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Künstler vor, der vom Papst (wahrscheinlich Bonifacius VIII[1]) berufen, demselben knieend die für die Sacristei der Peterskirche bestimmten Tafeln zur Ansicht vorlegt. Die Bewunderung, die der Papst zu erkennen gibt, zeugt für die bereits erlangte künstlerische Bedeutung Giottos, während die Umgebung S. Heiligkeit sich in ehrfurchtsvoller Schweigsamkeit zurückhält.

Es ist eine schöne Geschichte, die uns Vasari vom Papste Clemens V. erzählt, dass er bei der Verlegung seiner Residenz nach Aoignon im Jahre 1305 Giotto mit sich nahm und durch ihn die neue Kunst in Frankreich einführte. Schade, dass sie nicht wahr ist.[2] Cornelius, dem Vasari folgend, schildert im Seitenbild der

Lunette (Tafel 8)

rechts die Abreise des Papstes aus Rom, wie Giotto, die Zeichenmappe im Arm, an seiner Seite reitet, während das Volk auf den Knien liegend den Segen des scheidenden Heiligen Vaters erfleht. Fehlt auch dem Gegenstande der Darstellung die historische Beglaubigung, sie bringt uns doch die historisch-beglaubigte Thatsache zur Anschauung, dass die Kunst von der höchsten geistlichen Gewalt zu Giottos Zeit in hohen Ehren gehalten wurde.

Sie ward es auch von der höchsten weltlichen Gewalt! Im Jahre 1326 oder 1327 vom kunstliebenden König Robert von Neapel berufen, malte er (nach Vasaris Bericht u. A.) „in der Capelle des Castello dell’Uovo Vieles, was dem König sehr wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn Giotto malte, sich mit ihm unterhielt, weil es ihm Freude machte, jenen arbeiten zu sehen und seiner Rede zuzuhören.“ So sehen wir ihn mit seinen Begleitern bei Giotto auf dem Bilde zur Linken.

Der Genius Italiens hatte Italien aus dem Schlummer geweckt; heitere und ernste Melodien durchklangen von Neuem das Land; aus der Natur und dem wirklichen Leben hatte Giotto neue Kunstformen geschöpft; aber den religiösen Gehalt derselben, wie er ihm überliefert worden, treu bewahrt: Glaube, Liebe und Hoffnung im innigsten Verein, bilden auch bei ihm den Gehalt und Grundton seiner Kunstschöpfungen.

Seine künstlerische Laufbahn begann er unter den Augen des Meisters in der Kirche des heil. Franz zu Assisi, in welcher sich auch bis heute noch hochausgezeichnete Malereien von ihm erhalten haben. Zahllos sind die Werke, die er im nördlichen und südlichen, wie in Mittel-Italien ausgeführt; er war Maler, Bildhauer und Baumeister und hat in letztgenannter Eigenschaft den schönen Glockenthurm am Dom von Florenz erbaut. Gross ist die Zahl seiner Schüler und derer die in seiner Weise während des 14. Jahrhunderts Werke der Malerei ausgeführt haben. Er starb im Jahre 1336.[3]




  1. Wenn Vasari Benedict IX. nennt, so meint er wahrscheinlich Benedict XI, der von 1303 bis 1305 auf dem päpstlichen Stuhle sass, um welche Zeit aber Giotto mit einem grossen Frescowerke in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt war. Uebrigens war es der Cardinal Gaetano Jacopo Stefaneschi, der ihn 1298 – vielleicht im Auftrag von Bonifacius – berief, der seit 1294 regierte.
  2. 1303 bis 1306 war Giotto, wie erwähnt, in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt. Die vorhandenen Ueberreste von Malereien im päpstlichen Schloss zu Avignon haben das Gepräge der sienesischen Malerschule.
  3. Ein möglichst vollständiges Verzeichniss seiner Malereien, auch der ihm zugeschriebenen, mit Angabe über deren Schicksal findet man in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, Bd. I. S. 221 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)