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kleinen Gerichten, an denen sie ein bißchen herumknabbern; die Beefsteakseite des Lebens ist ihnen ein Greuel; sie möchten am liebsten alles Physische abschaffen, nennen es roh, höherer Wesen unwürdig, und denken, daß es abgetan und in untere Gesellschaftssphären verbannt sei, weil sie es mißachten. Wegen dieser eigenen Temperamentlosigkeit und weil sie an die beständige Überarbeitung und geschäftliche Präokkupation der rasch alternden amerikanischen Männer gewöhnt sind, können sie in ihrem Lieblingszeitvertreib, dem Flirt, auch soweit gehen. Ein verliebter Europäer, der europäische Folgerungen ziehen wollte, käme schlimm an; er würde zu hören bekommen, daß er kein Gentleman sei und Frauen nicht respektiere.

Inmitten dieses verkünstelten Daseins berührt es seltsam, welche Vergötterung mit Kindern getrieben wird. Es ist das ein ganz charakteristischer Zug der hiesigen Gesellschaft. Vielleicht stammt er noch aus der Zeit her, wo es hier so wenig Einwohner für das riesige Land gab, daß man sich über jeden neuen kleinen amerikanischen Bürger ganz unsinnig freute; vielleicht ist es im Gegenteil ein allermodernstes Gefühl, weil in der neuesten Zeit in der elegantesten, reichsten New Yorker Gesellschaft die Kinderzahl stetig abnimmt und

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/110&oldid=- (Version vom 31.7.2018)