Seite:Das Trinkgeld.pdf/64

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Ob die hier gemachten Vorschläge Aussicht auf Verwirklichung haben? Man giebt uns Deutschen Schuld, dass wir einen Stein im Wege, an dem wir uns stossen, ruhig liegen lassen – Jeder verwünsche ihn, aber Niemand nähme sich die Mühe, ihn aus dem Wege zu räumen oder, wenn er für ihn allein zu schwer sei, Andere zur Hülfe herbeizuziehen. Das Trinkgelderunwesen ist ein solcher Stein, Jeder klagt über ihn, aber Jeder lässt ihn liegen. Der Vorwurf, den wir gegen den Stein erheben, richtet sich gegen uns selber; wer eine Unsitte bloss verwünscht, anstatt für seinen Theil mitzuwirken, sie zu beseitigen, klagt sich selber an – für das Bestehen einer Unsitte ist Jeder, der nicht den Muth hat, ihr entgegenzutreten, selber mit verantwortlich. Niemand hat das Recht, sich über sie zu beklagen, als derjenige, der sich das Zeugniss ausstellen kann, seinerseits Alles gethan zu haben, was in seinen Kräften stand, um ihr ein Ende zu machen. Jeder meiner Leser kann sich damit in Bezug auf das Trinkgelderunwesen sein eigenes Urtheil sprechen.

    dahin gehen, das Trinkgeldergeben in denjenigen Verhältnissen, in denen es bisher üblich gewesen ist, einfach zu unterlassen – dies würde eine grosse Unbilligkeit gegen diejenigen enthalten, die einmal darauf angewiesen sind – sondern dasselbe durch positive Einrichtungen zu ersetzen. Erst dann und nur da, wo letztere getroffen sind, würden die Trinkgelder hinwegzufallen haben.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)