Seite:De DZfG 1891 05 011.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und mehr und mehr auf das Verhältniss der Rechtsgemeinschaft nach Aussen hin, gegenüber den Ungenossen, beschränkt.

Diese Ausdehnung gelingt am ersten in Staaten mit stark centralisirender Tendenz, so in der Fränkischen Monarchie Karl’s des Grossen; denn die Karolingische Verfassung bot eine genügende Handhabe, um die Rechtsordnung wirksam werden zu lassen. Dagegen führte das Fehlen einer straff gespannten öffentlichen Gewalt in der Nachkarolingischen Zeit zuerst in Frankreich und theilweise auch in den Nebenländern Italien, Spanien, England, und dann in Deutschland mit vorübergehenden Ausnahmen zu jenem Rückschlag, als dessen charakteristisches Merkmal die sogenannten Friedensbestrebungen des Mittelalters zu bezeichnen sind, die unter den verschiedensten Namen auftreten, ich erinnere nur an die wichtigsten, Gottesfrieden und Landfrieden, denen allen aber gemeinsam ist jene ursprüngliche Bedeutung, welche dem Worte Friede zu Grunde liegt: „die thatsächliche Macht“ vorwiegend vor der „Rechtsordnung“, natürlich unbeschadet der mannigfachsten Schattirungen, die in den damaligen so verschieden gearteten Zeitverhältnissen nur zu erklärlich sind.

Und als dann diese Zeit wenigstens äusserlich ihren Abschluss fand in dem ewigen Landfrieden Kaiser Maximilian’s im Jahr 1495, und als im weiteren Verlaufe das Recht alle Beziehungen innerhalb der Rechtsgemeinschaft regelte, einen allgemeinen rechtlich geschützten Zustand schuf, soweit dies natürlich die jeweilige Lage der Dinge erheischte, verschwindet aus dem Sprachgebrauch der bisherige Gegensatz zwischen Friedenszustand und Rechtszustand für die Beziehungen innerhalb der Rechtsgemeinschaft (ich verweise auf die oben in reichlichem Masse angeführten Belegstellen), und es ist von einem Friedenszustande nur noch die Rede im Verhältnisse der Rechtsgemeinschaft nach Aussen hin: ein thatsächlicher Friedenszustand, wenn verbürgt durch die geschlossene Macht, mit welcher die Rechtsgemeinschaft nach Aussen auftritt, ein Kampfeszustand, wie ehedem zwischen den Einzelnen, wenn dies nicht der Fall.

Eine Schattirung nach der Seite des Rechtes hin, ähnlich wie die in früherer Zeit schon erwähnten Nüancirungen, ist der völkerrechtliche Friede. Doch für Weiteres verweise ich den Philosophen vom Fache auf die bekannte Abhandlung von Kant

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_011.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)