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Aus einem derselben winkte ihm die Königin ihren Gruss zu[1].

Man wird fragen: Ist das auch wahr? Ist’s zu glauben, dass eine Königin dem Manne, der sich wegen Meuchelmords vor die Schranken des Gerichts verfügte, ihren freundlichen Gruss mit auf den Weg gegeben? – Die Sache wird von Sir Will. Drury an den englischen Staatssecretär Cecil berichtet, und man wäre geneigt, diesem Sir William, dessen Parteinahme gegen Maria Stuart nicht zu leugnen ist, die Eigenschaft eines verlässlichen Gewährsmannes abzusprechen. Aber seine Parteilichkeit konnte nicht so weit gehen, dass er, nur um der Schottenkönigin eins anzuhängen, sich selbst geschadet hätte: er musste den Bericht des Officiers, den er nach Edinburgh entsendet hatte, genau so wiedergeben, wie er ihm geworden, weil ihm sonst Gefahr drohte, bei Elisabeth und Cecil, die auf wahrheitsgetreue Berichterstattung etwas hielten, ausser Credit zu kommen. Ist dies aber der Fall, so darf man sich nicht einbilden, besser zu wissen, was Maria Stuart in dem Momente gethan hat, als der Officier es wusste, der mit eigenen Augen es gesehen hat. Möglich ist nun, dass die Königin trotz allem, was geschehen war und ihr zur Kenntniss gelangt sein musste, Bothwell nicht für den Mörder ihres Gatten hielt; möglich aber auch, dass ihr Gruss dem Mitschuldigen galt, der ihre eigene Sache vor Gericht zu vertreten ging. Welches von beiden der Fall gewesen ist, entzieht sich aller Berechnung, und eben desshalb, wie auch aus andern Gründen, auf die ich gleich zu sprechen komme, ist es fraglich, aber keineswegs ausgemacht und entschieden, ob Maria Stuart den an Darnley begangenen Mord nicht mitverschuldet habe.

Da es ohne die geringste Anwandlung von Scham darauf eingerichtet worden, dass der Ankläger, Graf Lennox, nicht erscheinen könne, schloss die Gerichtsverhandlung mit der Freisprechung Bothwells. Allein der possenhafte Act dieser Freisprechung hat die Stimmen, welche Bothwell und die Königin der entsetzlichen That beschuldigten, nicht zum Schweigen gebracht.

  1. Calend. of State Pap. Foreign 1566–1568 p. 207, 230; hierzu die Instruction, mit der Elisabeth den Lord Grey nach Schottland senden wollte, ib. p. 215: „The Queen has also cause to mislike the usage of the Provost Marshal of Berwick sent with her letters, and earnestly requires that so open an insolence may be openly repaired.“
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_055.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)