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doch glaube ich nicht, daß er ermordet worden ist –“

Granjelm hatte sich nach links umgedreht und beobachtete scheinbar mit Genuß, wie die ersten Sonnenstrahlen nun den nahen Gletscher aufleuchten ließen.

Harald stieg aus dem Fenster. Er hatte zwei Bergstöcke und ein langes Seil mit.

„Gib weiter auf ihn acht,“ meinte er zu mir. „Hier hast Du einen Bergstock. Ihr folgt mir in einigen Schritten Entfernung!“

Auf den Steinen und Blöcken, den spärlichen Gräsern und den dürftigen Sträuchern lag noch der Nachttau.

Harald ging tief gebückt nach links auf den Gletscher zu, dessen breite Eismasse hier einen Bergeinschnitt völlig ausfüllte. Auch ich bemühte mich, eine Fährte zu entdecken. Und – ich fand sie: es waren kleine Steine, von denen der Tau weggewischt war, als der Fuß eines Menschen sie berührt hatte. Diese verwischten feuchten Stellen lagen gerade in Schrittweite auseinander.

Dieser Fährte folgte Harst. Sie war deutlich genug, wenn man erst einmal darauf aufmerksam geworden war.

Granjelm ging ruhig neben mir. Er tat so, als wäre ihm alles dies höchst gleichgültig. Fürwahr: der Mensch hatte keine Nerven, hatte sehr wahrscheinlich vor kurzem jemand kaltblütig hingemordet und zeigte doch eine fast imponierende Gelassenheit.

Wir näherten uns so dem Gletscher, dessen steiler Rand mit Steinchen, kleinen Felsstücken und Steingrus bedeckt war.

Harald bückte sich noch tiefer. Ja, – wer doch seine Augen hätte! Wer doch wie er jetzt Schritt für Schritt auch auf dem harten Eise die Spur weiter verfolgen könnte!

Ich mußte Granjelm stützen. Oben war der Gletscher stellenweise völlig glatt – blankes Eis eben.

Wir umgingen ein paar schmale Gletscherspalten. Die Fährte lief nun schräg nach oben, wo die Gletschermasse immer seltener jene Verunreinigung durch Steingrus zeigte, die den Füßen Halt gab.

Nun blieb Harald neben einer sehr breiten Spalte stehen, deren glatte Eiswände im Lichte der Sonne strahlten und funkelten.

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Max Schraut: Das Geheimnis der Kabine 24. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_der_Kabine_24.pdf/61&oldid=- (Version vom 30.6.2018)