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auf die moralische Autorität und Unterstützung der Society angewiesen sein und bleiben, gleichwie die Society die materielle Hilfe der Company nicht entbehren kann. In der planvollen Leitung der Bekleidungsindustrie z. B. ist der schwache Anfang des Versuches enthalten, die Productionskrisen zu vermeiden. Auf allen Gebieten, wo die Company als Industrieller auftritt, soll so vorgegangen werden.

Keineswegs darf sie aber die freien Unternehmungen mit ihrer Uebermacht erdrücken. Wir sind nur dort Collectivisten, wo es die ungeheuren Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern. Im übrigen wollen wir das Individuum mit seinen Rechten hegen und pflegen. Das Privateigenthum als die wirthschaftliche Grundlage der Unabhängigkeit, soll sich bei uns frei und geachtet entwickeln. Wir lassen ja gleich unsere ersten Unskilleds ins Privateigenthum aufsteigen.

Der Unternehmungsgeist soll auf jede Weise gefördert werden. Die Einrichtung von Industrien wird durch eine vernünftige Zollpolitik, Zuwendung billigen Rohmaterials und durch ein Amt für Industrie-Statistik mit öffentlichen Verlautbarungen begünstigt.

Der Unternehmungsgeist kann auf gesunde Weise angeregt werden. Die speculative Planlosigkeit wird vermieden. Die Etablirung neuer Industrien wird rechtzeitig bekanntgemacht, so dass die Unternehmer, die ein halbes Jahr später auf den Einfall kommen, sich einer Industrie zuzuwenden, nicht in die Krise, in’s Elend hineinbauen. Da der Zweck einer neuen Anlage der Society angemeldet werden soll, können die Unternehmungsverhältnisse jederzeit Jedermann bekannt sein.

Ferner werden den Unternehmern die centralisirten Arbeitskräfte gewährt. Der Unternehmer wendet sich an die Dienstvermittlungs-Centrale, die dafür von ihm nur eine zur Selbsterhaltung erforderliche Gebühr einhebt. Der Unternehmer telegraphirt: Ich brauche morgen für drei Tage, drei Wochen oder drei Monate fünfhundert Unskilleds. Morgen treffen bei seiner landwirthschaftlichen oder industriellen Unternehmung die gewünschten Fünfhundert ein, welche die Arbeitscentrale von da und dort, wo sie eben verfügbar werden, zusammenzieht. Die Sachsengängerei wird da aus dem Plumpen in eine sinnvolle Institution heeresmässig verfeinert. Selbstverständlich werden keine Arbeitssclaven geliefert, sondern nur Siebenstundentägler, die ihre Organisation beibehalten, denen auch beim Ortswechsel die Dienstzeit mit Chargen, Avanciren und Pensionirung fortläuft. Der freie Unternehmer kann sich auch anderwärts seine Arbeitskräfte verschaffen, wenn er will. Aber er wird es schwerlich können. Die Hereinziehung nichtjüdischer Arbeitssclaven


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Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_48.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)