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Ahnung davon, dass Bothwell der Mörder sei, dass sie folglich durch Erlass der Proclamation sich selbst blossstelle[WS 1]. Allein die Sache war notorisch: ganz Edinburgh wiederhallte von den Anklagen gegen ihn. War denn Maria Stuart taub, dass sie den Wiederhall nicht vernommen hätte?

Binnen kurzer Frist stellte sich heraus, dass königliche Proclamationen nicht genügend seien, eine gerichtliche Untersuchung des grässlichen Falles hintanzuhalten. Man musste eine solche anordnen; Zeit und Form derselben ward durch den geheimen Staatsrath bestimmt, in dem Bothwell Sitz und Stimme hatte und keines der Mitglieder ihm zu widersprechen wagte. Graf Lennox, der Vater Darnley’s, ward nach Edinburgh vorgeladen, wo er seine Klage wider Bothwell vor Gericht zu begründen habe. Es wurden ihm nur 14 Tage Frist gegeben, um deren Verlängerung er nachsuchte. Da er jedoch wusste, dass Maria Stuart seinem Begehren zu willfahren nichts weniger als geneigt sei, richtete er an Königin Elisabeth das Gesuch: sie möge die Gewährung seiner Bitte um Fristverlängerung befürworten. Elisabeth schrieb sofort an die Schottenkönigin in dem von Lennox gewünschten Sinne; der Ueberbringer des Briefes sprengte mit verhängten Zügeln nach der englischen Grenzfestung Berwick, deren Befehlshaber, Sir Will. Drury, das Schreiben einem Officier übergab, dem Generalprofossen der Festung, der es spornstreichs nach Edinburgh trug und hier der Maria Stuart einhändigen sollte.

Am frühen Morgen des Tages, auf den die Gerichtssitzung anberaumt war, traf dieser Bote ein und begehrte im königlichen Palaste Zutritt, der ihm aber, weil Ihre Majestät noch schlafe, verweigert wurde. Als er nach ein paar Stunden wiederkehrte, fand er alle Zugänge des Palastes von der bewaffneten Gefolgschaft Bothwells besetzt und konnte nicht durchkommen. Es erschienen Bothwell und Lethington, denen er das Schreiben Elisabeths übergeben musste; sie kehrten mit demselben in den Palast zurück, um jedoch nach einer halben Stunde wieder hervorzukommen und dem englischen Officier zu eröffnen: die Königin schlafe noch immer; der Brief werde ihr eingehändigt werden, wenn sie ihr Lever gehalten habe. Dann schwang sich Bothwell in den Sattel und warf, bevor er nach dem Gerichtslocale ritt, einen Blick nach den Fenstern des königlichen Schlafgemachs.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: blosstelle
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_054.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)