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Naivität, mit der er die Herzen so wohlthätig anspricht, den trefflichen Witz, den heiteren Frohsinn, und den unschuldigen Scherz, und besonders auch das tiefe Gefühl der Sittlichkeit und der Religion, so wie die ausgezeichnete Kraft und die aufs tiefste ergreifende Erhabenheit der Gedanken und Schilderungen, ohne irgend einen künstlich gesuchten Schmuck des Ausdrucks. Kein Gedicht erschien in der ganzen Sammlung, dem nicht der Ruhm eines vorzüglichen Werthes zu Theil wurde. Welches aber unter diesen schönen Gedichten das schönste sey, ob die Wiese, oder der Morgenstern, oder der Karfunkel, oder der Sommerabend, oder die Mutter am Christabend, oder das Gespenst an der Kanderer Straße, oder das Habermuß, oder Sonntagsfrühe, oder der Wächter in der Mitternacht, oder die Vergänglichkeit, oder die Spinne, oder irgend ein anderes, darüber konnten die Leser kaum mit sich selbst, geschweige denn mit anderen einig werden. Bei dem Gedichte übrigens, worin er die Vergänglichkeit so rührend besang, folgte er besonders der kindlichen Stimme seines Gemüths, indem er das Gespräche auf die Straße zwischen Brombach und Steinen versetzte. Hier war einst seine Mutter gestorben, und von hier aus mußten die Trümmer des Röttler Schlosses, die dem Auge des Wanderers im Wiesenthale sich darstellen, als mächtige Zeugen der Vergänglichkeit einen besonderen Eindruck auf sein Herz machen.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Peter Hebel: J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 1. Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung, Karlsruhe 1834, Seite XXIX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Hebel_Werke_1834_1_31.png&oldid=- (Version vom 23.2.2024)