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getrennt sein und nichts von einander wissen. Und wenn es zum Schlimmsten käme und keine Rettung möglich wäre? Lebendig sollten uns die Wilden nicht bekommen; und in meinem letzten Blick würden Sie noch Glück und Dank lesen, Dank für Leben wie für Tod, für alles, was Sie mir gegeben.

Und warum soll es eine Fügung Gottes sein, daß ich gerettet bin, während vielleicht viele Frauen und kleine Kinder auf entsetzliche Weise umgekommen sind? Die waren doch so unschuldig wie ich an all der Verblendung, die allein das Furchtbare möglich gemacht hat. Welch ein Gott, der solcher Auswahl fähig wäre! Wir würden uns ja von jedem Menschen mit Abscheu wenden, der, in solch göttlicher Allmachtsstellung, nicht jeden Unschuldigen retten wollte. Der Gott so vieler Menschen erreicht in den Handlungen und Erwägungen, die sie ihm andichten, aber nicht einmal ein bescheidenes, menschliches Mittelmaß – es ist eben nicht Gott, der die Menschen sich zum Bilde geschaffen, sondern die Menschen haben sich einen Gott konstruiert, nach dem Entsetzlichsten, was sie in der eigenen Natur fanden.

Ein Gott! der Tausende für die Fehler einzelner leiden läßt!

Was muß in Peking während dieser letzten Wochen von Unschuldigen schon erduldet worden

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/242&oldid=- (Version vom 31.7.2018)