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nefer oder nefel (ein Wort auch insofern interessant, als es sich in der hebräischen Sprache in der Gestalt nebäl, und im griechischen nabla, naula, wie im lateinischen nablium erhalten hat). Das Bild dieses uralten musikalischen Instrumentes erhielt den Werth eines Sylbenzeichens nefel und alle so lautenden Wörter wurden mit Hülfe desselben geschrieben. Welche besondere Bedeutung zu wählen ist, zeigt das daneben stehende stumme Deutbild an. Nefel heißt Fohlen, wenn das Deutzeichen eines Pferdes damit verbunden ist, Jüngling wenn ein Mann, Jungfrau wenn eine Frau dahinter abgebildet ist, Rekrut wenn das Bild eines Kriegers folgt, Feuer wenn das Bild einer Flamme, Thür wenn das eines Thores, Strick, wenn das eines zusammengerollten Taues daneben steht. Und so in tausend anderen Beispielen.

Die Aegypter, welche wir, um es von vornherein zu sagen, für die Schreiblehrer der ältesten Culturwelt zu halten berechtigt sind, blieben hierbei nicht stehen.

Sie waren es, welche den letzten großen Schritt thaten, der zu unserem modernen Schriftsystem führte, indem sie einer kleinen Zahl vocalisch auslautender Sylbenzeichen einen reinen Buchstabenwerth gaben und in dieser Weise, den Lauten ihrer Sprache angemessen, ein wahres Alphabet von fünfundzwanzig Buchstaben bildeten. Mit dieser Entdeckung standen sie bereits in den nachweisbar ältesten Zeiten der menschlichen Geschichte auf der Höhe vollkommenster Schrift, verschmähten jedoch die consequente Durchführung der so einfachen Buchstabenschrift aus dem Grunde, weil ihre Schrift – „die Schrift der Götter“ – mit einem Schlage jenen decorativen Charakter verloren haben würde, der alle ihre öffentlichen und Privatdenkmäler so eigenthümlich auszeichnet.

Die verschiedenen Methoden, welche sie von der einfachen

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Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)