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ersten Generation, als in den folgenden? Und so liessen sich noch über viele andere Punkte Fragen aufstellen.

Bei dieser Untersuchung würde man dann zunächst zu der wichtigen Frage kommen, ob der Mensch zu einer im Verhältniss so rapiden Zunahme neigt, dass hierdurch gelegentlich heftige Kämpfe um das Dasein und in Folge dessen wohlthätige Abänderungen veranlasst werden, gleichviel ob am Körper oder am Geiste, welche dann bewahrt bleiben, während die nachtheiligen beseitigt werden. Greifen die Rassen oder Arten, gleichviel welcher Ausdruck hier angewandt wird, über einander über und ersetzen einander, so dass einige schliesslich unterdrückt werden? Wir werden sehen, dass alle diese Fragen, wie es in der That in Bezug auf die meisten derselben auf der Hand liegt, bejahend beantwortet werden müssen, in derselben Weise wie bei den niederen Thieren. Die verschiedenartigen, hier angedeuteten Betrachtungen können aber füglich eine Zeit lang noch zurückgestellt werden, und wir wollen zuerst nachsehen, in wie weit die körperliche Bildung des Menschen mehr oder weniger deutliche Spuren seiner Abstammung von irgend einer niederen Form zeigt. In späteren Capiteln werden dann die geistigen Fähigkeiten des Menschen im Vergleich mit denen der niederen Thiere betrachtet werden.

Die körperliche Bildung des Menschen. – Es ist notorisch, dass der Mensch nach demselben allgemeinen Typus oder Modell wie die anderen Säugethiere gebildet ist. Alle Knochen seines Skelets können mit entsprechenden Knochen eines Affen oder einer Fledermaus oder Robbe verglichen werden; dasselbe gilt für seine Muskeln, Nerven, Blutgefässe und Eingeweide. Das Gehirn, dieses bedeutungsvollste aller Organe, folgt denselben Bildungsgesetzen, wie Huxley und andere Anatomen gezeigt haben. Bischoff[1], welcher zu den Reihen der Gegner gehört, gibt zu, dass jede wesentliche Spalte und Falte in dem Gehirn des Menschen ihr Analogon in dem Gehirn des Orang findet; er fügt aber hinzu, dass auf keiner Entwickelungsperiode die Gehirne beider vollständig unter einander übereinstimmen. Eine völlige Uebereinstimmung konnte man auch nicht erwarten, denn sonst würden ihre geistigen


  1. Die Großhirnwindungen des Menschen. 1868, p. 96. Die Schlussfolgerungen dieses Schriftstellers ebenso wie die, zu denen Gratiolet und Aeby in Bezug auf das Gehirn gelangt sind, werden in dem der Vorrede zu der vorliegenden Auflage angefügten Anhange von Prof. Huxley erörtert werden.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)