Seite:Cornelius Loggien-Bilder München.pdf/45

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gross ist die Zahl der Meister der venetianischen Malerschule und ihre Werke haben ihren Namen dauernden Glanz verliehen. Von den ältern derselben hat Cornelius die beiden Brüder Gentile und Giovanni Bellini ausgewählt zur Bezeichnung des Standes der venetianischen Malerei noch vor der Zeit ihrer höchsten Vollendung. Sie sind die Söhne des Jacopo Bellino, eines gleichfalls nicht unberühmten Malers; Gentile, geb. zu Venedig 1421, ist der Meister des grossen Bildes von der wunderbaren Auffindung des Kreuzes im Canal, das in der Galerie der venetianischen Akademie aufgestellt ist. Das Ereigniss aber im Leben Gentiles, das ihn besonders berühmt gemacht, war eine Sendung nach Constantinopel. Dem Grossherrn waren einige Bildnisse von der Hand des Giovanni Bellini durch den Gesandten Venedigs als Ehrengeschenke überreicht worden, und diese hatten nicht nur seine Bewunderung erregt, sondern auch das Verlangen, den Maler selbst in Constantinopel zu sehen. – Vasari erzählt, dass die Signoria von Venedig den Beschluss fasste, Gentile Bellini an Stelle seines Bruders, der im grossen Rathssaale beschäftigt war, hinzusenden. Er machte die Reise auf einem venetianischen Schiffe, kam wohlbehalten in Constantinopel an und wurde durch den Gesandten dem Grossherrn vorgestellt. Dieser nahm ihn mit Freuden auf, erwies ihm grosse Ehren und liess sich sogar – den strengen Vorschriften des Islam zuwider – von ihm zugleich mit seiner Lieblingsgemahlin abconterfeien.

Das Todesjahr von Gentile ist nicht bekannt. Bedeutender als er ist sein jüngerer Bruder Giovanni, geb. 1426, der das hohe Alter von 90 Jahren erreichte. Die Bilder aus der venetianischen Geschichte, welche Giovanni im grossen Rathssaale gemalt, und welche die Begebenheiten zwischen P. Alexander und Kaiser Friedrich zum Gegenstand hatten, sind in dem grossen Brande von 1577 zu Grunde gegangen. Die Gemälde Giovanni’s, die sich erhalten haben, sind fast ausschliesslich religiösen Inhalts und zeichnen sich durch einen die Naturwahrheit verklärenden heiligen Ernst, seelenvollen Ausdruck, kräftige harmonische Färbung und eine hochvollendete Ausführung aus. Seine vorzüglichsten Bilder findet man in der Akademie und in den Kirchen von Venedig, als die bedeutendsten S. S. Hieronymus, Christophorus und Augustinus in S. Crisostomo und vor allen Christus in Emaus in S. Salvatore. Giovanni war hochgeehrt von seinen Zeitgenossen und Landsleuten auch späterer Jahre, so vom Cardinal Pietro Bembo, wie Vasari erwähnt und von Ariosto. Cornelius hat es vorgezogen, des Lobes zu gedenken, das ihm unser deutscher Meister Albrecht Dürer spendet, der 1506 in Venedig war, und von dort aus an seinen Freund Pirkheimer schrieb, dass „Sambelliny sehr alt, aber noch der pest Im Gemell“ sei. Er war jedenfalls mit Giovanni persönlich bekannt worden, da derselbe sogar ein Bild bei ihm bestellt hatte, weshalb Cornelius Beide in Einem Bilde vereinigt hat.

In der unbedingten Verehrung der Natur erstrebt und erreicht die venetianische Malerschule ihre höchste Vollendung. Darum nimmt in der

Lunette (Tafel 22)

die Statue der ephesischen Göttin, die in wunderbarem Widerspruch mit ihrer Bedeutung – so wenig kann die Menschheit das Ideal entbehren! – mit der Natur kaum eine entfernte Aehnlichkeit hat, die Mitte ein, aufgerichtet in einem Tempel, über welchem Amoretten mit Tanz und Musik das lachende Leben Venedigs im Bilde uns vorführen.

Der grösste Maler der venetianischen Schule ist Tizian aus der Familie der Vecelli, geb. 1477 zu Pieve di Cadore im Ampezzothale. Er erlernte die Malerei bei Giovanni Bellini, bildete sich aber später mehr nach dem Vorbild von Giorgione aus. Er führte ein überaus thätiges Leben, genoss vieler Ehren von den Grossen der Erde, und erreichte das hohe Alter von 99 Jahren. Das berühmteste seiner zahllosen Gemälde ist die Assunta, eine Himmelfahrt der Maria, in der Sammlung der Akademie zu Venedig; sein vorzüglichstes Christus und der Zinsgroschen in der Dresdener Galerie, aber seine höchste Bedeutung gewann er im Bildniss. Kaiser Carl V. liess sich mehrmals und von keinem Andern, als von ihm, malen. Einmal, als bei solcher Gelegenheit dem Tizian ein Pinsel aus der Hand zur Erde fiel, bückte sich der Kaiser „allerhöchstselber“ denselben aufzuheben; eine Ehrenbezeigung, welche die Hofleute hinter ihm in kaltes Erstaunen versetzte.

Vasari erzählt auch, dass er, als er 1566 nach Venedig gekommen, Tizian „als seinen lieben Freund“ besucht habe. „Tizian (sagt Vasari) war stets gesund und so glücklich, wie je ein andrer Meister seines Berufes; der Himmel gab ihm nur Glück und Heil. In seinem Hause sah man alle Fürsten, gelehrte und vorzügliche Personen, die zu seiner Zeit nach Venedig kamen oder dort wohnten.“ – Da unter diesen auch eines Tages Giulio Romano sich befand, so hat Cornelius beide Künstler zugleich in der Werkstatt Tizians aufgeführt, um neben den Ehren, die ihm Fürsten erzeigten, von der Achtung ein Zeugniss zu geben, deren er sich von Seiten seiner Kunstgenossen zu erfreuen hatte.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/45&oldid=- (Version vom 31.7.2018)