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Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter

– ich bin Kunzen von Kranspergs Knechte einer, und harre eurer hier schon, seit dem Aufgang der Sonne. Mein Herr läßt euch bitten, daß ihr heute Abends, unten hinter der Mühle, wo die Fuhrt über das Wasser geht, seiner warten sollt. Er reutet nach Adelmannsfelden, und wird wohl drei Tage da liegen. –“ Ich vermocht’ es nicht, dem Knappen Bescheid zu geben, und rang mit mir selbst. Ich hab’ ihn so lieb, und hätte so gern seine Rede vernommen, und den feurigen Druk seiner Hände gefühlt. Aber wie? – dacht ich im Gegentheil – werd’ ich nur von einem einzigen Menschen gesehen, so einsam zusammenkommen mit ihm, wird man mich dann nicht für die schlechtste Maid ausschreien? Und was muß wohl er selbst von mir denken, wenn er sich besinnt, daß ich ihm nachgelaufen bin? Vielleicht geht er gar mit Anschlägen gegen meine jungfräuliche Ehre schwanger, und seine Liebe ist Verstellung? – So dacht’ ich viel hin und her, und Arges konnt’ ich doch im Ernst nicht von ihm denken. Meine Liebe trug den Sieg über alle Furcht davon, und ich sagte es dem Knappen zu, daß ich erscheinen wolle.

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Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)