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Dichtungen geben, als er selbst in seiner naiven Art mit diesen Worten sie gab?! Er war auch als Dichter der Doktor und Bauer zugleich. Wer er sei, erfahren wir aus seinem eigenen Munde (S. 76):

Se hau’t me môl im Hag mit Händscha gfanga,
In dStudi dhau’ – dô gucket nu’ mei’ Brill!
Haha! Der Waldgu, der bleibt dennischt hanga,
Ma’ ma’ mi musla, wia ma’ will.

In unvergleichlicher Weise schildert der erprobte Kulturhistoriker die Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke seiner ländlich-sittlichen Jugendzeit, um sie zu dichterischen Spiegelbildern zu gestalten, die Kraft und Leben haben und uns einen Hauch des Geistes langer Jahrhunderte verspüren lassen. Der kleine „Michöl“ geht zum „Nähni“ [Großvater] in die schwäbische Sittenschule (S. 13 ff. 112 usw.), er begreift die Berufsarbeiten seines anererbten Standes beim Vater (S. 37), nimmt an den religiösen Bräuchen des katholischen Landsvolkes in herkömmlichem Sinne teil (S. 50. 90. 96) und schickt sich an, der Seelsorger derer zu werden, unter welchen er aufgewachsen war. Er geht äußerlich bald seine eigenen Wege, aber die Liebe zum Schwabentum ist ihm geblieben und zum fruchtbaren Trieb seines Schaffens geworden. Nicht bloß die leicht erkennbaren autobiographischen Gedichte, sondern auch die köstlichen Idyllen über die mannigfaltigen Erscheinungen der Jahres- und Tageszeiten und wechselnden Stimmungen im bäuerlichen Tun und Treiben (und selbst die launigen Stichelschwänke über die schildbürgerliche Vergangenheit der Betroffenen) sind auf heimatliche Beobachtungen zurückzuführen. Nur die satirischen Herzensergießungen über seine ärztlichen Erfahrungen (S. 142. 145 ff.) sind der späteren beruflichen Praxis des Dichters entsprungen.

In M. Buck besitzen wir Schwaben einen Dialektdichter, wie ihn vor den Pforten des 20. Jahrhunderts kein anderer Volksstamm Ober- und Mitteldeutschlands sein eigen nennen kann. Unser Eduard Hiller, dessen „Naive Welt“ in demselben Verlag vor 2 Jahren erschien, ist in seinen niederschwäbischen Dichtungen vielseitiger in der Darstellung des schwäbischen Lebens, mannigfaltiger und gewandter im Gebrauch dichterischer Formen – ein Vollblutschwabe so gut wie der ihm

Empfohlene Zitierweise:
Fridrich Pfaff (Hrsg.): Alemannia XXI. Hanstein, Bonn 1893, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XXI_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)