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hinein in das tiefe Nachtblau, wo die Sterne winkten – und dazu klang es von der fern unter mir verschwindenden Erde wie leise Schicksalsworte: Freud, Leid, Tod – Freud, Leid, Tod!

Heute Nacht hier in anderem fremden Lande habe ich im Traum wieder den altgewohnten Ton vernommen. Er zittert mir im Herzen weiter, aber ich höre nur immerwährend das eine Wort: tot, tot, tot! Und eine namenlose, unbeschreibliche Angst hat mich erfaßt, ein brennender Wunsch dorthin zu eilen, eine wahre Verzweiflung, hier still sitzen zu müssen. Ich möchte helfen und retten, und dann klingt es immer wieder: tot, tot, tot!

Es ist wie eine quälende, verzehrende Sehnsucht, Sehnsucht nach Ihnen, liebster Freund, Sehnen, Sorgen um Sie. Mir ist, als müßte ich Ihnen grad heute noch tausend und abertausend Liebes sagen, Sie schützen und nicht von mir lassen. Warum nur heute gerade dies Bangen und Zittern, dies Grauen, das mir keine Sekunde Ruhe läßt, das mich vom Haus an den Strand, vom Strand wieder ins Haus treibt, das nicht weichen will, wie sonst nächtliche Spukgestalten, die aus den Träumen ins Wachen übergehen, sondern ein Grauen, das wächst und wächst, auch jetzt während ich Ihnen schreibe. Warum das heute, wo die

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/254&oldid=- (Version vom 31.7.2018)