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Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter

– So sehr mich’s freute, ihn hier zu sehn, so ward mir’s doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh’ es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: „Auch hier am Freutentage, Bäslein Bertha!“ Deß wurd’ ich flammroth, und konnt’ ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein Bertha sey. Ich nahm Adelhaiden bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük.

Von nun an mußte ich immer an Kunzen denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von Hohenlohe dem jungen Schenken das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von Comburg am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, – da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! – Man sah’ an ihm ritterlichen

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Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)