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Periode von dessen Form im erwachsenen Zustande ist, wo es eine grosse allgemeine Aehnlichkeit mit dem des Menschen hat. Ganz offenbar wird das Herunterfalten der Spitze eines solchen Ohres, wenn es sich nicht während seiner weitern Entwickelung noch bedeutend verändert, einen nach innen vorspringenden Fortsatz entstehen lassen. Es scheint mir daher im Ganzen noch immer wahrscheinlich, dass die in Rede stehenden Vorsprünge in manchen Fällen, sowohl beim Menschen als bei Affen, Ueberbleibsel eines früheren Zustandes sind.

Die Nickhaut, oder das dritte Augenlid, mit ihren accessorischen Muskeln und anderen Gebilden ist besonders wohl entwickelt bei den Vögeln und ist für diese von grosser functioneller Bedeutung, da sie sehr schnell über den ganzen Augapfel gezogen werden kann. Sie findet sich auch bei manchen Reptilien und Amphibien und bei gewissen Fischen, wie z. B. bei Haifischen. Sie ist ziemlich gut entwickelt in den beiden unteren Abtheilungen der Säugethiere, nämlich bei den Monotremen und Marsupialien und in einigen wenigen unter den höheren Säugethieren, wie beim Walross. Beim Menschen und den Quadrumanen dagegen, wie bei den meisten übrigen Säugethieren existirt sie, wie alle Anatomen annehmen, nur als ein blosses Rudiment, als die sogenannte halbmondförmige Falte.[1]

Der Geruchssinn ist für die grössere Zahl der Säugethiere von der höchsten Wichtigkeit, für einige, wie die Wiederkäuer, dadurch, dass er dieselben vor Gefahren warnt, für andere, wie die Carnivoren, dass er sie die Beute finden lässt, für noch andere, wie den wilden Eber, zu beiden Zwecken. Der Geruchssinn ist aber von äusserst untergeordnetem Nutzen, wenn überhaupt von irgendwelchem, selbst für die dunkelfarbigen Rassen, bei denen er allgemein noch höher entwickelt ist als bei den civilisirten Rassen;[2] doch warnt er sie weder vor Gefahren,


  1. J. Müller, Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. Bd. 2. S. 312. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p, 260; derselbe über das Walross: Proceed. Zool. Soc. 8. Novbr. 1854. s. auch R. Knox, Great Artists and Anatomists, p. 106. Dies Rudiment ist, wie es scheint, bei Negern und Australiern etwas grösser als bei Europäern, s. C. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 162.
  2. Sehr bekannt und auch von Andern bestätigt ist der Bericht, den Al. von Humboldt von dem Geruchsvermögen der Eingeborenen von Südamerika gibt. Houzeau behauptet (Études sur les Facultés Mentales etc. Tom. I. 1872. p. 91), wiederholt Versuche angestellt und constatirt zu haben, dass Neger und Indianer im Dunkeln Personen an ihrem Geruche erkennen können. Dr. W. Ogle hat einige merkwürdige Beobachtungen über den Zusammenhang des Riechvermögens mit dem Farbstoff der Schleimhaut des riechenden Theils der Nasenhöhle ebenso wie der Körperhaut gemacht. Ich habe daher im Texte von den dunkelfarbigen Rassen als von den mit feinerem Geruchsinn, als die Weissen, begabten gesprochen, s. Ogle's Aufsatz in: Medico-chirurgical Transactions, London, Vol. LIII, 1870, p.276.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)