,
Die Finger krampfhaft eingeschraubt,
Verzerrt die fahlen Lippen.
     Wie malmendes Erz,

90
     So schallt ihr das Herz

Und hämmert und pocht an die Rippen.

Verzweiflung gibt ihr endlich Kraft
Und Worte ihrem Jammern,
Das bricht in wirrer Leidenschaft

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Aus ihres Herzens Kammern.

     Woran, ach woran
     Soll nun sich fortan
Ihr mütterlich Hoffen noch klammern?

Sie rafft sich auf, sie fliegt hinab

100
Der Treppe Steingewinde,

Zu spähn nach ihres Lieblings Grab;
Nach eilt das Hofgesinde.
     Umsonst sie durchsucht
     Die waldige Schlucht,

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Nie fand sie die Spur von dem Kinde. –


Noch heut entsteigt, ein Bild von Eis,
Sie Nachts des Schlosses Hallen
Im grauen Kleid, die Haare weiß,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)