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aber schwer zu denken und gar nicht zu beweisen. Wie er den Mord Escovedo’s und Montigny’s anbefohlen hat, so hätte sie den ihres Gemahls einzuleiten versuchen können, und wir brauchten uns darüber nicht zu verwundern. Unbequeme Menschenleben in bequemer Art aus dem Wege zu räumen, galt ihnen beiden als Vorrecht der souveränen Gewalt; einen Mord abscheulich zu finden, wenn er ihnen passte, däuchte sie beide ein bürgerliches Vorurtheil. Philipp hat auf Oraniens Kopf einen Preis gesetzt und diese ruchlose Preisausschreibung öffentlich erlassen; Maria Stuart ist es sehr zufrieden gewesen, als ihr Halbbruder, den sie hasste, unter Mörderhand fiel: sie wollte dem Mörder desselben eine Pension aussetzen[1], und sie hat, wenngleich dazu provocirt, sich nicht entblödet, an Babingtons Verschwörung gegen das Leben Elisabeths Theil zu nehmen. Dass sie an Sir James Balfour das Ansinnen gerichtet habe, er möge ihren Gatten meuchlings bei Seite schaffen, wäre desshalb leicht zu glauben, wenn dieser Sir James es nicht ausgesagt hätte, und wir es von anderer, verlässlicher Seite erfahren würden. Seine Aussage aber ist werthlos, weil sein Charakter die Falschheit und Käuflichkeit selbst war.

Vier Wochen waren nach Darnley’s Tode verflossen, Placate auf Placate, die Bothwell des Mordes beschuldigten, in Edinburgh angeschlagen worden. Man forschte nach den Urhebern derselben und wollte einen von ihnen entdeckt haben. Gegen diesen erliess die Königin eine Proclamation, mit der sie ihn des Hochverraths schuldig erklärte, weil er ihre Majestät geschmäht und verleumdet habe; allen denen, die ihm zur Flucht verhelfen sollten, ward mit dem Tode gedroht[2]. Sie wollte Bothwell, das ist klar, geschont haben und dessen Ankläger, als einem des Hochverraths Schuldigen, das Wort abschneiden. Wollte sie es, weil das Bewusstsein ihrer Schuld sie drückte, oder in Verblendung der Leidenschaft, die der Schändliche ihr eingeflösst hat? – Das ist eine offene Frage, der gegenüber es gleichfalls eine offene Frage bleiben muss, ob Marien eine Schuld am Morde trifft oder nicht. Man wird vielleicht einwenden: sie hatte keine

  1. Labanoff III, 341.
  2. Wortlaut der Proclamation, vom 12. März 1567, bei J. R. Burton, The Register of the Privy Counc. of Scotl. Edinb. 1877, I, 500.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_053.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)