Seite:Das Trinkgeld.pdf/29

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damit das Interesse der Gäste ward vermöge der dadurch erregten Missstimmung in bedenklicher Weise bedroht – das Mittel war nicht das richtige.

Das zweite bestand darin, dem Dienstpersonal bei der Annahme desselben die Aussicht auf die Trinkgelder als Theil des Einkommens in Anrechnung zu bringen und den Lohn um so viel zu verkürzen oder völlig zurückzubehalten. Dieses Mittel hat die Probe in der Praxis bestanden und findet sich an vielen Orten in lebhafter Uebung, so insbesondere in manchen Badeorten, wo das Gesinde die Sommermonate hindurch nur um die Trinkgelder dient. Die oben geltend gemachten Bedenken greifen hier nicht Platz, es bedarf weder der Ehrlichkeit der Leute, noch der Controle von Seiten des Herrn, und das Gehässige der obigen ersten Art der Vereinbarung fällt hinweg, da das Trinkgeld dem Dienstpersonal verbleibt.

Aber auch dies Mittel war noch nicht das richtige – es trug dem Gastwirth zu wenig ein! Denn was wollte die ihm dadurch ermöglichte Ersparung des Lohnes sagen gegenüber den grossen Summen, mit denen sich der Ertrag des Trinkgeldes unter Umständen beziffert, und die er in die Tasche seiner Leute fliessen sehen musste? Bei einem Hausknecht in einem stark frequentirten Gasthof, bei einem Zahlkellner in einem renommirten Wiener Café steigert sich der Ertrag vielleicht zum Zwanzigfachen des üblichen Lohnes

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)