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„Sagen Sie mir nur die Wahrheit!“ meinte sie mit tonloser Stimme. „Es gibt nichts, was ich diesem Manne nicht zutraue! Mein Vermögen hat er vergeudet; mich hat er seelisch gemordet. Weshalb soll er da nicht auch Thora umgarnt haben, der ich, wenn es so wäre, nicht einmal zürnen könnte! Denn – was vermag ein Weib gegenüber den raffinierten Künsten eines Ruperti, denen ich ja vor Jahren selbst unterlegen bin!“

Harald holte jetzt den Drohbrief, den er in der Kabine Nr. 24 gefunden, hervor und zeigte ihn Frau Ruperti.

„Die Handschrift ist sorgfältig verstellt,“ sagte er. „Trotzdem dürfte jemand, der Ihres Gatten Schrift genau kennt, geringe Ähnlichkeiten herausfinden.“

Frau Ruperti lachte plötzlich schrill auf. „Wünschen Sie, daß ich es beschwöre, daß er dies geschrieben?! Ich kann’s jeden Augenblick! Jeden! Es ist seine Schrift, wenn auch verstellt! Sie ist’s! Also – jetzt noch die Gattin eines Mörders! Auch das noch! Freilich – konnte mir denn überhaupt noch irgend etwas an der Seite dieses Mannes zustoßen, das mich noch unglücklicher werden läßt als ich es schon bin?! Hätte ich nicht meine Kinder, ich lebte nicht mehr!“

Sie sank erschöpft in den Liegestuhl zurück.

Was sollten wir hier noch?! Sie trösten? Gab es denn einen Trost für diese Ärmste?!

Wir verabschiedeten uns. Harald allein drückte Frau Ruperti teilnehmend die Hand. –

Vor dem Hause trafen wir Fräulein Arnhelm. Sie stand an der Gitterpforte und blickte die Straße nach links entlang, wandte sich jetzt nach uns um und meinte:

„Warten Sie nur einen Augenblick, meine Herren. – Der Herr Rechtsanwalt hatte nur vergessen, ein eiliges Telegramm aufzugeben. Er kam gerade vom Bahnhof –“

Wir schauten uns gegenseitig an. Und Harald fragte dann hastig: „Sie sagten ihm, daß Kriminalkommissar Lenk nach ihm gefragt hätte und daß Schraut und ich in Lenks Begleitung waren?“

„Natürlich, Herr Harst –“

„Und er eilte dann nach links die Straße hinab?“

„Ja – zum Postamt – mit seiner Reisetasche –“

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das Geheimnis der Kabine 24. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_der_Kabine_24.pdf/34&oldid=- (Version vom 30.6.2018)