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zu reden, da dies auf ein ähnlich beeinflusstes Urtheil schliessen lässt, wie es z. B. das Strindbergsche ist, der eines schlechten Weibes wegen das ganze Geschlecht verdammt und am liebsten gänzlich vom Erdboden vertilgen möchte.

Trotz alledem kann ich Herrn Dr. Möbius nur zustimmen, wenn er sagt: „Wenn das Weib irgend etwas hochhalten sollte, so ist es der Muttername.“ Ganz gewiss soll es dies, gerade darum aber muss es andere Wege beschreiten, als ihm bisher offen standen, denn gerade, um die ganzen königlichen Pflichten und Rechte dieses Namens zu begreifen und seiner würdig zu werden, genügen in der immer weiterschreitenden Menschheit nicht mehr die blossen natürlichen Instinkte, die wohl bei Völkern in der ersten Entwickelung und im höheren Thierreich genügen mögen, nimmermehr aber bei dem immer feiner und differencierter werdenden Seelenleben der heutigen Culturmenschen. Gerade deswegen, um solche Mütter, wie wir sie heut brauchen, heranzubilden, war und ist eine Frauenbewegung nöthig. Schon bei der leiblichen Pflege im ersten Kindesalter richten die blosse Mutterliebe und die blossen natürlichen Instinkte allein herzlich wenig aus, wenn nicht das Verständniss und eine vernünftige Unterweisung hinzukommen. Da aber wären wir schon bei der Nothwendigkeit des Unterrichts der Mädchen in Hygiene und den Grundzügen der Medizin angelangt. Zu der leiblichen aber kommt die geistige Erziehung, die immer höhere Anforderungen an die Mutter stellt, je älter die Kinder werden, wäre es da nicht gut, wenn, statt eines schwachsinnigen Wesens, ein tüchtig in jeder Weise durchbildetes Weib diesem schweren Amte vorstände? Und zur Hochhaltung des Mutternamens gehört doch sowohl die Achtung der Kinder wie die Selbstachtung. Wie aber soll eine solche wohl bei dem „Weibe des Herrn Dr. Möbius“ möglich sein? Verlangen Sie also die Hochhaltung des Mutternamens, verehrter Herr Doctor, so helfen Sie lieber mit, den weiblichen Geist nach allen Seiten hin höher und reicher auszubilden, als es bisher üblich war; halten Sie aber an Ihrer Ueberzeugung fest und meinen, das sei ein aussichtsloses Beginnen, für das Weib genügten seine natürlichen, gesunden Instinkte, ja dann kann ich mir nicht helfen, dann wollen Sie für das heranwachsende Geschlecht nicht Mütter, sondern in der That nur – Brutpflegerinnen, so widerlich Sie das Wort auch finden – eine andere Möglichkeit giebt es nicht.

Sie werden mir nun freilich erwidern, dass es schon Tausende von herrlichen Müttern gegeben habe, die weder von Hygiene, noch von Pädagogik, noch von sonst irgendwelchem gelehrten Krimskrams eine Ahnung gehabt hätten und doch ihre Kinder an Leib und Seele zu tüchtigen, ja oft bedeutenden, alle andern überragenden Menschen herangebildet hätten, und dies nur durch die Macht ihrer Persönlichkeit, durch eine tiefe seelische Feinfühligkeit und Anpassungsfähigkeit, die keine gelehrte Bildung zu geben oder zu ersetzen im stande sei.

Darauf möchte ich mir die Frage erlauben, weshalb denn dann überhaupt noch irgend ein Studium – auch bei den Männern – nöthig sei, da

Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)