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Lange war Hebel von der Oberkirchenbehörde nicht so erkannt und geachtet, wie er es verdiente. Daß er ein geistreicher junger Mann und sehr brauchbarer Lehrer war, entgieng ihr nicht, aber sie erkannte ihn lange Zeit nicht nach dem vorzüglichen Grade seiner Würdigkeit. Acht und ein halbes Jahr mußte er sich zu Lörrach als Präceptoratsvicarius mit einer jährlichen Besoldung von ungefähr 350 Gulden begnügen, wobei er von seinem eigenen Vermögen zusetzte; und eilf Jahre, vom Jahr seiner Aufnahme unter die Candidaten an gerechnet, wartete er auf Anstellung an einer Pfarrei oder an einem Diakonat. So lange er als Präceptoratsvicarius in Lörrach sich befand, gehörte er in die Reihe der Candidaten. „Eilf Jahre“, sagte er daher in seiner oben erwähnten Antrittspredigt vor einer Landgemeinde, „bis in das einunddreißigste meines Lebens wartete ich vergeblich auf Amt und Versorgung. Alle meine Jugendgenossen waren versorgt, nur ich nicht. Ich stand noch da, wie der Prophet Jesaias sagt, gleich einem Baume oben auf einem Berge, und einem Panier oben auf einem Hügel.“

Die Neigung seines Gemüths war hauptsächlich auf eine Anstellung an einer Landpfarrei gerichtet; aber die Vorsehung lenkte es anders. Es war nicht das stille, bescheidene Loos des Dorfpredigers, das ihn erwartete, sondern es war eine glänzendere Höhe, wohin er geführt werden sollte.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Peter Hebel: J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 1. Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung, Karlsruhe 1834, Seite XVIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Hebel_Werke_1834_1_20.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)