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schriebe eigentlich nicht wissenschaftlich, denn es sei nicht wissenschaftlich, über Dinge zu schreiben, die der Meinung Raum lassen, die nicht exact behandelt werden können. Diesen erwidere ich, dass ich lange Jahre wissenschaftlicher Thätigkeit hinter mir habe und dass, wenn ich mich jetzt um des allgemeinen Wohles willen gern auf „nicht strengwissenschaftliche“ Gebiete begebe, ich weiss, was ich thue. Meine Darstellung ist, heisst es von der anderen Seite, lieblos und einseitig; statt ebenmässig Vorzüge und Nachtheile abzuwägen, mache ich herbe und unfreundlich nur alle Nachtheile geltend. Nun ich denke, Zärtlichkeiten gehören nicht in eine sachliche Darstellung, überhaupt handelt es sich weder um Loben noch um Tadeln, nicht um Ideale und Wünsche, sondern um Betrachtung des Wirklichen; mein Thema war die geistige Schwäche des Weibes, deshalb musste klar und scharf gesagt werden, wie diese Schwäche sich zeigt; hätte ich „über das Weib“ geschrieben, so hätte es schon anders geklungen. Grossen Anstoss erweckt der Titel. Schwachsinn ist doch etwas krankhaftes, wie kann er sich unterstehen, von physiologischem Schwachsinne zu reden? Ei, ich unterstehe mich eben und halte durchaus daran fest, dass der Begriff des physiologischen Schwachsinnes unentbehrlich ist, wenn man die geistigen Fähigkeiten der Lebens-Alter, der Geschlechter, der Völker vergleichen will[1]. „Geistige Schwäche“ sagt ja ungefähr dasselbe wie Schwachsinn, enthält aber nicht das Merkmal des Ursprünglichen, Gesetzmässigen, sondern kann auf zufällig entstandene Schwächezustände bezogen werden und braucht doch einen Zusatz, wenn die krankhafte Schwäche ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Von „geistiger Inferiorität“ zu reden, ist geschmacklos[2], denn Inferiorität ist ein ganz hässliches Fremdwort und hat überdem einen verächtlichen Beiklang. Wenn das Weib im Vergleiche zum Manne schwachsinnig genannt wird, so soll es nicht herabgesetzt werden, es


  1. Auf alles kann ich nicht eingehen. Wenn jemand Dummheit und Mangel an Kenntnissen verwechselt, so kann er nicht verlangen, dass ich mit ihm streite.
  2. Gelegentlich habe ich es selbst gethan; wir sind allzumal Sünder.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/46&oldid=- (Version vom 31.7.2018)