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Structur zwischen den Geschlechtern mit Ausnahme der Vorsprünge, welche während der Paarungszeit an den Vorderbeinen des Männchens sich entwickeln und durch welche das Männchen befähigt wird, das Weibchen zu halten.[1] Es ist überraschend, dass diese Thiere nicht schärfer ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten erlangt haben; denn wenn sie auch kaltes Blut haben, so sind doch ihre Leidenschaften stark. Dr. Günther theilt mir mit, dass er mehrere Male gefunden hat, wie eine unglückliche weibliche Kröte durch eine zu dichte Umarmung von drei oder vier Männchen erstickt worden war. Professor Hoffmann in Giessen hat beobachtet, wie Frösche während der Paarungszeit den ganzen Tag lang und mit einer solchen Heftigkeit kämpften, dass bei einem der Körper aufgeschlitzt wurde.

Frösche und Kröten besitzen eine interessante geschlechtliche Verschiedenheit, nämlich die sich nur im Besitze der Männchen befindenden musikalischen Begabungen. Es scheint freilich mit Rücksicht auf unsern Kunstgeschmack ein unangebrachter Ausdruck zu sein, wenn man die dissonirenden und überwältigend lauten Töne, welche männliche Riesenfrösche und einige andere Species ausstossen, als Musik bezeichnet. Nichtsdestoweniger singen gewisse Frösche in einer entschieden gefälligen Weise. In der Nähe von Rio de Janeiro pflegte ich häufig am Abend dazusitzen und auf eine Anzahl kleiner Laubfrösche zu horchen, welche auf den Grasflächen in der Nähe des Wassers sassen und liebliche zirpende Töne harmonisch erklingen liessen. Die verschiedenen Laute werden hauptsächlich von den Männchen während der Paarungszeit ausgestossen, wie es auch der Fall mit dem Quaken unserer gewöhnlichen Frösche ist.[2] In Uebereinstimmung mit dieser Thatsache sind die Stimmorgane der Männchen viel höher entwickelt als die der Weibchen. In einigen Gattungen sind nur die Männchen mit Säcken versehen, welche sich in den Kehlkopf öffnen.[3] So sind z. B. bei dem essbaren Frosche (Rana esculenta) „die Stimmsäcke den Männchen eigenthümlich und werden beim Acte des Quakens mit Luft gefüllte grosse kugelige Blasen, welche an


  1. Bei Bufo sikkimensis hat nur das Männchen zwei plattenartige Callositäten an der Brust und gewisse Rauhigkeiten an den Fingern, welche vielleicht demselben Zwecke dienen, wie die oben erwähnten Vorsprünge (Dr. Anderson, Proceed. Zoolog. Soc., 1871, p. 204).
  2. Bell, History of British Reptiles. 1849, p. 93.
  3. J. Bishop, in: Todd's Cyclopaedia of Anatomy and Physiol. Vol. IV, p. 1503.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)